Wahlwerbung zur NRW-Wahl – und warum ich mich darüber ärgere

Dies ist ein sehr persönlicher Beitrag, der keinen Anspruch auf wissenschaftliche Nachweisbarkeit hegt. Dies ist ein Beitrag einer Bürgerin aus NRW, die seit einigen Tagen vor Allem mit Hilfe von Plakaten aufgefordert wird, eine der Parteien zu wählen, die am 14. Mai 2017 zur Landtagswahl antreten. Plakate mit Politikerköpfen, Familien, Slogans, Versprechen… Geben diese Plakate mir Unterstützung dabei, eine überlegte Entscheidung zu treffen? Mit welchen Botschaften werben diese Plakate um meine Stimme? Werde ich als mündiger, sachlich interessierter Bürger wahr genommen? Was für ein Bild von Bürgern haben Parteien und deren Werbeagenturen, wenn sie auf diese Weise um die Wählerstimmen der Bürger werben? Sehr schmeichelhaft scheint diese Bild nicht zu sein. Ehrlich gesagt fühle ich mich sogar durch die Ansprache beleidigt.

Stellen Sie sich vor, Sie bewerben sich bei den Bürgern aus NRW um einen Posten als Führungskraft. Das Interesse der Bürger liegt darin, eine Führung zu erhalten, welche die verschiedenen Interessen der Bürger wahrnimmt, versteht, miteinander abwägt und in umsetzbare Unternehmenspolitik überführt. Innerhalb der „Firma NRW“ gibt es Zuständigkeiten, die relativ unabhängig entschieden werden können – und Zuständigkeiten, die in den Bereich der Kommunen und des Bundes fallen.

Gesucht wird also ein „Management“, das zum Einen kompetent und fachkundig anhand der Ressourcen Entscheidungen trifft und umsetzt – und auf der anderen Seite diplomatisch geschickt mit den verschiedenen Anspruchsgruppen kommuniziert und verhandelt. Gesucht wird ein Management, das die Bürger transparent und verständlich informiert und Strukturen schafft, um den Bürgerwillen laufend einzubinden in Entwicklungen und Entscheidungen. Gesucht wird ein Management, das den eigenen Vorteil dem Vorteil des Landes und seiner Einwohner unterordnet.

Wie werben politische Parteien in NRW? Natürlich mit Plakaten!

Wenn ich die Plakatwerbung betrachte, die seit Tagen wie Pilze aus dem Boden schießt, habe ich das Gefühl, das ist so eine Art Beschäftigungsprogramm für Parteimitglieder auf Ortsebene. Die Plakataussagen sind hohl, austauschbar, gerade die SPD glänzt durch typische Werbeaussagen einer Werbeagentur, die aus irgendeinem Grund „NRWIR“ für einen großen Wurf hält. Klingt wie eine Bierkampagne – aber passt ja vielleicht zu Ruhrgebiet und Rheinland, dachte man sich?

Die Grünen (aber auch andere Parteien) bringen viele Kinder auf Plakate (ist das nicht in Deutschland verpönt, Kinder abzulichten? Wegen der Persönlichkeitsrechte? Mit Slogans zu Freiheit, Sicherheit, Freizeit und Wohlstand wollen sie sich anscheinend nicht auf eine bestimmte Wählerschicht festlegen? Die CDU sehe ich bisher nur mit den ewigen Politikerköpfen, die einen nachdenklich machen, ob Politik hässlich macht – ermutigend wirken sie kaum. Die FDP ist am schicksten und hat auch anscheinend die hübschesten Politiker, aber die Botschaften sind ebenfalls Blabla und haben anscheinend vor Allem die Funktion, sich von keiner Koalitions-Option zu entfernen.

Was ich mir wünschen würde

Tatsächlich habe ich sogar versucht, die Parteiprogramme der Parteien im Web zu finden und zu lesen. Bei einigen ist es mir gar nicht gelungen, das „Wahlprogramm“ als Menüpunkt aufzuspüren, bei anderen las sich ein ewig langes Wahlprogramm wie eine aufgeblähte, prahlerische PR-Broschüre, und die Website der Piraten-Pertei NRW lies sich leider gar nicht öffnen – Zeitüberschreitung beim Laden (Sonntag, 9.4.). Bei zwei Parteien fand ich die Usability gut und die Inhalte strukturiert, kurz, übersichtlich und verständlich – doch da mich die Inhalte und Wahlversprechen erschreckt haben, sag ich nicht, wer das war 😉

Ich wünschte, die Parteien würden aufhören, uns Bürger anzusprechen wie eine Modemarke, die mit primitiven Werbebotschaften auf Stimmenfang geht. Ich wünschte, die Parteien würden sich wünschen, mit Bürgern in einen offenen, sachlichen Dialog zu treten – über das Internet!

Ich weiß ja, dass ehrenamtliche Plakatkleber das Preiswerteste sind, was politisch verfügbar ist, doch ein bisschen Budget für Facebook-Werbung (statt Kugelschreiber und Luftballons) sollte doch drin sein. Man könnte gebeten werden, in einer öffentlichen oder geschlossenen Facebook-Gruppe über realistische Möglichkeiten der Landesverwaltung zu diskutieren. Man könnte Transparenz schaffen und Fragen beantworten, die den Verstand ansprechen! Wer bitte wählt denn eine Parteien, weil so niedliche Kinder auf Website und Plakat abgebildet sind?

Ich würde gern wissen, warum unsere Städte in NRW so verschuldet sind – aber der Landeshaushalt keine Neuverschuldung braucht im Jahr 2017. Ich würde gern wissen, welche Themen genau durch Landespolitik wie beeinflusst werden können – wie die Entscheidungswege bei kleineren und größeren Prozessen sind, wie Fördermittel vergeben und Aufträge erteilt werden. Wie wird gebaut und wer beeinflusst was.

Ich würde gern wissen, wie sich Bürger einbringen können in die Landespolitik, ohne einer Partei beitreten zu müssen. Ich würde gern wissen, über welche Gremien und Experten man bestimmte Themen mitgestalten kann (wie Digitalisierung und Mittelstands-Förderung). Ich würde gern wissen, wie über möglichst einfache Wege Transparenz kommen kann in politische Entscheidungsprozesse, so dass wir Bürger diese vom Rechner aus verfolgen können, ohne von Werbeaussagen belästigt zu werden.

Ich würde gern den Respekt erfahren, als mündiger Partner betrachtet zu werden, der das Recht darauf hat, Informationen zu erhalten und nachzufragen! Ich würde gern die vielen kleinen Parteimitglieder als Ansprechpartner haben, die mir über soziale Netzwerke persönlich zur Verfügung stehen – zumindest einige Stunden wöchentlich – und die selbst so demokratisch in ihrer Partei eingebunden sind, dass sie fachkundige Auskunft geben können. Ich will Respekt vor diesen fleißigen Ehrenamtlern haben, anstatt sie als lächerliche Plakatkleber und Fanclub wahrzunehmen!

Möge das Internet in den nächsten Jahren hier viel bewegen und dazu beitragen, dass sich ein demokratischer Willensprozess „von unten“ etabliert. Es kann nicht sein, dass nur Parteisoldaten die Politik mitbestimmen. Wir Bürger wollen uns repolitisieren und auf eine Stufe kommen mit demokratischen Entscheidungsprozessen wie in der Schweiz. Wie sind kein „Wahlvieh“, wir sind intelligent und nachdenklich genug, um mitzuentscheiden. Möge sich das langsam in den Parteien mal rumsprechen 🙂

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Wahlwerbung zur NRW-Wahl – und warum ich mich darüber ärgere

  • Reply Sabine 19. April 2017 at 00:28

    Liebe Eva,
    ich hoffe, du wirst eine positivere Meinung von den Plakaten meiner Partei haben, wenn du sie entdeckst
    Das Parteiprogramm kannst du gern auf v-Partei.de nachlesen.
    Kennst du schon die Seite kandidatencheck.wdr.de? Dort haben über 1000 Landtagskandidaten jeweils 4min lang einen Fragebogen beantwortet. Vielleicht findest du mich dort ja
    Liebe Grüße
    Sabine N.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 25. April 2017 at 13:39

      Hi! Danke liebe Sabine. Von der V-Partei habe ich noch keine Plakate gesehen. Erst durch Facebook überhaupt davon erfahren. In Frankreich ist es viel leichter als hier, neue Parteien populär zu machen – da sind wir Deutschen doch eher konservativ… Viel Erfolg Euch!!!

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