Lieber Bücher statt iPads: Der Deutsche Lehrerverband verspielt Deutschlands Zukunft

Na schön. Sicher. Man kann an den 5 Milliarden, die vom BUND jetzt für die Länder bereitgestellt werden und die Deutschlands Schulen digitaler machen sollen sicherlich so einiges bemäkeln. Aber immerhin: Es gibt endlich einen „DigitalPaktD“ für Deutschland, die Bildung, die Schulen – für die Zukunft! Da Bildung nach wie vor Ländersache ist, ist natürlich die Frage inwieweit man damit Erfolg vom Bund aus haben wird, aber immerhin: Endlich tut sich mal was! Zum Schrecken des Deutschen Lehrerverbands.

Erinnert sich noch jemand an das Wort von der „Zwangsdigitalisierung“? Im Februar des Jahres 2015 hat Josef Kraus, der an der Spitze des Deutschen Lehrerverbandes steht, dem Deutschlandradio-Kultur ein Interview gegeben. Eines, das damals heftigst debattiert wurde, weil es einige Äußerungen gab, die so gar nicht dem Bild eines zukunftsträchtigen Landes entsprachen. Josef Kraus sprach darunter anderem über die sogenannte „Zwangsdigitalisierung“ in der Schule: „Wogegen ich etwas habe, das ist die Euphorie, zu glauben, Schule könnte nun völlig anders gestaltet werden, völlig umgekrempelt werden, die totale Zwangsdigitalisierung, diese Euphorie stört mich. (…) Es hat mir bislang noch niemand nachweisen können, dass eine Totaldigitalisierung des Unterrichts beziehungsweise eine Eins-zu-eins-Computer-und-Tabletversorgungsrate für Schüler den Schülern wirklich etwas bringt und dass die beispielsweise in Leistungstests besser abschneiden würden.“ Im Interview nannte Kraus allerdings auch keine Studie, die das Gegenteil belegen würde.

Dabei berichtet die ZEIT schon 2013 – das Thema Laptop oder iPad und Schule ist halt zeitlos – darüber, dass es zumindest Hinweise darauf gibt, dass das Lernen mit Tablets oder anderen digitalen Hilfsmitteln nicht unbedingt die Schüler verschlechtert. „So zeigte eine groß angelegte Studie von der Humboldt-Universität in Berlin, dass sich die Notebook-Nutzung positiv auf Deutschleistungen und die Computerkompetenz auswirke. Eine Studie der University of London hat die bisher vorhandenen Forschungen zu Tablets zusammengefasst und zumindest Hinweise darauf gefunden, dass die Lernbereitschaft der Schüler steigt. Eltern beobachteten demnach, dass ihre Kinder häufiger Hausaufgaben machten.“ Insofern gibt es schon Hinweise darauf, dass digitale Hilfsmittel dem Schüler etwas bringen. Auch wenn Kraus das scheinbar nicht wahrhaben möchte.

Wer zwingt uns zur Digitalisierung?

Kraus stellt das Wort der „Zwangsdigitalisierung“ einfach in den Raum und unterlässt eine wichtige Nachfrage. Denn wenn wir von einem Zwang reden, dann müssen wir doch fragen: Wer zwingt uns denn? Wer hat die Macht, eine Digitalisierung landesweit in Schulen anzuordnen? Zuerstmal: Keiner. Bildung ist immer noch Landeshoheit und der Bund darf sich in die Gestaltung von Plänen nicht einmischen. Frau Wonka darf allenfalls die Technologie liefern, aber auf den Inhalt der Lehrpläne hat sie keinen Einfluss. Insofern: Von dieser Seite ist kein Zwang zu sehen. Und da der Lehrerverband auch definitiv nun keinen Zwang ausüben möchte fällt er auch aus der Fragestellung raus.
Also: Wer zwingt uns denn zu einer Digitalisierung? Wer zwingt die Schüler denn digitale Lehrmittel zu nutzen? Vielleicht: Wenn es nicht EINEN oder DEN gibt, der das vermag – vielleicht ist es die Gesellschaft und die Zeit? Da wird immer auf uns eingehämmert: Im modernen Job geht nichts ohne Computer. Bewerbungen auf Papier gehen immer mehr zurück, weil Unternehmen online die Daten entgegennehmen. Der Brockhaus hat längst ausgedient, wir schlagen in der Wikipedia nach. Mehr und mehr Deutschen nutzen generell das Internet – 58 Millionen sind es derzeit, so ARD/ZDF.  Wer zwingt uns in der Freizeit Videos und Fernsehen übers Netz zu nutzen auf digitalen Geräten? Oder auf Fernsehern, die nachgerüstet werden weil man dann endlich bequem die Mediatheken nutzen kann? Die Industrie? Na ja, okay, ein wenig. Aber vor allem doch in erster Linie wir. Und wir machen die Gesellschaft aus. Insofern könnte man sagen: Wir zwingen uns selber zur Digitalisierung!

Lehrer sind keine Inseln

Diese Erkenntnis ist erstmal so formuliert, dass sie negativ wirkt: Wir selber zwingen uns zu etwas – zwingen – das Wort vermittelt nicht gerade Spaß und Abenteuer. Im Gegenteil: Wir müssen etwas tun, wir werden von etwas genötigt, wir müssen unliebsame Arbeiten erledigen. Das ist eher im Wort Zwang enthalten. Das greift aber etwas zu kurz, denn die Digitalisierung bereitet uns auch jede Menge Vergnügen. Wir können Urlaubsbilder mit den Verwandten teilen ohne diese lästigen Dia-Abende zu machen, wir können Filme abrufen ohne zur Videothek gehen zu müssen, wir lesen auf dem iPad Bücher – was Josef Kraus irgendwie nicht mitbekommen hat: Medien sind in erster Linie halt Träger von Informationen – wir spielen in der Pause eine Runde Blossom Blast. Bisweilen fühlen wir uns auch von der Digitalisierung überfordert und bei manchen Produkten fragen wir uns auch: Warum soll das auf einmal digital werden? Und dann dürfen wir auch eine gerechtfertigte Kritik an Überwachung, Datenraub, Hackertum und den Auswüchsen tätigen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Nur: Digitalien wird nicht von Einsen und Nullen bewohnt. (Manchmal möchte ich das mit den Nullen nicht so ganz glauben, aber gut…) Digitalien und dieses #Neuland wird von uns Menschen bewohnt. Und daher ist die Digitalisierung etwas, was wir selbst gestalten. Mit allen Vor- und Nachteilen. Wenn also Josef Kraus eine „Zwangsdigitalisierung“ in den Raum stellt, dann müssen wir sagen: Ja, wir alle nutzen die moderne Technik zum Guten oder zum Schlechten und weil das so ist, darf sich der Lehrerverband nicht außerhalb der eigenen Gesellschaft dieses Landes stellen. Und vor allem darf sich der Lehrerverband nicht anmaßen über die Zukunft der Schüler zu entscheiden.

 

Später einmal werden Schüler in ihrem Job mit der Digitalisierung klarkommen müssen. Dazu gehört nicht nur die Gerätebedienung, dazu gehört auch das Verständnis von Prozessen – daher ist Programmieren zumindest ansatzweise als Schulfach gedacht nicht unbedingt schlecht, aber auch keine Allheillösung. Dazu gehört der Umgang mit diesem Digitalen. Die Frage, ob der Chef als Facebook-Kontakt hinzugefügt werden muss klingt zwar banal – aber das ist die Frage ja nicht. Wie man im Netz respektvoll miteinander umgeht lernen Schüler mit Sicherheit auch später im Leben vielleicht. Besser ist es aber, wenn die Schule schon hier Grundlagen legen kann um die Medienkompetenz zumindest in ihren Grundfundamenten den Schülern beizubringen. Kürzlich großes Thema bei der ARD: Cybergrooming. Das hat die Schule noch gar nicht als Aufgabe realisiert, obwohl das eigentlich längst Alltag ist bei Schülern. Schülerinnen zumeist. Wenn der Lehrerverband sich dezidiert auf eine Haltung zurückzieht, die besagt, dass das Wissen aus Büchern „beständig“ ist, dann können wir alle ja die Atlanten von 1938 hervorkramen, die Geschichtsbücher von 1987 und das Elektrische Kochen von 1968. Wissen ist eben nicht beständig und wie die 10 Gebote für alle Zeiten in Stein gemeißelt – wobei Moses ja auch die erste Edition vor Wut wegen des Goldenen Kalbes zerdepperte und Gott dann nochmal eine neue Version mitgab. Wissen ist flüssig. Und dieses flüssige Wissen scheint den Herren und Damen, die derzeit noch im Lehrerverband sitzen unheimlich und nicht zu zähmen zu sein. Dass alles das Angst macht, dieses ungewisse und flüssige, dass man nicht mehr Wissen hat, das unveränderlich ist – man fragt sich, wie der Lehrerverband dann Forschung als Gebiet einstuft, diese dürfte es gar nicht geben, weil das Wissen sich besonders in einigen Bereichen der Physik und Chemie ja dauernd ändert – kurz: Ja, das alles macht Angst. Und dann kann man leicht auf eine „Zwangsdigitalisierung“ kommen. Und gegen diese sein. Aber: Wer als Lehrer heutzutage sich gegen die Neuentwicklungen im Digitalen stemmt, den sollten die Eltern gehörig den Marsch blasen. Denn solche Lehrer verstellen Chancen, Perspektiven und vor allem stellen sie sich selbstherrlich der Zukunft der Schüler in den Weg, weil sie bestimmten möchten was einzig und allein wahr und richtig ist. Und das ist im Zeitalter der Aufklärung – in dem wir uns meines Wissens nach noch befinden oder immer wieder befinden – einfach ein Unding.

Der selbstständige Journalist und Social Media Redakteur Christian Spließ begleitet Unternehmen und Organisationen bei der erfolgreichen Umsetzung von Social Media Kampagnen. Christian Spließ ist einer der Social Influencer in NRW - vor allem über Twitter und Facebook.

www.homo-narraticus.de

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