Dr. phil. Frank Ragutt: Angst macht schüchtern und steif; Neugierde schützt vorm Ertrinken

Gastbeitrag von Dr. phil. Frank Ragutt, Lünen an der Lippe: Das Gespenst der Digitalen Transformation drückt: Das muss Unternehmen nicht bedrücken. Gewiss, unbekannte Ufer sind angstbesetzt und Angst macht schüchtern. Mit zunehmender Angst wächst die Gefahr im Unternehmen, im Wandel zu ertrinken. Trotz aller Ungewissheit ist der beste Rat: Neugierig und mutig bleiben. So wird man das Kind schon schaukeln.

Es ist eine Basiserzählung der populärer Wirtschaftsgeschichte: Die Kutschbauer hatten die Automobilisierung der Gesellschaft nicht für sich erkannt. Kein marktführender Kutschbauer überlebte in den USA die Wende zum Auto. Die motorisierte Mobilität mischte alle Karten neu. Die Gegenwart kennt diese Ereignisse auch: Man nennt das zum Beispiel den Nokia-Effekt.

Gegenwärtig ist mancher Marktführer vorsichtig. Autobauer unternehmen alles, damit ihre Erfolgsgeschichte nicht zur Verfallsgeschichte wird. Die Abkehr vom Verbrennermotor und vom selbstständigen Fahren begleiten sie nunmehr aktiv. Aber zwischen den traditionsreichen Autobauern und den digitalen Newcomern wie etwa Google geben sich dennoch Unterschiede zu erkennen. Das Lenkrad zum Beispiel. Auch für den Prototyp des autonomen Fahrens halten die alten im Vergleich zu den neuen Autobauern eisern am Lenkrad fest. Wird diese Pfadabhängigkeit im autodigitalen Fahren nötig sein?

Wir wissen nicht genau, was kommen und was bleiben wird. Nur weil etwas Neues kommt, muss man alte Gewohnheiten und altes Wissen nicht gleich über Bord werfen. Die Tastatur der Schreibmaschine ist so ein Fall: Im Computerzeitalter tippen heute noch Millionen auf der Buchstabenanordnung des mechanischen Zeitalters herum, und niemand nimmt Anstoß daran, obwohl es heute nicht mehr nötig ist und es effektivere, weniger fehleranfälligere Anordnungen der Buchstaben geben könnte. Aber ein enormes Umlernprogramm ist kaum zu realisieren. Ebenso das alte Wissen: Hier kann gerade auch ein bewusstes, altes Wissen für die Entwicklung ins Neue von Vorteil sein: Alt ist nicht unbedingt schlecht, weil es alt ist.

Jedes Unternehmen hat im Wandel genau zu prüfen, was es kann und welche Zöpfe es abschneidet und welche nicht. Im Sog des Wandels heißt es Klarsicht zu bewahren für das, was einerseits notwendig für das weitere Wirtschaften, und für das, was andererseits aus eigener Kraft und eigenem Können unmöglich ist. Vom Ersten zu wenig und vom Zweiten zu viel wird der Untergang im Strudel des Wandels sein, soviel ist aber sicher.

Eine schwierige Gratwanderung. Was ist notwendig? Was ist denn unmöglich? Oder ist das Unmögliche doch nicht unmöglich, sondern notwendig? Nichts ist schlimmer im Management, als diese Ungewissheit aushalten und ausbalancieren zu müssen. Wann und wie ist die richtige Entscheidung getroffen? Größe und Schwere dieser Fragen können beängstigen und einschüchtern. Im schlimmsten Fall kommt man auf Buridans Esel und verhungert, weil man sich für nichts mehr entscheiden kann.

Nichts bremst im Leben mehr als Angst und Einschüchterung. Angst macht schüchtern. Wer schüchtern ist, versteckt sich. Wer sich versteckt, wird nicht gesehen und sieht auch nichts. Und dann? Flucht in eine schutzbringende Höhle. Zum Beispiel in die Höhle dessen, was immer schon gemacht wurde. Dieser vermeintliche Schutz ist eine Chimäre. Denn auch die vertraute Höhle bleibt vom Draußen abhängig, das sich verändert und an der Höhle vorbeizieht. Die ursprünglich zum Schutz aufgesuchte Angsthöhle wird zur Falle, zur zweiten Angsthölle.

Eine verschüchterte Unternehmensführung baut stressgestaute Energie auf. Auch hierbei kennt man einen Energieerhaltungssatz, einen psychischen eben. Druck und Stress gehen oft negativ in die Personalführung über. Das Klima im Betrieb wird sehenden Auges schlechter. Die Kompensation schlägt in eine Dekompensation um, wenn die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Firma verlassen. Die gesuchte Ausgleichsfunktion fällt dann weg, muss sich neue Objekte der Stressentladung suchen. Diejenigen, die noch bleiben, haben es umso schwerer. Auch das Private gerät in Gefahr, zum Objekt der Stressentladung zu werden. Das vollständige, unternehmerische Ende, ja auch das mancher Akteure ist dann nicht mehr weit entfernt.

In Zeiten starken Wandels ist guter Rat teuer. Der erste und wohl wichtigste Rat bleibt: Seien Sie trotz alledem neugierig und mutig genug, mit ihrem Team auch unbekannte Weg zu begehen. Ohne mutige Neugierde wird es keine Innovation und Entwicklung geben. Die Entwicklung der Menschheit ist eine Geschichte der Neugierde. Teamvertrauen und Kreativitätsfreisetzung sind wichtig. Gewiss, der Weg kann ein Umweg sein. Im Später erkennt man direktere Wege, die man hätte gehen können. Im Nachhinein ist man oft schlauer, aber das Ziel ist dennoch erreicht. Und nur darauf kommt es an. Neugierde kostet also mitunter erst einmal auch nur Zeit und Geld und strapaziert die Geduld. Aber nur diese Investition hilft, nicht tatenlos und angsterfüllt im Strom der Zeit zu ertrinken.

Über Dr. Frank Ragutt

Praxisnahes Ausbildungscoaching und systemisches Bildungsmanagement bilden den Fokus der Beratertätigkeit von Dr. Frank Ragutt. Als Experte für pädagogisch-psychologische Kommunikation und Führung berät und begleitet er Unternehmen beim strategischen Wissensaufbau, Wissenstransfer und ihrer Wissensproduktion.
Webseite: www.abakomm.de
Email: [email protected]
Telefon: 0231 – 98 60 512.

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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