Prof. Ralf Beck: Wird der digitale Wandel endlich auch den Finanzsektor erfassen?

Ja. Wir nehmen selten wahr, wenn wir uns inmitten revolutionärer Entwicklungen befinden, wenn sich die Rahmenbedingungen grundlegend wandeln. Die Welt scheint sich nur ganz langsam zu verändern, nach und nach, bis wir später merken, wenn wir zurückblicken, welchen enormen Ausschlag der Wandel hatte, der sich in einer überschaubaren Zeitspanne ereignete und unser Leben nachhaltig beeinflusst.

Prof. Dr. Ralf Beck - CrowdinvestingEs ist gegenwärtig der Finanzsektor, der inmitten eines enormen Umbruchs steht. Mit großer Zeitverzögerung wirkt das Internet nun (endlich) auch auf diesen Bereich ein. Ständig kommen inzwischen frische Finanzdienstleistungs-Anbieter auf, die oft auch als Fintech-Unternehmen bezeichnet werden. Weit über 200 davon gibt es hierzulande inzwischen. Sie punkten mit einer klaren und einfachen Darstellung ihrer Produkte, mit leichtem und barrierefreiem Zugang, mit Offenheit und Transparenz, mit schneller und effizienter Abwicklung, mit neuen kundenorientierten Leistungen und günstigen Preisen. Ganz anders, als wir es von Banken kennen. Insbesondere: Keine überhöhten und verdeckten Gebühren, keine umständlichen und teils unnötig verzögerten Abläufe.

Bis vor kurzem hofften Banken noch, dieser Spuk würde alsbald wieder verschwinden. Nein, er bleibt, verstärkt sich immer mehr und droht an Schnelligkeit und Dynamik exponentiell zuzulegen. Erste Durchbrüche der vor kurzem noch belächelten Fintech-Unternehmen sind zu sehen. Ein Beispiel dafür ist die US-amerikanische Crowdfunding-Plattform Kickstarter, die inzwischen fast 1,9 Milliarden US-Dollar an Kapital für Projekte vermitteln konnte. Das deutsche Pendant zu Kickstarter ist die wesentlich kleinere Plattform Startnext.

Irgendwie liegen wir an dieser Stelle noch ganz weit zurück, warum auch immer. Noch ein Beispiel: Lending Club ist eine ebenfalls aus den USA stammende Crowdlending-Plattform, bei der es um die Vergaben von Krediten von Privat an Privat geht, ohne Banken. Lending Club konnte inzwischen mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar an Privatkrediten vermitteln. In Deutschland ist auxmoney die größte Crowdlending-Plattform. Aber auch hier ist der Größenunterschied zu dem, was aus den Staaten kommt noch enorm, wenngleich nicht ganz so drastisch, wie beim Crowdfunding.

Allein im Crowdinvesting, wo Geld für Startup-Unternehmen aus der Breite der Bevölkerung eingesammelt wird, können wir in Deutschland international recht gut mithalten. Die hiesigen Marktführer heißen Companisto und Seedmatch. Ich selbst werde bald eine neue Crowdinvesting-Plattform mit Sitz in Dortmund an den Start bringen, die auf den Namen Geldwerk1 hört und die logische (Spät-)Folge meines inzwischen in 3. Auflage erschienenen Buches „Crowdinvesting – Die Investition der Vielen“ ist. Es existieren aber noch zahlreiche andere Bereiche des Finanzwesens, die sich wandeln. Sei es im Bereich der Überweisung und des Umtausches von Fremdwährungen, im Zahlungsverkehr, im Finanzmanagement usw.

Für uns ergeben sich daraus vielfältige neue Möglichkeiten. Und keine Frage: Wir werden sie nutzen. Nicht alle natürlich, denn nicht alles ist automatisch gut, was neu ist. Wir werden informiert oder uns informieren, wir werden ausprobieren und testen. Wer sind diese Fintech-Unternehmen? Welche sind gut, welche schlecht? Wo müssen wir hin, wo nicht? Einen Blick in diese neue Finanzwelt gibt mein am 11.9.2015 herauskommendes Buch „Wer braucht noch Banken? Wie Start-Ups die Finanzwelt verändern und was und das nutzt“.

Es besteht kein Zweifel: Es wird bunt in der Finanzwelt, denn das Internet bietet nicht nur ganz neue Möglichkeiten, sich zu informieren sondern auch sich zu formieren. Wir, die Bevölkerung, können immer leichter selbst Projekte in Gang bringen, ohne darauf warten zu müssen, dass Großkapitalgeber entscheiden und finanzieren oder sich Staatsbürokraten überlegen, wohin Geld fließen soll. Wie wird die veränderte Zukunft aussehen?

Das weitaus meiste wird über Internet-Plattformen organisiert, die so oder ähnlich strukturiert sind wie die soeben erwähnten. Ja, die Finanzwelt wird sich stärker demokratisieren: Finanzbezogene Herrschaftsstrukturen werden (endlich) schwächer. Wir alle werden an Einfluss gewinnen. Haben wir auf so etwas nicht schon lange gewartet und gehofft? Nur: Wir müssen uns nun auch selbst darum kümmern, dass die Alternativen richtig in Gang kommen, uns in unvertrautes Terrain begeben. Lieber doch bei den Banken bleiben, in die wir immer noch ein Urvertrauen haben?

Die Crowdinvesting Plattform Geldwerk1 unterstützt Gründerteams beim StartUp-Kickern

Crowdinvesting made in Dortmund: www.Geldwerk1.de

Mein Vorschlag: Sich über Alternativen informieren und sie (vorsichtig) ausprobieren. Seit mehr als zwei Jahren teste ich selbst recht intensiv das Crowdinvesting und das Crowdlending. Letzteres läuft gut und zu erstgenanntem lässt sich noch nicht sagen, wie erfolgreich die Sache verlaufen wird, weil erst am Ende der Laufzeit der jeweiligen Investments abgerechnet wird und erst dann über Erfolg und Misserfolg geurteilt werden kann. Immerhin lässt sich schon sehen, dass die Ausfallquote der Projekte mit derzeit ca. 10% weit unter dem liegt, was viele prognostiziert hatten.

Aber Vorsicht: Viele der Projekte sind noch recht frisch, verfügen noch über genug Geld und es wird sich erst später herausstellen, ob sie langfristig überlebensfähig sind. Wahrscheinlich wird die Ausfallquote noch steigen und dann bleibt zu hoffen, dass die guten Projekte die Verluste überkompensieren und es in Summe zu erklecklichen Renditen kommt. Es kann ja durchaus sein, dass man auf ein richtig durchstartendes Projekt trifft und an dessen Erfolg teilhat. Da sich das Crowdinvesting teils schon mit geringen Beträgen machen lässt, bei Geldwerk1 wird der Mindestinvestitionsbetrag für die Anleger bei 20 Euro liegen, ist das Ausprobieren und Mitbestimmen hier kein Problem. Erste Projekte wird Geldwerk1 wahrscheinlich im Oktober 2015 auf der eigenen Plattform präsentieren.

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