Segen und Fluch: Facebook Gewinnspiele und die „Hausfrauen-Mafia“

Im Internet wird es immer schwieriger, Gewinnspiele anzubieten. Vor Allem bei attrativen Preisen wie Reisen und Unterhaltungselektronik strömen organisierte Communities zu den Social Media und Website-Gewinnspielen und übernehmen das Ganze. Das, was sich Marken und Unternehmen von Gewinnspielen ursprünglich versprachen: „Fans und potentielle Kunden gewinnen“ scheint kaum noch möglich. Vielleicht sollte man diese Community mal mit ganz anderen Augen betrachten? Mit den „Influencer-Augen“ des Multimedia-Managers?

retro-1291745_640Heute hatte ich das Vergnügen, einer Referentin zu lauschen, die seit vielen Jahren selbst Mitglied der „Hausfrauen-Mafia“ ist. Sie ist Mutter von vier Kindern und lebt ihr Hobby, weil sie einfach Spaß daran hat. Klicken, Liken, Kommentieren, Teilen – sich austauschen und Tipps geben, Dinge ausprobieren, testen und bewerten sind ihr ein Vergnügen. Videos drehen, Fotos machen, kreativen Content produzieren sind so schön wie für andere Leute die Modelleisenbahn oder Kreuzworträtsel. Und natürlich freut sie sich dann, wenn der Postbote klingelt und ein Paket bringt. Der Gewinn ist zwar nicht die hauptschachliche Motivation, aber ein „angenehmer Nebeneffekt“ bei diesem Hobby, in das sie etwa ein bis anderthalb Stunden täglich investiert – bequem über den Tag verteilt.

Sie schätzt, dass sie jährlich Preise im Wert von rund 7.000 bis 10.000 Euro gewinnt. Früher machte sie aus Spaß und Neugierde überall mit – heute nur noch bei Gewinnspielen mit hochwertigen oder bewonders interessanten Preisen. Viel gelernt hat sie durch ihr Hobby – mit einem ihrer ersten selbstgedrehten Familien-Videos konnte sie vor vier Jahren sogar einen Preis im Wert von 5.000 Euro ihr Eigen nennen – plus einem Geschirrspüler. Das ist schon eine feine Belohnung.

Hauptsächlich steht jedoch die Community im Fokus. Sie schätzt die Zahl der aktiven, organisiersten Gewinnspieler auf rund 2.000 in Deutschland. In der Community organsiert sind Leute, die sich untereinander verstehen und schätzen. Nicht überall in den Foren und Facebook-Gruppen kann jeder Neue hinzukommen. Da wird schon geprüft und sortiert. Und wenn sich jemand durch einen unangenehmen Charakter hervortut, wird er entfernt. Man pflegt einen respektvollen, sozialen Umgang miteinander. Denn die Community lebt von der gegenseitigen Unterstützung, den Tipps und der Diskussion.

Es gibt natürlich viele Hausfrauen, wie der Name schon sagt. Doch sogar ein paar (wenige) Männer machen mit. Diese sind häufig Solopreneure, die Gewinnspiel-Plattformen betreiben oder auf andere Weise Geld verdienen mit Gewinnspielen, Produkttests und Gutschein-Kampagnen. Bei den Mitgliedern sind gesellschaftlich Engagierte, Studentinnen, Renter/Innen, Krebskranke, Depressive, Junge und Alte, Laute und Leise, ans Haus Gefesselte – insgesamt eine sehr heterogene Mischung. Was alle verbindet, ist das gemeinsame Interesse: „Wie lieben das Spielkind in uns“.

Die Referentin warnte uns Anbieter sehr vor Voting-Spielen, weil diese komplett verseucht sind von professionellen Like-Käufern aus Brasislien und anderen Ländern. Da bekommt man als Unternehmen schnell einen Shitstorm, weil die wenigen ehrlichen Spieler im Grunde genommen überhaupt keine Chance haben gegen diese Like-Käufer. Voting-Spiele sind im Consumer-Bereich so gut wie tot.

Die „Hausfrauen-Mafia“ arbeitet mit einigen internationalen Konzernen sehr gut zusammen, weil diese gemerkt haben, welche Chance die Profi-Consumer bieten. Man kann gemeinsam mit diesen Laien-Experten Consumer-Journeys diskutieren, gute Gewinnspiele konzipieren – und man kann sie für Prokttests begeistern, wenn der Dialog auf Augenhöhe geführt wird. Die Community-Mitglieder fühlen sich verantwortlich für ihr Hobby und sind ehrliche, kritische Testpersonen. Gefällt ihnen ein Produkt, wird es gern weiter empfohlen, geteilt, bewertet, kommentiert. Die Community der Profi-Gewinnspieler ist mächtiger als viele Influencer – und sie ist vom Geld her betrachtet viel günstiger als so ein YouTube- oder Instagram-Star! Hier handelt man aus Leidenschaft, nicht des schnöden Mammons willen.

Fair und respektvoll muss es zugehen, dann ist Vieles denkbar. Sobald die Community das Gefühl hat, ausgenutzt zu werden oder nicht respektiert, ist natürlich Feierabend. Ehrlichkeit ist oberstes Gebot – und Arroganz kein guter Lehrmeister. Doch auch gerade das kann für Mulitmedia-Manager eine wichtige Lehre sein – schließlich wollen wir ja alle unsere Kunden verstehen und ihnen mit unseren Problemlösungen dienen! Wie nett, wenn sie uns dabei helfen!

Also nicht mehr ärgern über die „Hausfrauen-Mafia“ – sondern mal vorsichtig anfragen und sich zurechtfinden im Dschungel der Produkttester und Gewinnspieler. Neugierig sein und aufgeschlossen, vorurteilsfrei und zugewandt. Das könnte für so machnes StartUp und für so manchen Mittelständler eine echte Bereicherung sein – wenn die „Hausfrauen-Mafia“ sich gnädig zuwendet und aus Sympathie unterstützt.

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert