Transmediales Erzählen – ein gescheitertes Format?

Das Prinzip des Transmedialen Erzählens zu erläutern ist gar nicht so einfach, aber eigentlich kennen wir das Prinzip schon länger. Ich versuche mal eine Definition – Transmediales Erzählen: Eine einzelne Geschichte wird über unterschiedliche Kanäle erzählt. Das kann sein, dass mit Blogs gearbeitet wird, die die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählen, das kann sein, dass zusätzliche vertiefende Inhalte bereitgestellt werden.

Es kann sogar sein dass man ein Alternative Reality Game strickt bei der man mit verschiedenen Aufgaben neue Ebenen der Geschichte erfahren kann. So aufregend auch das Format an sich ist: Im Buchhandel scheint man neuerdings wieder davon abzugehen. Transmedia Storytelling scheint bei den Verlagen gescheitert.

Als das erste Mal das Wort vom Transmedia Storytelling aufkam haben die Verlage sich in Pose gestellt und gemeint, sie würden das doch schon seit Jahr und Tag machen. Besonders die SF-Verlage waren schnell zur Hand und meinten, mit den ganzen Universen die es da so gibt sei das Transmediale Erzählen doch schon längst Realität bei ihnen. Stimmts? Nicht ganz wie man dann feststellt wenn man sich das genauer anschaut. Wenn ich den aktuellen Doctor Who Roman „The Blood Cell“ lese – um mal ein Beispiel zu nennen, das häufiger kommt – dann spielt der zwar im Storyverse von Doctor Who und erzählt auch eine Geschichte. Diese Geschichte aber ist nur eine Erweiterung. Und findet nur zwischen zwei Buchdeckeln statt. Ich kann diese Geschichte dank eines Blogs, eines Videos oder eines Reality Games nicht noch mal erleben und neue Facetten entdecken. Allenfalls finden sich vielleicht in einer anderen separaten Geschichte mal Anspielungen auf das Abenteuer – in der ersten neuen Staffel vom Doctor ist das ja auch der Fall, wenn in der Fernsehserie auf ein Abenteuer angespielt wird, das in Buchform stattfand. Selbst das aber ist nicht transmedial. Eher in die Richtung ging – um bei Doctor Who zu bleiben – das Verwirrspiel, das die BBC mit etlichen Webseiten zur ersten neuen Staffel startete und in denen es dann tatsächlich neue Fakten zu entdecken gab. Und bei Sherlock hat die BBC das dann wieder meisterlich wiederholt: Blogs und Kommentare, Aufgabe und Spiele vertieften hier die erste Staffel und ließen uns als Zuschauer noch mal gewisse Aspekte der Serie aus neuem Blickwinkel sehen. Was Hollywood und die Verlage allerdings eher machen ist das crossemdiale Erzählen – hier fehlt einfach die Verbindung der EINEN Geschichte.

Es gab und gibt immer mal wieder Ansätze dazu, dieses transmediale Erzählen zu verankern. Buchverlage initiieren dazu gerne Rätselspielchen, in dem sie Gegenstände an Leute schicken – in der Hoffnung die Empfänger würden sich im Web dann von selbst auf die Suche begeben und die Rätselspielchen mitmachen. Das klappt mal mehr, mal weniger. Nachhaltigen Erfolg dadurch scheint die Branche aber irgendwie nicht zu haben – denn aufregende Aktionen bleiben momentan eher aus. Das ist auch verständlich, denn es ist ein gewaltiger Aufwand um eine Geschichte wirklich transmedial erzählen zu können: Vom Redaktionsplan angefangen – wann wird was wie veröffentlicht? – über die Entwicklung einer Handlung, die dann so gestaltet sein muss dass sie auch in allen Medien mehr oder weniger funktioniert – bis hin zum Design der Webseiten. Das alles braucht Experten, vor allem braucht es Experten die sich mit transmedialem Erzählen auskennen. Und diese sind offenbar in Verlagen nicht unbedingt vorhanden oder – was einleuchtender wäre – man scheut in den Verlagen einfach den Aufwand. Ein Rätselspielchen zu inszenieren ist zwar auch aufwändig, aber wenn es nur die Vorgeschichte für das Buch ist oder wenn es einfach nur ein Widerhall von Ereignissen ist, die schon da sind, dann ist das halt besser zu inszenieren und organisieren als wenn man über Wochen lang mit einem Command Center punktgenau Beiträge veröffentlichen muss und – was dann die Königsdisziplin ist – die Leute die ganze Zeit bei der Stange halten muss. Das ist mit einem Spiel, das diverse Level hat sicherlich einfacher zu gestalten. Wobei: Wie war das noch mit dem Plot einer Geschichte eigentlich…

So bleibt das transmediale Storytelling also offenbar nur wenigen Experten vorbehalten. Das ist zwar schade, aber dafür haben die Macher dann einen Vorteil: Sie können ein intensives Erlebnis schaffen, von dem die Nutzer anderen Nutzen noch jahrelang erzählen. So wie damals bei Nine Inch Mails und Year Zero. Kennt man nicht? Einfach mal googlen und überrascht sein wie ausgefeilt das damals war…

Der selbstständige Journalist und Social Media Redakteur Christian Spließ begleitet Unternehmen und Organisationen bei der erfolgreichen Umsetzung von Social Media Kampagnen. Christian Spließ ist einer der Social Influencer in NRW - vor allem über Twitter und Facebook.

www.homo-narraticus.de

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