Von Klicks und Online-Petitionen: Jugendliche sind wieder politisch interessierter

Viele Menschen rümpfen über Online-Petitionen die Nase: Kann man es politisches Engagement nennen, wenn man mit einem einfachen Klick seine Stimme abgibt für oder gegen ein Thema, das vor Allem emotional bewegt? Ohne sich zuvor über die Hintergründe und Fakten zu informieren? Ohne zu hinterfragen, welche Bilder und Tonalitäten uns in eine bestimmte Richtung lenken? Die letzte Shell-Jugendstudie zeigt, dass das politische Interesse bei Jugendlichen von 30 Prozent im Jahr 2002 auf 41 Prozent im Jahr 2015 gestiegen ist. Vor Allem werden bestimmte Waren und Marken boykottiert und Online-Petitionen unterzeichnet.

Ich wurde von einem unserer Netzwerk-Mitglieder gebeten, mich in den SteadyNews einmal mit dem Thema „Online- Petitionen_PodiumsdiskussionPetitionen“ auseinanderzusetzen. Heute früh habe ich viel gelesen und recherchiert, habe die offiziellen Online-Petitionen von Bundestag und Landtagen auf Erfolge hin untersucht – und die inoffiziellen Petitions-Plattformen, die eher als PR anzusehen sind, da sie ihre Öffentlichkeitsarbeit durch die Zustimmung möglichst vieler Unterstützer stärken. Schafft es eine Petition, Aufmerksamkeit in den Medien zu erlangen, hat sie womöglich auch Einfluss auf Politik und andere wichtige Influencer. Sie ist also ein Weg, über Masse Gewicht zu erlangen.

Inoffizielle Online-Petitions-Plattformen

Die größten nicht-offiziellen Petitions-Plattformen sind Avaaz, Campact, Change.org und openPetition. Über E-Mails und soziale Netzwerke werden die zahlreichen Petitionen an Interessierte weitergeleitet und verbreitet. Es gibt täglich hunderte von neuen Petitionen, darunter sind natürlich auch viele, die sich auf regionale Sachverhalte beziehen – oder aus anderen Gründen sehr spezifisch sind. Selbstverständlich spielen emotional aufwühlende Kampagnen eine besonders virale Rolle: Der Mensch ist nun mal das einzige Lebewesen, dass andere Lebewesen zum Objekt seiner Bewertungen macht – und wenn dieses Bewertungsprogramm durch Empörung und/ oder Rührung gepuscht wird, wird das unglückliche innere Kind in uns aktiv und will handeln. „Erfolgreich ist vor Allem, was niedlich und flauschig ist – oder sich mit Empörung an unser Minderwertigkeitsgefühl richtet“

Inwieweit Online-Petitionen auch primär zur Adresssammmlung dienen, um potentielle Spender zu identifizieren und in Folge gezielt anzusprechen, sei mal dahingestellt…

Online-Petitionen beim Deutschen Bundestag

Untersucht man die Erfolge der offiziellen Online-Petitionen beim Deutschen Bundestag, klingt es vielleicht enttäuschend, dass es kaum eine öffentliche Online-Petition geschafft hat, ein Gesetz zu beeinflussen. Als Beispiel dient eine Petition mit der erfolgreichen Aufforderung, den so genannten „Kuhfänger“ als zusätzliche Stoßstange gesetzlich zu verbieten. Doch auch andere Petitionen zeigten Wirkung. Am bekanntesten ist wohl die „Zensursula-Kampagne“ von 2011, bei der sich die Petitions-Unterzeichner erfolgreich dagegen wehrten, dass es dem BKA ermöglicht wird, bestimmte Webseiten sperren zu lassen.

Von den rund 18.000 jährlich eingereichten Petitionen waren zwischen 2008 (Start der Online-Petitionen beim Deutschen Bundestag) und 2013 insgesamt 3.450 Online-Petitionen öffentlich. Diese kann man innerhalb von vier Wochen unterzeichnen. Dabei müssen Name, Adresse und eine E-Mail-Adresse für die Registrierung angegeben werden. Während dieser vier Wochen kann auf der Plattform über das Thema diskutiert werden.
Interview mit dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages 2013 – gullinews

Was sagt die Politik?

Die Politik versucht verständlicherweise, den Einfluss von inoffiziellen Online-Petitionen herunterzuspielen und zu betonen, dass sich Politiker aus verschiedenen Gründen nicht durch private Plattformen beeinflussen lassen. Vor Allem wird abgelehnt, wenn keine vernünftige umfassende Lobby-Arbeit passiert und die Online-Petition für sich allein steht. Der Wunsch ist da, dass sich Bürger in den etablierten Parteien oder etablierten Organisationen engagieren sollen und den direkten Kontakt mit den offiziellen Beauftragten suchen. Bei Online-Petitionen weiß man schließlich auch nicht, wer hinter den Unterzeichnern steckt und wie viele Fake-Unterzeichnungen es gibt.

Shell-Jugendstudie 2015

Die Shell-Jugendstudie 2015 zeigt, dass sich junge  Menschen zwischen 12 und 25 Jahren zwar zu 41 Prozent für politische Themen interessieren – und auch die meisten von den Interessierten schon Online-Petitionen unterzeichnet haben – doch das Interesse an Parteien nimmt ständig ab. Politik definiert sich zunehmend an Themen und punktuellen Aktivitäten, die „Lager“ zwischen den politischen Parteien sind für junge Menschen nicht mehr richtig nachvollziehbar und stoßen eher auf Ablehnung. Das mag damit zusammenhängen, dass die Jugend immer toleranter wird und den Wunsch nach einer bunten Welt mit vielen unterschiedlichen Kulturen hat.
Shell Jugendstudie 2015

Fazit

Ich persönlich finde Online-Petitionen gut, um Meinungsbilder zu erhalten und Trends und Stimmungsbilder in der Bevölkerung zu verfolgen. Dabei weiß ich, dass es sich nicht um repräsentative Meinungsumfragen handelt, sondern um Umfrageergebnisse von Menschen, die sich für gewisse Themen interessieren bzw. engagieren. Was mir aber besonders gut gefällt ist, dass durch die spam-artige Verbreitung von politischen, ökologischen und sozialen Fragen das Bewusstsein für Politik wächst  und die Aufmerksamkeit steigt. Zwar finde ich aus meiner persönlichen Bewertungsskala heraus es schmerzhaft, wenn sich eine Masse auf einzelne Personen stürzt, um diese per Petition „fertig zu machen“, aber das scheint nun mal ein menschlicher Zug zu sein. „Hängt ihn höher“ stirbt noch lange nicht aus, damit muss ich wohl leben.

Gefährdet die inflationäre Anzahl von Online-Petitionen den Erfolg derselben? Wie baut man persönliche Beziehungen zu Webusern auf, damit diese Petitionen unterzeichnen? Und wie beeinflussen nichtoffizielle Online-Petitionen die Politik? Podiumsdiskussion auf der re:publica 2013 mit Marco Vollmar, Judith Orland, Kathrin Voss, Felix Kolb, Markus Winkler und Annett Meiritz.

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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One thought on “Von Klicks und Online-Petitionen: Jugendliche sind wieder politisch interessierter

  • Reply Newsletter der SteadyNews vom 19. April 2016 - Steadynews | 26. April 2016 at 09:05

    […] – und bei Bedarf hören (oder gucken). Podcasts werden also von Podcastern… Von Klicks und Online-Petitionen: Jugendliche sind wieder politisch interessierter Viele Menschen rümpfen über Online-Petitionen die Nase: Kann man es politisches Engagement […]

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