Wikipedia: Sind die Autoren der Online-Enzyklopädie weltweit ein Club „weißer, alter Männer“?

Am 15. Januar 2001 gründete sich das gemeinnützige Projekt Wikipedia – eine freie, kostenlose und zur Weiterverbreitung gedachte Online-Enzyklopädie, die lexikalisches Wissen jedem Menschen auf der Welt zugänglich macht. Heute ist Wikipedia weltweit die fünfthäufigst besuchte Website. Mehr als 37 Millionen Artikel wurden in 300 Sprachen veröffentlicht von der ehrenamtlich tätigen Community (namens Wikimedia) der Autoren und Administratoren.

Doch gerade bei der Community der Wikimedia-Ehrenamtler liegen Fluch und Segen der digitalen Enzyklopädie: Im Laufe der fast zwanzig Jahre hat sich die Zahl der Freiwilligen enorm reduziert – übrig bleiben vor Allem Autoren mit „dickem Fell“, die kein Problem damit haben, rüde zu kritisieren und zu löschen.

Nur zehn Prozent der Autoren sind weiblich?

So ist es kein Wunder, dass kaum mehr als zehn Prozent der Autoren und Admins weiblich sind. Auf der einen Seite haben Männer häufig ein rauheres Kommunikationsverhalten als Frauen und können diese leicht abschrecken – auf der anderen Seite genießen Männer, die bei Wikipedia die Macht haben, Wissen und Bewertung zu beeinflussen, ihre Privilegien und lassen sich nicht gern dabei reinreden. Schließlich arbeiten alle Autoren und Administratoren ohne monetäre Gegenleistung! Wer sich da seit vielen Jahren vom „kleinen Autoren“ hochgearbeitet hat zum privilegierten Admin, ist sich durchaus seiner Wichtigkeit und Unersetzlichkeit bewusst.

Schadet die Macht der ehrenamtlichen Admins der Objektivität?

Im deutschsprachigen Raum gab es bei Wikipedia einen „Mitarbeiter“-Schwund von 13.000 zu besten Zeiten auf heute knapp 6.000. Unter den 2,3 Millionen Artikeln sind 3.500 als veraltet gekennzeichnet. Durch höhere Qualitätsstandards und verschärfte Regeln wird es immer schwieriger, als Autor einzusteigen. Häufig werden neu erstellte Artikel abgelehnt – oder es werden endlos lange Debatten über Formulierungen und fehlende Nachweise geführt – bis womöglich der unerfahrene Wikipedia-Autor aufgibt und sich nie wieder an einem Artikel zu einem nicht bearbeiteten Thema versucht.

Frappierend ist der Unterschied zwischen Artikeln zu männlichen Persönlichkeiten und weiblichen. Öffentliches Aufsehen erregte Anfang 2019 ein gelöschter Wikipedia-Eintrag, der die Liste deutscher, weiblicher Science-Fiction Autorinnen enthielt. Verfasst hatte den Eintrag ein Frau – der Löschantrag kam noch am selben Abend von einem Mann mit den Begründungen „überflüssig“ und „dubios“. Obwohl in der internen Diskussion der Wikpedianer/Innen der Artikel mehrheitlich für sinnvoll erachtet wurde, entschied ein (wohl männlicher) Admin, dass er gelöscht wird.

Weiße, gelangweilte Männer…

Man schätzt, dass nur rund zehn Prozent der Wikipedianer Frauen sind. Da es ein Pseudonymrecht für alle ehrenamtlich tätigen Aktiven gibt, gibt es keine genauen Zahlen – nur Umfragen innerhalb der Community. Nicht nur Frauen, auch People of Colour sind enorm unterrepäsentiert. Anscheinend schreiben weiße Männer aus Europa und Nordamerika rund 80 Prozent aller Einträge der Online-Enzyklopädie – weltweit…
SPIEGEL: 90% der Biografien in der Wikipedia sind Männern gewidmet

Ob sich hier etwas ändern wird? Ob das Recht auf Pseudonym eine Sackgasse sein könnte, da sich hinter den Pseudonymen die dubiosesten Interessen und Quellen verstecken können? Ob es im Bereich der Administratoren mit den weitreichenden Rechten in Bezug auf Löschen, Sperren, Streichen und Ändern von Artikeln und Autoren eventuell doch bezahlte Mitarbeiter geben sollte, die professionell den Überblick behalten und weniger emotional und subjektiv handeln?

Auf jeden Fall ist es ein Wunder, dass das Projekt Wikipedia nunmehr fast zwanzig Jahre lang so großartig funktioniert. Man sollte nicht alle schlecht reden – jede demokratisch und nicht-kommerziell basierte Bewegung ist ständig in Gefahr, in Schieflage zu geraten und von Interessensgruppen ausgenutzt zu werden. Mitmachen ist wohl die beste Möglichkeit, um die Wikipedia zu stärken. Und wenn mehr Frauen und „Coloured People“ sind hineinwagen in die rüde Männergesellschaft der Wikipedianer, wird das sicher auch die Kultur verändern – genau so, wie es bei anderen Männergesellschaften funktioniert hat – von der Polizei bis zum Militär…

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Wikipedia: Sind die Autoren der Online-Enzyklopädie weltweit ein Club „weißer, alter Männer“?

  • Reply Thomas Noll 1. Juni 2019 at 21:02

    Hallo Frau Ihnenfeldt,
    danke für Ihren Beitrag. Die Autoren von http://wikihausen.de haben die Fehlentwicklungen in der Wikipedia schon seit längerem im Auge. Es lohnt sich nicht nur mal die Website zu besuchen, sondern die Videos „Die dunkle Seite der Wikipedia“ und „Zensur“ anzuschauen.

    Grüße von Thomas Noll

    • Reply Eva Ihnenfeldt 3. Juni 2019 at 11:29

      Hallo lieber Herr Noll, ja das habe ich auch getan. Danke für die Ergänzung! Ich verlinke noch mal „Die dunkle Seite der Wikipedia von YouTube: zweistündige Dokumentation https://www.youtube.com/watch?v=wHfiCX_YdgA „Zensur“ schaue ich dann auch bald noch. Danke für den Tipp!

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