dm-Gründer Götz Werner spricht zu Existenzgründern in Münster

Götz Werner ist nach Schätzung des Manager-Magazins der 78-reichste Mann Deutschlands. 1973 gründete er seine erste Drogerie – sogar ohne Unterstützung durch Banken – und baute nach und nach ein Imperium auf. Heute gibt es weit über 2.000 Filialen in neun europäischen Ländern. Das Besondere am Unternehmenskonzept ist die Einbeziehung aller Beteiligten in die Führung: Filialen haben eine hohe Entscheidungsfreiheit und großzügige Selbstbestimmung – sogar die Filialleiter werden zum Teil von den Mitarbeitern ausgewählt. Prinzipien dieser Unternehmenskultur sind Persönlichkeitsentwicklung, Respekt und Vertrauen. Götz Werner sprach am 8. November 2010 in Münster vor 150 Existenzgründern über das Unternehmertum:

Organisiert hatte die Veranstaltung die Sparkasse Münsterland Ost in Kooperation mit der Volksbank Münster, der IHK, der HWK, der Arbeitsagentur, der Technologieförderung und der Wirtschaftsförderung.

Erstaunlich war schon allein der Auftritt des berühmten Entrepreneurs, der seit einigen Jahren auch Professor des Institus für Entrepreneurships der Uni Karlsruhe ist. Keine Power-Point-Präsentation, kein Manuskript sondern der Mut, einfach spontan auf das zu reagieren, was Götz Werner als Feedback von den 150 Zuhörern erhielt.

Im Folgenden Auszüge aus seiner einstündigen Rede:

Gründer sind Pioniere, da man sich als Gründer in ein Terrain begibt das andere für unmöglich halten. Wenn man gründet, passt es immer irgendjemandem nicht. Warum?

Der Mensch lebt in Zeit und Raum; Kronos symbolisiert die lineare Zeit: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. – Wer zu früh kommt, den auch.“ Kairos symbolisiert die Zeit als Spirale – also den rechten Zeitpunkt – den Moment, wo Zeit und Raum perfekt aufeinander treffen. Und den Kairos kann man nur treffen, wenn einem der Kronos bewusst ist. Zukunft braucht immer Herkunft. Je besser ich die Herkunft verstehe, desto besser kann ich mir die Zukunft vorstellen.

Unternehmen hat immer mit Entwicklung zu tun. Mit der Gründungstat greift man in eine Entwicklung ein. Man gestaltet in ein laufendes Geschehen hinein.

Der Unterschied von Unternehmen und Konzernen besteht darin, dass in großen Konzernen die Manager regieren. Der Unterschied:

  • Manager: „To do the things right“
  • Unternehmer: „To do the right things“

Weil ICH beim Gründen ins Rad der Geschichte eingreife, bekomme ich eine Idee von dem, was sein könnte. Es gibt den freien Aufstieg dabei ebenso wie den freien Fall – die Anderen schauen nur zu. Scheitert man, haben es alle schon immer gewusst. Hat man Erfolg, haben es einem die anderen schon immer zugetraut …. Was heißt es zu sagen und zu empfinden: „Einer ist besser als der Andere“. Darauf kommt es letzten Endes nichts an. Um erfolgreich zu werden, braucht man eine Grundsicherheit gegenüber Kunden, Partnern und Mitarbeitern.

Unternehmer sein heißt, immer für die anderen tätig zu sein.

Die 5 Faktoren eines erfolgreichen Unternehmens:

  • begeisterte Kunden
  • begeisterte Mitarbeiter
  • begeisterte Lieferanten
  • begeisterte Banker
  • begeisterte Vermieter

Hat man diese Faktoren beinander, kann man sogar den Laden in die Luft sprengen und hat immer noch Erfolg…

Wie lösen wir Begeisterung aus?

Fragen Sie sich: Wie ist es mir bisher im Leben gelungen, Begeisterung auszulösen? Wenn man das nicht beantworten kann, sollte man um Gottes Willen kein Unternehmer werden. „Haben Sie eine Powerpoint-Präsentation oder haben Sie etwas zu sagen?“

Warum ist Götz Werner aus Berlin hergekommen? Es ist die Hoffnung jungen Unternehmen etwas Inspirierendes mitzugeben. Die Zuschauer sind empfänglich für die Botschaft, denn sie wollen etwas verwirklichen.

Produktivität und Empfänglichkeit = das Schöpfungsgesetz

Das Grundprinzip für jedes Unternehmen sind genau diese beiden Dinge: Produktivität, Empfänglichkeit. Tief im Herzen muss man das leben – das Eine ohne das Andere kann nicht erfolgreich sein. Ein Konzept ist hinderlich, da es aus der Vergangenheit kommt.
Manager kommen aus der bewährten Erfahrung, berufen sich auf Zahlen und Fakten und wollen alles richtig machen.

Unternehmen sind Visionäre, suchen nach Lösungen für die Zukunft. Unternehmen mögen Überraschungen, weil sie gerne selbst etwas tun, womit der Andere – und man selbst – nicht gerechnet hat.

Grundsätzlich gilt: Jeden Morgen ist die Kasse leer.
Und ob abends genügend drin ist, weiß man nie. 1,2 Millionen Kunden pro Tag braucht dm um alle Kosten gedeckt zu haben. Dabei ist die wichtigste Zeit die zwischen 19:15 und 19:30 – in dieser Viertelstunde entscheidet es sich ob die Kasse am Ende des Tages stimmt.
Seinen Gewinn aber macht das Unternehmen am 29., 30., 31. 12.

Der Unternehmer muss sich permanent erziehen. Weil er jeden Tag sein Unternehmen neu erfinden muss.

Warum heißt „Erfolg“ „Erfolg“? Weil er Folgen hat. 1973 hat Götz Werner ohne Kredit den ersten Laden (die erste Drogerie nach Discounter-Prinzipien) gegründet. Er hätte einen Personalkredit gebraucht, keinen abgesicherten Kredit. Ein „Personalkredit“ ist ein Fähigkeitskredit – kein Kredit, der auf Besitz beruht. Dabei griff er auf das Unternehmensprinzip zurück:

„Wo sind die Kunden, die Bedürfnisse haben, die niemand so gut lösen kann wie ich“ Genau dies sei der springende Punkt. Man müsse als Unternehmer seine Kunden tief beeindrucken. Dabei hilft natürlich das Marketing.

Marketing, so Götz Werne, sei die Fähigkeit, die Probleme des Kunden erkennen zu können mit dem objektiven Blick eines mathematisches Problems. Den Kunden mit der genialen Lösung zu verblüffen, ist Überraschungsmarketing.
Dabei spiele auch die Antizipation (Vorwegnahme von Ereignissen) eine große Rolle: den latenten Bedürfnissen ein Angebot gegenüberstellen – es auf diese Weise virulent machen.

1977 wurde das Motto formuliert: Ziel des DM-Marketings seien die Stammkunden. Götz Werner erläuterte das dm-Prinzip noch ausführlicher: „Eine bewusste einkaufende Stammkundschaft, denen wir das Gefühl vermitteln, das Richtige getan zu haben sind unser Ziel. Sie kaufen ein in dem Bewusstsein: „Ich unterstütze ein Unternehmen, das einen Sinn macht.“

Aber wie lassen sich solche Kunden an das Geschäft binden? Vor allem:  Welche Kunden lassen sich gerne binden???

Für die Unternehmensphilosophie ist wichtig: „Welche Begriffe werden im Unternehmen verwendet?“ Der Wahrnehmung muss ein Begriff hinzugefügt werden, um erkennen zu können. Ohne Begriff keine Erkenntnis. Die Unternehmer müssen aus Erkenntnis handeln.

Götz Werner: Wenn ich den Begriff „Kundenbindung“ im Unternehmen zulasse, greife ich immer knapp vorbei…
Über 30 Milliarden Euro jährlich werden für Werbung in Deutschland ausgegeben, davon viel ohne Resonanz – es geht nicht um die „Kundenbindung“, es geht darum zu erreichen, dass sich der Kunde mit dem Unternehmen dm verbinde.
Auch Begrifflichkeiten sind im Unternehmen wichtig: Nicht Mitarbeiter sagen, sondern Kollegen!

Auch Lieferanten sind Wertschöpfungspartner. Auch sie müssen sich mit dem Unternehmen verbinden.
Jeder Mensch ist auch irgendwie Kunde – Leistungsaustauschverhältnisse finden in einem hochkomplexen Prozess statt.
Wenn ein Unternehmer eine Tasse Kaffee trinkt, hat er intuitiv den gesamten Wertschöpfungsprozess vor Augen: er hat Prozessbewusstsein.


„Am meisten Spaß hat der Anfang gemacht, mit einem Laden. Zwei, drei Läden ging gerade noch – doch wenn es größer werden, braucht man mehr unternehmerische Fackeln“ Je erkenntnisgetragener möglichst viele Beteiligten in einem Unternehmen sind, desto unternehmerischer ist das Unternehmen.

Einzelhandel ist ein Parterregeschäft. Wenn dm nur einen Store verliert, haben wir verloren. „Jedes Leiden hat einen Namen“. Immer wenn wir abstrahieren, haben wir verloren – es gibt kein abstraktes Unternehmen. Jeder einzelne Laden – jeder einzelne Kunde ist wichtig: ich als Unternehmer muss jedes persönliche Bedürfnis höchstpersönlich im Auge behalten.

Das Zentrum des Unternehmens ist da, wo sich unsere Produktivität mit der Empfänglichkeit des Kunden trifft. „Also vorn, nicht oben“.

Unternehmer heißt, immer wieder Begriffe zu kultivieren. Wie kann man Betroffene zu Beteiligten machen? Man gibt ihnen das Gefühl, das Richtige getan zu haben.

  • Der Lieferant sagt: „Ich erhalte zwar schlechtere Preise, aber es lohnt sich trotzdem.“
  • Der Kunde sagt: „Ist zwar hochpreisig, aber ich kaufe trotzdem gern hier.“
  • Der Mitarbeiter sagt: „Es ist zwar anstrengend – aber das bin ich.“

Dem unstillbarem Hunger und Durst Sinn geben. „Eine gute Idee erkennt man daran, dass alle sagen, dass sie nicht zu verwirklichen geht.“ (Einstein)
Ein Evidenzerlebnis sei dabei: Eine Idee trifft auf Menschen, die die Notwendigkeit erkennen – aber das stellt sich erst in der Zukunft heraus.
„Mit Empirie kann man kein Unternehmer sein.“

  • Bei der Liebesfindung ist der gemeinsame Beginn eine Sinnentscheidung – es bringt was!
  • Bei der Trennung erfolgt die Entscheidung aus Empirie – es kostet zu viel!

Ein Unternehmen führen heißt, die beiden polaren Prozesse von Kontinuität (Sklerose) und Kreativität (Chaotisches Wachstum) in die Balance zu bringen. Sich selbstständig machen ist das Klügste, was man machen kann – nur was dabei herauskommt, weiß man nie, dies sei aber immer gut für die Biografie. Dabei muss man aufmerksam sein für die Fortune, für das Glück: „Ein Unternehmer sitzt immer auf der Vorderkante des Stuhls“.

Glück hat auf Dauer nur der Tüchtige. Dabei ist die Wahrnehmung des Glücks die Voraussetzung für Gestaltung. Götz Werner beendete seinen Vortrag mit einem Wunsch an alle Unternehmer:

„Ich wünsche Ihnen immer jemanden, der Ihnen Kredit gibt“

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