Brief an alle Einsamen in der Corona-Zeit: Nicht verzagen bitte…

„Was würd‘ ich machen, wenn ich einsam wär‘? Würd‘ ich verzweifeln an der Last? Würd‘ ich vergessen, dass ich wichtig bin und nicht mehr sehen, dass ich liebenswert und ganz und gar nicht einsam bin? Was würd‘ ich machen, wenn ich einsam bin…?“ Gerade ältere Singles leiden unglaublich daran, wenn sie auf soziale Kontakte verzichten müssen. Berührungen, Blicke, Aufmerksamkeit, Zuneigung, Trost und Aufmunterung – woher soll das kommen, wenn man nur noch Grundversorgungsmittel vor die Tür gestellt bekommt? Wie lässt sich Schweigen ertragen 24 Stunden täglich? Was kann man tun, um dieser Einzelhaft zu entkommen?

Akzeptiere was ist

Ich weiß, dass man im Alter nicht mehr so selbstverständlich mit neuen Erkenntnissen umgeht wie als

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jüngerer Mensch. Doch für junge wie alte Menschen gilt es, immer das zu akzeptieren, was ist. Ob es das Wetter draußen betrifft oder die Corona-Quarantäne, es ist wie es ist. Mit Dingen zu hadern, die sich nicht ändern lassen, macht nutzlos unglücklich. Wer mit nicht änderbaren Dingen hadert, versucht auf Gerechtigkeit zu pochen. Doch weder beim Wetter, noch bei Schicksalsschlägen und Verlusten lässt sich mit „Das ist ungerecht“! Ansprüchen etwas bewirken. Also akzeptiere was ist.

Trage die Fakten zusammen

Dank des Internets ist es uns allen möglich, viele Informationen und Hintergrundberichterstattungen zusammenzutragen, die Antworten geben auf unsere Fragen bezüglich der Corona-Pandemie:

  • Wie verfahren andere Länder mit der Herausforderung? Was scheint besonders wirkungsvoll zu sein?
  • Wie sind die Fakten bezüglich der Lebensmittel- und Hygienemittel Versorgung? Wie sind die Lieferketten und wo gibt es warum Engpässe?
  • Welche Symptome könnten auf eine Erkrankung hinweisen und was erzählen Menschen, die schon eine Infektion durchgemacht haben?
  • Wie kann man die Abwehrkräfte stärken, die Lungen trainieren, sich auch in kleinen Wohnungen sportlich fit halten?
  • Wie kann ich mich vor Depressionen schützen? Wo kann ich Hilfe erhalten?

Noch viele weitere Fragen schwirren dem Einsamen und Verängstigten durch den Kopf. Mein Tipp: Alle Fragen sofort schriftlich notieren und so lange ergooglen, bis man mit den Antworten zufrieden ist. Dabei digitale Kompetenz lernen und immer schneller erkennen, wenn jemand versucht, mit Manipulationen oder Halbwissen (oder Unwissen) Menschen zu steuern. Jeden Fluss bis zur Quelle zurückverfolgen, so schützt man sich vor Propaganda!

Handeln macht stark

Nun gilt es herauszubekommen, wo wir noch handlungsfähig sind. Wir können zum Beispiel Telefonverabredungen mit Freunden und Bekannten festmachen – und natürlich mit der Familie. So strukturiert sich der Tagesablauf und wir gehen niemandem „auf den Wecker“, da wir nur anrufen, wenn es für beide Seiten ok ist.

Wir sorgen dafür, dass wir nicht durch den Pflegedienst angesteckt werden, indem wir uns genau erkundigen, wie die Hygiene-Prozesse dort geregelt sind – und indem wir uns notfalls auch vor dem/r Pflegenden schützen. Falls wir Kinder haben, können diese dabei extrem hilfreich sein und für uns einstehen.

Wir sorgen für eine gute Versorgung und nehmen Hilfe gern an. Wenn Nachbarn uns anbieten, einkaufen zu gehen, freuen wir uns und sagen „Ja, danke“! Falscher Stolz ist jetzt unangebracht. Man darf sich auch über Hilfe einfach so freuen.

Wir machen Tagespläne und freuen uns auf jede Stunde, die wir mit Tätigkeiten gefüllt haben. Wir stellen uns jeden Abend den Wecker und beginnen mit Frühsport (auch für Altersgeschwächte gibt es bei YouTube geeignete Übungen). Die Mahlzeiten zelebrieren wir, wenn wir das noch können. Wir nehmen uns für jeden Vormittag, jeden Nachmittags, jeden Abend etwas vor, und wir halten uns an unsere Pläne!

Wir konsumieren ausschließlich Bücher, Zeitungen, Hörbücher, Serien, Dokumentationen und Filme, die wir wirklich konsumieren wollen. Wir fertigen uns Listen an mit Freizeittätigkeiten, die uns erfüllen. Wir beginnen vielleicht mit einem Hobby – auf keinen Fall geizen wir mit unserem Geld. JETZT ist die Zeit, großzügig zu sein mit Anschaffungen, die uns Sinn und Tun verschaffen. Warum nicht mal Malen oder Basteln? Kalligraphie üben? Etwas schnitzen? Kreuzworträtsel lernen?

Tagebuch ist Logbuch – wie ein Kapitän

Wir sind Kapitäne unseres eigenen Lebens. Das Leben ist der Ozean, die Wohnung ist das Schiff. Jeden Abend vor dem Schlafengehen schreiben wir auf, was wir an dem Tag getan haben, vielleicht sogar mit Uhrzeit! Struktur gibt Frieden und schützt vor Depressionen.

Vielleicht schreiben wir mit einem Füller? Oder wir haben Freude daran (wie ich) es in den Computer zu tippen? Falls wir nicht selbst online einkaufen können, bitten wir computererfahrene Angehörige, dass uns leere Tagebücher an unsere Adresse geliefert werden. Und tolle Stifte. Und vielleicht auch noch Farbstifte, damit wir ein bisschen zeichnen können, was uns in den Sinn kommt bei unseren abendlichen Logbuch-Eintragungen.

Wir erinnern uns an früher und notieren in einem zweiten Buch (oder wieder im Computer) Geschichten und Erinnerungen. Wir hinterlassen unser Seelentestament für die Nachwelt. Falls wir das Glück haben, dass uns jemand einen Internet-Blog einrichtet, können wir auch direkt online schreiben und publizieren! Wer in Word schreiben kann, kann auch einen Blog schreiben nach zwei, drei Stunden Übung.

Wir sind in Social Media aktiv und vernetzen uns mit neuen Menschen über Facebook oder Twitter. Wir orientieren uns dabei an unseren Interessen (Garten, Kochen, Kunst, Politik…) und tauschen uns aus mit anderen Einsamen, die uns wertemäßig entsprechen. Gemeinsame Ideale verbinden so sehr! Und gerade bei Facebook gibt es so tolle Gruppen für alles und jeden – man muss sie nur finden…

Wenn etwas nicht klappt, googlen wir es. Wir halten durch und sind beharrlich. Wollen wir eine Facebookgruppe finden, die sich um das Interessensgebiet Mallorca dreht, werden wir sie finden! Wir werden dieser Gruppe beitreten, und wir werden wunderschöne Kontakte aufbauen zu Menschen, die Mallorca lieben – so wie wir.

Wir lernen Kontemplation

Das Allerallerwichtigste ist, in den wenigen Wochen, die uns in Einsamkeit bevorstehen, Kontemplation zu lernen. Kontemplation ist die Kunst, sich geistig zu versenken und dem Sinn unseres Lebens auf die Spur zu kommen. Für den Einen ist es die Bibel, für den Anderen sind es buddhistische Schriften. Und für wieder Andere sind es Philosophen und andere Weise und Propheten, die als leuchtendes Vorbild in der Finsternis der Einsamkeit dienen.

Ziel der Kontemplation ist es, Frieden und Glück auf dem Boden des absoluten Nichts zu erfahren. Geborgenheit zu erleben, so wie Dietrich Bonhoeffer es in dem tröstlichen Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ aufgeschrieben hat – im Nazi-Folterkeller und im Wissen der baldigen Hinrichtung. Ich empfehle, dieses Lied auswendig zu lernen. Es hat unglaubliche Kraft. Auch „Der Mond ist aufgegangen“ ist ein Lied voll heilsamer Magie. Und sicher kennen wir noch viele andere Gedichte und Lieder, die uns helfen, in Kontemplation zu versinken.

Liebe entsteht gern im Nichts

Das Allerallerschönste, was uns in der erzwungenen Einsamkeit geschehen kann ist, plötzlich diese unfassbare Liebe und Geborgenheit zu erfahren, die nicht mehr weggeht. Das Wissen, von etwas „Großem“ geliebt zu werden, macht frei von Bedingungen. Dann ist es nicht mehr schlimm, wenn die Kinder mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind. Dann vergeht die Angst vor Krankheit, Armut, Schmerz und Einsamkeit. Das was Kinder an Alten so fasziniert ist die Weisheit, die aus deren Augen strahlt – selbst wenn sie dement sind. Das ist der innere Friede, der den Alten und Weisen vorbehalten ist – und der sie unverwundbar macht.

Corona als Chance

Ein paar Wochen Einsamkeit können heilsam sein und uns befreien von allen möglichen Anhaftungen. Bitterkeit vergeht, Aufrechnungnen vergehen, Ängste vergehen, Verlustschmerz vergeht. Wer bereit ist zu sterben, der lebt erst richtig. Schade dass das meistens erst so spät passiert! Freut Euch! Die Quarantäne wird bald vorbei sein – doch die spirituelle Erfahrung der Einsamkeit macht uns reich. Genießt dieses Geschenk und spürt diese Auserwählung. Wir sind etwas ganz Besonderes. Und wir sind gute Menschen. Alle.

Ich wünsche all den einsamen Menschen während der Coronazeit Mut, Fleiß, Ergebenheit und Handlungsstärke. Liebe wünsche ich für alle fühlenden Wesen – und möge aller Hass und alle Abwehr für immer aus unseren Herzen getilgt werden im Geheimnis der Einsamkeitserfahrung.

Die Krone sei Euer. Und unser. Und ihrer. Weil wir alle gleich kostbar und wunderschön sind. 🙂

Eva Ihnenfeldt, Autorin und Herausgeberin der SteadyNews: Hiermit verzichte ich (ich schwöre) auf Ansprüche von irgendwelchen Urheberrechten. Falls also irgendjemand den Text gebrauchen kann, kann er ihn verwenden, wie er will. Online, offline, ausgedruckt, kopiert, mit Namensnennung oder ohne – es ist mir egal. Wäre schön, wenn er auch nur einem einzigen Einsamen helfen kann – bevor dann diese Corona-Quarantäne vorbei ist. Und wir alle wieder „normal“ werden – fast ein bisschen schade oder 😉

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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