Einsamkeit in Zeiten von Corona: Es ist nicht gut, allein zu sein

Mein Nachbar sieht jedes Mal, wenn ich ihn treffe, trauriger aus. Der Rentner ist sehr aktiv gewesen bei der Gewerkschaft, bei der Flüchtlingshilfe, im Seniorenbeirat – sein Terminkalender war immer voll. Nun muss er bereits seit vier Monaten auf die vielen Versammlungen, Organisationsmeetings, politischen Diskussionen und Veranstaltungen verzichten. Das tut ihm und seiner Gesundheit nicht gut. Einsamkeit ist gefährlich.

Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay 

Ja, wir alle haben unterschiedlich starke Ängste in Bezug auf Krankheit. Die Einen haben schon so viele bedrohliche Erfahrungen gemacht, dass sie lieber auf Kontakte verzichten, als sich in Gefahr zu bringen – die Anderen (wie ich) wurden bisher vom Schicksal verwöhnt und halten sich vor Allem aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Mitmenschen an die Pandemie-Einschränkungen – aber nicht aus Angst vor einer Ansteckung.

Ich bin wirklich erschrocken darüber, was Einsamkeit bei vielen Menschen bewirkt. Dadurch, dass sich der Radius so verengt hat und dadurch, dass immer weniger Erinnerungs-Schätze im Gehirn-Kästchen gesammelt werden, entstehen Unsicherheit, Misstrauen, soziale Lähmung und sämtliche seelischen Leiden, die an die Folgen von Einzelhaft erinnern. Das ist niht gut, das ist gar nicht gut!

Ich selbst hatte einmal als ganz junge Frau eine depressive Zeit. Wir waren als frische Familie aufs Land gezogen und dort musste ich (ohne Führerschein und ohne soziale Bindungen dort) Einsamkeit aushalten. Ich verfiel zusehend und nach einigen Monaten hatte ich kaum noch die Kraft, den Tag zu bewältigen. Duschen, kochen, putzen…. ich fühlte mich wie ein Sklave, der sich mühevoll von einer Minute zur nächsten schleppt. Es war schlimm.

Irgendwann siegte mein Überlebenswille. Wir zogen zurück ins Ruhrgebiet und ich schwor mir, dass nicht ein Tag mehr vergehen würde, an dem nichts passierte. Ich nutze alles an Möglichkeiten, um meinen Terminkalender zu füllen. Private Treffen, Interessengruppen, Kultur, Politik. Ich gab mir selbst Aufgaben wie „Gehe in ein Café und halte es aus, dort allein zu sitzen“.

Meine depressive Verstimmung war schon nach Wochen verflogen. Ich bekam so viel Aufmerksamkeit, Zuneigung, Liebe, Inspirationen und freiwillige Pflichten, dass ich aufblühte und die schlimme Zeit (bis heute kann ich kein WDR 2 mehr hören, weil es in der Einsamkeit den ganzen Tag lief) fast vergaß.

Bis heute habe ich meine Lektion gelernt. Ich weiß, dass Einsamkeit süchtig machen kann. Ja, Einsamkeit kann eine Droge sein, der man sich ausliefern kann – und man kann auch ernsthaft an ihr erkranken. Darum mein Rat-Schlag: Seht zu, dass Ihr jeden Tag etwas erlebt. Geht spazieren und unterhaltet Euch mit anderen Spaziergängern (und glaubt mir, viele von ihnen haben die gleiche Sehnsucht wie Du).

Schaut bei Facebook nach, welche Veranstaltungen (gerade im Kulturbereich) schon stattfinden im „Real Life“ und zwingt Euch hin! Geht essen mit Freunden und trefft Euch irgendwo draußen bei schönem Wetter. Geht mit einer/m Freund/In shoppen und genießt es, endlich mal wieder Geld auszugeben für überflüssige Dinge. Schaut jeden Tag Menschen in die Augen und schenkt ihnen Eure Zuneigung und Eure innere Zärtlichkeit.

Bild von Ryan McGuire auf Pixabay 

Mein alter Nachbar verweigert sich leider total dem Internet. Hundert Mal habe ich ihm angeboten, ihm beim Kauf eines Smartphones zu begleiten und ihm zu helfen, Internet zu nutzen. Er ist ein sturer Kerl – er will einfach nicht. Darum h#lt sich mein Mitgefühl in Grenzen. Himmel, was hätte der aktive Mann mit den tausend Kontakten für Möglichkeiten, zu kommunizieren und sich zu verabreden! Aber so leidet er lieber und gefährdet seine Gesundheit.

Es ist schwer, sich zu überwinden und neue Routinen ins Leben zu lassen. Aber hier geht es um unser aller Gesundheit. Bitte überwindet Euch und nutzt das, was heute schon möglich ist in der Zeit von Social Distancing. Umarmungen und Hände schütteln meiden, ist wohl nicht so schwierig. Anderthalb Meter Abstand einhalten tun wir doch sowieso bei Freunden, ebenfalls kein Problem. Maske tragen, wo die anderthalb Meter nicht möglich sind wie in Öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften, ist auch nicht das Problem. Ich zum Beispiel habe eine Maske aus Polypropylen, hinter der ich fast genau so gut atmen kann wie ohne Maske. Alles gut.

Die Corona-Abstandsregeln in NRW Mitte Juli 2020

  • Maskenpflicht vorerst bis 11. August
  • „In allen Handels-, Kultur- und Freizeit-Einrichtungen mit Publikums- und Kundenverkehr sowie im Personenverkehr, aber auch in Arztpraxen und ähnlichen Einrichtungen des Gesundheitswesensmuss eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden“
  • In der Öffentlichkeit dürfen sich höchstens 10 Personen treffen – mit Abstandspflicht. Großzügigere Regeln gelten für Treffen mit Menschen aus zwei Haushalten
  • In der Gastronomie und bei Gastgebern von Veranstaltungen müssen die persönlichen Angaben der Teilnehmer/Gäste aufgenommen werden. Diese werden nach zwei Wochen gelöscht
  • Veranstaltungen und Versammlungen mit bis zu 300 Teilnehmern dürfen stattfinden – unter Berücksichtigung der Hygieneregeln.
  • Private Feiern wie Hochzeiten dürfen mit maximal 150 Gästen stattfinden – eine Abstandsregelung oder Maskenpflicht gibt es hier nicht, „soweit geeignete Vorkehrungen zur Hygiene und zur einfachen Rückverfolgbarkeit sichergestellt sind“
  • Sport in der Gemeinschaft ist möglich – unter Einhaltung der Abstandsregelung und der anderen Hygieneregelungen
  • „Ab dem 15. Juli können u. a. Gruppen bis zu 30 Personen Kontaktsport wieder ausüben, genauso wie im Freien der Kontaktsport Gruppen bis zu 30 Personen möglich ist.“
  • Seit dem 15. Juni darf man auch wieder ins Freibad und in die Saune
  • In der Gastronomie darf man mit maximal 10 Personen an einem Tisch sitzen. Für Feiern dürfen bis zu 150 Personen bewirtet werden. Natürlich alles unter Einhaltung der Social-Distancing-Regeln.
  • Man darf auch wieder an öffentlichen Plätzen grillen mit maximal 10 Personen – und Flohmärkte sind auch wieder möglich

    Hier die ausführlichen Regeln beim Land NRW

Mal ehrlich, was fehlt denn überhaupt? Das ist doch wirklich erträglich! Also bitte überwindet Euch und Euren „Inneren Schweinehund“. Seelische Schäden sind schlimm und führen zu körperlichen Schäden und lassen auch die Suchtgefahr steigen (zum Beispiel nach Psychopharmaka). Der Mensch braucht den Menschen! Begegnungen machen glücklich.

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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