Hat WhatsApp Zugriff auf die Inhalte der Chats – und die Verschlüsselung ist wertlos?

Anfang Januar hatte ich einen kurzen WhatsApp-Austausch mit meinem ältesten Sohn – wir verabredeten uns für Freitag zum Shoppen in Essen am Limbecker Platz. Einen Tag später öffnete ich die Startseite der Frankfurter Rundschau und sah eine Riesen-Banner-Werbung „Shoppen am Limbecker Platz am Freitag bis 24 Uhr!“ Ich war geschockt. Schließlich war uns WhatsApp-Nutzern versprochen worden, dass die Inhalte unserer WhatsApp-Kommunikation durch End-zu-End-Verschlüsselung uneinsehbar sind – sowohl für Facebook selbst als auch für Behörden. War diese passgenaue Werbeeinblendung also nur ein Zufall gewesen? Gestern war es dann in vielen Medien: Das Unternehmen kann sehr wohl auf die WhatsApp-Chats zugreifen. Durch eine „Hintertür“.

Mit gesundem Menschenverstand hätte ich eigentlich nie glauben sollen, dass tatsächlich die Inhalte der Nachrichten ein Tabu 20170114_110048sind für den Datenhandel und die Behörden. Schließlich ist WhatsApp weltweit einer der beliebtesten Messenger, es wäre ja dumm, auf so viele private, aussagekräftige Daten zu verzichten. Doch das anerkannte Verschlüsselungsverfahren von Open Whisper Systems, das Facebook für WhatsApp einsetzte, gab uns allen Sicherheit. Experten lobten es und Facebook beteuerte, wirklich keinen Zugriff auf die Inhalte der Chats zu haben.

Doch Facebook fügte der Technologie eine „Hintertür“ hinzu, durch die zusätzlich zu der End-zu-End-Verschlüsselung neue Schlüssel erzeugt werden. So kann, unbemerkt von den Nutzern, also doch auf die Inhalte zugegriffen werden. Facebook hat demnach die Nutzer getäuscht, und das ist das, was ich so wirklich übel nehme. Dass unser webbasiertes Verhalten in der Zwischenzeit komplett getrackt, ausgewertet, verkauft und genutzt wird, habe ich geschluckt – was bleibt mir auch übrig?! Doch zu behaupten, bei WhatsApp sei das anders, da könnten wir uns sicher fühlen, das empfinde ich als Verrat. Nennt mich naiv, doch so etwas berührt in mir empfindliche Punkte.
Mobile Geeks vom 13.1.17: WhatsApp Verschlüsselung dank Backdoor wertlos

Ob die eingeblendete Werbung „Shoppen am Limbecker Platz Freitag bis 24 Uhr“ tatsächlich eine Folge des WhatsApp-Chats war, weiß ich natürlich nicht. Ich weiß nur, dass ich auf keiner Website in der Umgebung Essens war, und auch in sozialen Netzwerken oder in Navigationssystemen nichts getan habe, was auf die Stadt Essen oder Shoppen oder den Limbecker Platz hätte hinweisen können. Kein Online-Banking, keine Amazon-Aktivität, keine E-Mails, keine YouTube-Videos, kein Telefonat, nichts. Ist mir auch egal, wie es war. Nun weiß ich, dass die Inhalte getrackt werden können und zweifle nicht mehr an meinem Verstand. Glück gehabt.

Falls sich jemand näher für das Thema Webtracking interessiert, inwieweit wir alle im Web überwacht werden, dem empfehle ich die Januar-Ausgabe vom c’t01/2017. Die acht Seiten kann man gesondert für 2,49€ als pdf erwerben – aber natürlich lohnt es sich auch, die komplette Ausgabe des Computer-Magazins aus dem Heise-Verlag zu kaufen. So, und nun versuche ich, meien Familie dazu zu überreden, von WhatsApp auf eine Alternative wie Threema umzusteigen. Ich bin verletzt, und ich will diese App nicht mehr.

10 Minuten Video Interview zum „Digital gebrandmarkt“ Thema in der c’t. Sehr aufschlussreich!

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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