Ist Facebook auf dem Weg zur „Weltherrschaft“?

Bei einer Mitarbeiterschulung fragte mich eine ältere Mitarbeiterin, die Social Media für sich ablehnt, ob Facebook nicht langsam „tot“ sei. Ich antwortete mit Zahlen: 2,2 Milliarden Menschen weltweit nutzen allein das soziale Netzwerk des Konzerns, hinzu kommen die vielen Menschen, die ausschließlich WhatsApp bzw. den Facebook-Messenger nutzen, und dann noch diejenigen, die das soziale Netzwerk Facebook meiden und stattdessen bei Instagram kommunizieren. Zählt man all diese zusammen, kann man sagen, dass Facebook in der digitalen Kommunikation und Vernetzung bereits so etwas wie die „Weltherrschaft“ besitzt.

Fast die ganze Welt ist bei Facebook Mitglied – außer China

Von weltweit 7,5 Milliarden Menschen ist fast alles, was kein Kind mehr ist und was Zugang zu Internet hat, dem Konzern angehörig. Vor Allem in der mobilen Nutzung hat wohl so gut wie jeder Weltbürger eine der Apps von Facebook installiert und nutzt sie mindestens wöchentlich – eher täglich. Was ansonsten mit dem Smartphone passiert, bleibt dem Facebook-Konzern kaum verborgen – ebenso wie die Kontaktdaten aus dem Adressbuch des Nutzers. Kann sich nun Mark Zuckerberg zufrieden zurücklehnen und sich auf die Infrastruktur, Sicherheitsaspekte und Prozessoptimierung konzentrieren?

Wohl kaum. Schon immer wussten Führungen und Imperatoren, dass bei der kleinsten Nachlässigkeit Verletzbarkeiten entstehen, die zum Sturz führen können. Macht zwingt dazu, immer weiter zu forschen, zu expandieren, die „Flöhe husten“ hören zu können und auf jede riskante Innovation und Bewegung rasch und offensiv zu reagieren.

Was sind Facebooks nächste Schritte?

Was also will Facebook als Nächstes? Wie kann sich das global umspannende Imperium im nächsten Schritt weiterentwickeln und unangreifbar machen? Im Laufe der vergangenen fünfzehn Jahre hat sich das Nutzerverhalten entscheidend verändert. Wollten die Nutzer früher vor Allem eigenen Content innerhalb einer Plattform öffentlich teilen und sich zeigen, ziehen sich die Einzelnen nach schlechten Erfahrungen in geschlossenes Messenger-Systeme zurück.

WhatsApp und andere Messenger, die anonyme Nutzung von Instagram im geschlossenen Raum, Snapchat und andere so genannte „Dark Social“ Plattformen sind das, was die Menschen heute anzieht. Schutz vor dem Blick von außen, vor Kritik und Schmähungen, vor dem Missbrauch von Bildern und Videos, die widerrechtlich weiterverwendet werden – das wollen die allermeisten Menschen. Nur die „Creator“, die bei allen Risiken gern in der Öffentlichkeit agieren aus persönlichen, ethischen oder kommerziellen Interessen, posten weiterhin öffentlich.

Vorbild WeChat aus China: WeChat ist einfach ALLES

Auf der letzten Facebook-Entwicklerkonferenz f8 kündigte Mark Zuckerberg weitreichende Änderungen an, die Facebook weiter an das mächtige WeChat im Reich der Mitte erinnern. Die 1,38 Milliarden Bürger Chinas kommunizieren nicht nur mit der WeChat App, die man ein wenig mit Facebook vergleichen kann (soziales Netzwerk, Foren, Messenger, Telefonie, Video-Konferenzen etc.) sondern sie tätigen auch überwiegend ihre Handelsaktivitäten mit WeChat. Bargeld kommt immer seltener zum Einsatz. Ob in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Gemüsehändler oder bei Buchungen von Reisen, Events und allgemeinen Bankgeschäften – WeChat ist alles: Bank, Makler, Kommunikationsvermittlung, Scoring-Messer der eigenen Liquididtät und Zuverlässigkeit.
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Schutz der Privatsphäre?

Wenn Zuckerberg sagt, dass Facebook in Zukunft die Privatsphäre der Nutzer besser schützen will und die End-zu-End-Verschlüsselung im „Dark Social“ Konzern gewährleisten will, wird dies sicher mit Regierungen und Geheimdiensten abgesprochen sein. Kein Regime lässt sich die Kontrolle über unerwünschte Bewegungen und sich aufschaukelnde Gefahren wieder aus der Hand nehmen, oder glaubt das jemand?

Wird Facebook zur globalen „Hausbank“ für Geldgeschäfte?

Nun steht das Facebook-Ökosystem der Handelstätigkeiten direkt innerhalb der Apps. Bei Instagram gibt es schon erste große Partner, die ähnlich wie bei Amazon innerhalb des Systems ihre Waren anbieten und über Instagram verkaufen – und die dafür Gebühren und Provisionen zahlen. Amazon, Google und ebay erhalten Konkurrenz in ihren „Händler-Marktplatz“-Geschäftsmodellen.

Auch bei WhatsApp und Facebook kann man zukünftig direkt in den Apps Bankgeschäfte tätigen. Shopping, Buchungen, Gebühren – wie lange wird es dauern, bis Facebook PayPal überholt, weil es komfortabel und direkt ist, innerhalb des Systems zu zahlen?

„Dark Social“ will Facebook zusammenführen

Facebook ist alles andere als tot. Facebook wird die verschiedenen „Dark Social“ Angebote (also WhatsApp, den Messenger und die Nachrichten-Funktion von Instagram) immer weiter zusammenlegen und ihnen nur verschiedene Hauptkategorien zuweisen.

Facebook-Gruppen, um gesellschaftliche Themen zu verstehen?

Facebook-Gruppen werden im Facebook-Netzwerk eine zentrale Stellung einnehmen mit dem Versprechen, das dort die Nutzer über sensible Themen auch anonym diskutieren können (ich bin sicher, das gilt nur gegenüber den anderen Nutzern und Beobachtern – nicht gegenüber dem Facebook-Konzern! Sonst könnten sich ja Terroristen und Regimefeinde gemütlich sammeln und alles mögliche planen und durchführen). 

Facebook auch als „Frühstückszeitung“?

Ob das Facebook-Netzwerk auch für News-Suchende optimiert wird, wird sich zeigen. Ich bin sicher, dass im Hintergrund viele Verhandlungen mit Medienkonzernen und Verlagen geführt werden, damit auch diese gut zahlende Kunden bleiben und werden.

Scheint ein langwieriges Tauziehen zu sein, denn seit einiger Zeit betont Facebook ja besonders, dass Facebook ein „Freunde-Netzwerk“ sei. Medienseiten leiden seitdem enorm an dem Verlust organischer Sichtbarkeit. Doch irgendwann werden sich beide Seiten einigen und wir werden wohl gern unsere „Frühstückszeitung“ über Facebook lesen, weil es so komfortabel und hübsch aufbereitet funktioniert.

Was tun? Dem Imperator die Folgschaft verweigern?

Die ältere Mitarbeiterin, von der ich anfangs sprach, ist auch heute noch überzeugte Verweigerin von Facebook (natürlich nutzt sie WhatsApp), – doch wohl vor Allem, weil sie es für Zeitverschwendung hält und die Nutzer der sozialen Netzwerke verachtet. Ich glaube nicht, dass so eine komplette Verweigerungshaltung (dann selbstverständlich auch von WhatsApp) eine gewünschte politische Kraft besitzt.

Digitale Kompetenz und Mut

Transparenz, Bewusstheit und digitale Kompetenz sind die besten Waffen, um Manipulation und Ohnmacht zu entgehen. Auch Intellektuelle und einflussreiche Kritiker des Überwachungs-Zeitalters nutzen soziale Netzwerke, um aufzuklären und sich zu organisieren. Wer sich verweigert und nicht weiß, wie die verschiedenen Netzwerke funktionieren, kann nicht handeln und kann nicht über die Auswirkungen und Gefahren mit Anderen sprechen – so wie ein Blinder nicht über Farben diskutieren kann.

Überwacht wird man auch ohne WhatsApp und Smartphone – China ist nicht „ganz anders als der Westen“ China hat nur eine andere Mentalität und zeigt es offen und autokratisch. Also wachsam bleiben, alles erforschen, und wie immer schließe ich mit den Worten „Das beste Geheimnis ist eine offene Tür“. Mit ein wenig Mut, viel Transparenz und guten Kontakten ist man besser geschützt als damit, dass man versucht, sich zu verstecken. Davon bin ich überzeugt.

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Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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