Lügenpresse? Studie zeigt, dass die meisten Deutschen den Nachrichtenmedien misstrauen

Der Bayrische Rundfunk hat mit ca 1.000 Befragten im März und April 2016 eine repräsentative Studie erstellen lassen, um zu überprüfen, wie hoch das Vertrauen der Deutschen in ihre Nachrichtenmedien ist.  „Vertrauen in die Medien“ zeigt, dass nur ein Drittel der Studien-Teilnehmer die Presse in Deutschland für wirklich unabhängig hält. Zwei Drittel gehen davon aus, dass Regierung, Parteien, Lobbyverbände und Wirtschaft Einfluss auf die Berichterstattung nehmen. Weitere Ergebnisse der Studie hier bei zeit.de. Warum auch ich überzeugt davon bin, dass das gute alte Vertrauen in die Tagesschau und die Tageszeitung nicht mehr zeitgemäß sind, erkläre ich im Folgenden.

Was ich nicht weiß…

Bevor es das Internet gab, war die Presse relativ unangreifbar. Man wählte je nach Parteisympathie aus zwei bis drei Nachrichten_2verschiedenen regionalen Tageszeitungen die passendste aus, verfolgte Sport, Todesanzeigen und den Lokalteil täglich. Um 20.00 Uhr gab es ergänzend die Tagesschau, je nach politischem Interesse kamen noch einige Fernsehformate oder auch politische Wochenzeitungen hinzu. Die Auswahl war überschaubar, das analoge Lesen vermittelte eine ähnliche Befriedigung wie beim Lesen eines Buches. Zeile für Zeile folgte man den (meist gut bezahlten) Journalisten und hatte ein Grundvertrauen in den Ethos der Branche. Zusätzlich gab es Boulevard- und Hetzblätter die BILD, auf die die meisten verächtlich blickten, und die man angeblich nur kaufte, um sich zu amüsieren.

Das Web schafft Vielfalt

Durch das Internet änderte sich alles dramatisch. Plötzlich hatten die Menschen Zugriff auf Online-Medien aus der ganzen Welt in Echtzeit, durch Twitter und andere Kanäle konnten Ereignisse in Echtzeit verfolgt werden. Die Berufs-Journalisten bekamen Konkurrenz durch Laien-Berichterstatter und Laien-Meinungsmacher. Alle möglichen Interessensgruppen kamen hinzu: Von den Verschwörungs-Verbreitern bis zu Unternehmen, die Online-Magazine herausgeben.

Wenn Geschäftsmodelle zusammenbrechen

Gleichzeitig brach das komfortable Geschäftsmodell der Verlage zusammen. Immer weniger Menschen kaufen Print-Zeitungen, immer weniger Unternehmen schalten Anzeigen. Für das Web wurden bisher noch keine Einnahmenmodelle gefunden, die auch nur im Entferntesten an die vergangene goldene Zeiten herankommen. Kein Wunder, dass Nachrichtenmedien nicht begeistert sind von dem neuen Leseverhalten der Menschen. Viele Journalisten wurden entlassen, kaum noch irgendwo gibt es eine Wahl zwischen mehreren Tageszeitungen, Online regieren Schnelllebigkeit und Zugriffszahlen. Unterbezahlte Redakteure müssen auf Quantität setzen anstatt auf sorgfältige Recherche. Es fehlen Zeit und Kapazitäten. Die Verlage sind auf andere Geschäftsfelder ausgewichen – das Kerngeschäft wird immer nebensächlicher.

Der Empfänger wird zum Sender

Die Empfänger der Nachrichten sind – wie überall im Web – zu Sendern mutiert. Nachrichten werden geliked, geteilt – und massenhaft kommentiert. Da vor Allem User kommentieren, die über viel Zeit verfügen oder die hochemotional motiviert sind, verzerrt sich das Bild vom Leser. Kein Wunder, wenn Redakteure denken, das „Volk“ besteht nur aus primitiven Hetzern. Viele Online-Medien schalten sogar schon die Kommentarfunktion ab, da sie sich überfordert sehen bei der Moderation der unzähligen Kommentare. Natürlich fördert ein solches Verhalten im Gegenzug das Misstrauen, das Meinungen unterdrückt werden.

Online-Studium ist überlegen

Digitales Lesen hat ein extremen Vorteil gegenüber dem Print-Lesen. Der interessierte Leser kann sich in Sekundenschnelle Sekundärquellen hinzuziehen, kann über Links auf Hintergrundsberichterstattung zurückgreifen, kann Videos, Bilder und Audiomaterial hinzuziehen. Gute Artikel können direkt mit Freunden und Kontakten geteilt werden über Twitter, Facebook und Co. Wer sich einmal an digitales Nachrichten-Studium gewöhnt hat, wird Print wahrscheinlich als minderwertig empfinden – vor Allem jungen Menschen geht es so.

Fehlende Zahlungsbereitschaft

Da es sehr viele gute Quellen im Web gibt, die kostenfrei zur Verfügung stehen, und da wir immer weniger Zeit haben, seitenlange ausführliche Berichterstattungen zu lesen, ist die Bereitschaft, für Online-Zeitungen Geld zu zahlen gering. Wohl erst dann, wenn sich Verlage zusammentun und eine Monats-Flat für mehrere wichtige Tageszeitungen und Medienpublikationen anbieten, ist es attraktiv, zwischen 10 und 30 Euro monatlich für eine umfangreiche Nachrichtenpresse zu zahlen. Für eine einzige Zeitung wäre zumindest ich nicht dazu bereit. Es ist mir zu einseitig – ich will vergleichen.

Fazit

Genau so, wie Konsumenten durch die unzähligen Werbebotschaften zu Profi-Konsumenten werden konnten, können nun Bürger zu Profi-Bürgern werden. Immer mehr Menschen verstehen sich darauf, im Web mit wenigen Handgriffen Quellen zu recherchieren, Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und sich genau die Medien auszuwählen, denen sie Vertrauen entgegenbringen. Bei meinen Lehraufträgen für Marketing und Social Media frage ich Studenten und Führungskräfte auch immer ab, wie sie sich über das Tagesgeschehen, über Politik und Wirtschaft informieren. Die Tageszeitung spielt eine immer geringere Rolle (ca 2 – 3 von 20 haben noch eine Tageszeitung abonniert bei meinen Befragungen.Meistens sind das Menschen, die in ihren Nachbarschaft sehr verwurzelt sind).

Vor Allem Studenten und junge Akademiker nutzen den Weg zur Arbeit in öffentlichen Verkehrsmitteln, um Nachrichten auf dem Smartphone zu lesen. Etwa 10 Prozent haben dafür einen professionellen Weg eingeschlagen wie das Abonnement von RSS-Feeds. Die Meisten meiner Teilnehmer jedoch verfolgen Nachrichten ungezielt und ohne feste Struktur. Wenn es zeitlich passt, wird die Tagesschau konsumiert oder die Tagesthemen, das Radio dient als Informationsquelle, über Facebook hat man Medien abonniert. Ich vermute, dass sich unsere Gesellschaft aufsplitten wird in die „Nachrichten-Profis“, die häufig auch Twitter gezielt zur Recherche nutzen, und die „Nachrichten-Konsumenten“, die eher emotional an das Große und Ganze herangehen und die leicht Opfer werden für meinungsmachende Berichtserstattung. Dass hier nicht nur zweifelhafte Medien wie der Kopp-Verlag zugreifen, sondern auch öffentlich-rechtliche Formate, denke ich auch. Ich habe einige Journalisten von großen renommierten Medien dazu befragen können, und tatsächlich ist der Einfluss von Parteien und Konzernen erheblich.

Also lasst uns alle Nachrichten-Profis werden! Mit Keywords und Twitter-Hashtags ist es so leicht, die Wahrhaftigkeit von Quellen zu überprüfen und sich nach und nach ein vertrauenswürdiges Panoptikum an Online-Zeitungen und Blogs zusammenzustellen – wer will: Hier eine Anleitung zu Feedly, um sich die eigene personalisierte Tageszeitung zusammenzustellen – es geht ganz leicht und ist auf allen Endgeräten abrufbar.

Pressemitteilung: „Vertrauen in die Medien“ Studie beim BR

Bildquelle: pixabay_geralt

 

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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