Resilienz (psychische Widerstandskraft): Die Corona-Krise und wir

Es gibt Menschen, die schon bei kleinsten Abweichungen des Gewohnten verzweifeln, und es gibt Menschen, die völlig unempfindlich zu sein scheinen, selbst wenn sie in eine scheinbar ausweglose Lage geraten. Gerade jetzt in der Corona-Krise erleben wir, wie unterschiedlich sich die Menschen verhalten. Manche geraten in Panik, andere in eine Art Schockstarre, wieder andere verhalten sich diszipliniert, einsichtig und ruhig – und wieder andere weigern sich, Regeln zu befolgen und zeigen sich als Rebellen. Wie ist es mir bisher ergangen? Bin ich resilient?

Eva Ihnenfeldt und die Corona-Krise

Ich gehöre anscheinend zu den Menschen, deren Glas ständig „halbvoll“ ist. Das bedeutet nicht, dass ich positiv denke oder zum Optimismus neige. Genau das Gegenteil ist der Fall: Ich rechne stets mit dem Schlimmsten und bereite mich auf mögliche Katastrophen bestmöglich vor.

So habe ich schon Anfang März begonnen, Lebensmittel und Hygieneartikel zu bevorraten. Nach dem Motto: Kann sein, dass Corona nicht so schlimm wird – aber dann haben wir zumindest einen Vorrat für andere mögliche Ereignisse wie Krieg oder wochenlangen Energieausfall oder was auch immer so passieren kann…

  • Zunächst habe ich mich also informiert, welche Bevorratung die Bundesregierung empfiehlt für Krisenfälle. Das Einkaufen war kein Aufwand und kostete rund 50 Euro insgesamt.
  • Dann habe ich einige Podcasts gehört, die zum Thema Krisenbewältigung Tipps gaben: Sich über angemessene Handlungsmöglichkeiten informieren, sich dementsprechend vorbereiten und ansonsten hinnehmen, was nicht zu ändern ist.
  • Seit diesem Zeitpunkt Anfang März verfolge ich aufmerksam die Medienberichterstattung über Corona, halte mich (gern) an die Beschränkungen, liebe die allgemeine Stille und genieße es, sehr viel weniger zu arbeiten als normalerweise. Tiefe Dankbarkeit durchströmt mich, weil ich im wahrscheinlich sichersten Land der Welt lebe (DANKE!!!).

Von Geld und Wirtschaft in Zeiten von Corona

Ich finde es spannend was passiert, wenn es zu einer Hyperinflation kommen sollte, weil die Zeit des „FIAT Money“ nun womöglich vorbei ist. Sicher kann ich dann meine Aufträge verlieren, kann verarmen und kann zumindest vorübergehend in Bedrängnis geraten, weil ich mir das Lebensnotwendigste nicht mehr leisten kann.

Habe sogar darüber nachgedacht, Vermögen in Waren anzulegen, die auf Schwarzmärkten gut funktionieren, doch nach einiger Recherche habe ich das wieder verworfen. Sollte mein Liquiditätspolster plötzlich weniger wert sein als ein Brot, dann ist das eben so.

Ich werde keine Goldbarren im Wald verscharren und ich werde mich nicht bewaffnen gegen Arme, die bei mir im Falle des absoluten Elends irgendetwas Brauchbares vermuten. Ich werde auch keine Aktien kaufen, weil mir das ganz einfach nicht liegt. Und weil ich glaube, dass beim großen Crash die Kleinanleger selbst bei Amazon und Microsoft in die Röhre schauen werden. Profiteure sind selten die Kleinen 😉

Welche Krisen und Stresssituationen sind möglich?

Für mich sind ganz allgemein die schlimmstmöglichen Szenarien Hunger, Folter und Kälte. Natürlich können emotionale Verluste auch zu tiefem Schmerz führen, doch solche (häufig erlebten) Katastrophen sind bei mir ganz woanders gelagert.

Ich habe keine Angst vor materiellem Verlust, so lange dieser nicht an das Existenzielle heranreicht. Ich habe keine Schulden, keine drückenden finanziellen Verpflichtungen, halte meine regelmäßigen Ausgaben relativ gering. Mein Anspruch an Luxus ist kaum vorhanden, Statussymbole bedeuten mir nichts. Alles was ich mir gern leiste, kann ich spontan kürzen oder streichen.

Zwischenmenschliche Krisen und Katastrophen

Jeder Mensch hat das Recht, mich zu meiden, abzulehnen oder auch, mich zu hassen. Genau so habe ich das Recht, mich von Menschen abzuwenden, wenn es einfach nicht mehr zusammen passt. Man kann mich nicht besitzen.

Ich bemühe mich, früh genug Anzeichen zu erkennen, wenn ein zwischenmenschlicher emotionaler Disput entsteht. Dann analysiere ich bestmöglich die Situation und meine Einstellung dazu. Ich entwickle Handlungsmöglichkeiten und bemühe mich, freundliche friedliche Lösungen zu finden.

Lieber Rückzug als Kampf

Rache ist nicht so meins, das weiß ich aus einem langen Leben mit vielen Bindungen, die durchaus einen Anfang und ein Ende hatten. Bemerke ich, dass eine Beziehung zerbrochen ist, entwickle ich Strategien, um mich zurückzuziehen und den Kampf zu vermeiden.

Das kann in einer Liebesbeziehung sein, in der Familie, im Beruflichen und/ oder im weiteren Umfeld. Sind Vertrauen und Harmonie verloren, ist Rückzug das Beste in meiner Welt. Da ich keine Angst vor Einsamkeit habe (Einzelkind), kann ich Trennungen gönnen. Und oft genug brauche ich Trennungen, um mich zu befreien aus fesselnden Ansprüchen oder dem unguten Gefühl, durch den Einfluss des betreffenden Menschen nicht mehr an mich zu glauben.

Mitgefühl

Ich persönlich habe keine Angst vor dem Tod. Die vier Kinder sind alle längst erwachsen und selbstständig, meine Eltern sind beide schon vor rund zehn Jahren gestorben. Da ich das große Glück hatte, sowohl Mutter als auch Vater beim Sterbeprozess bis zum letzten Moment begleiten zu dürfen, plagen mich keine Gewissensbisse. Ich fühle mich frei wie ein Jugendlicher. Ich lebe nun freiwillig.

Mein Mitgefühl für andere Menschen ist ausgeprägt, wenn ich oben benannte Handlungsimpulse empfinde. Erzählt mir etwa einer meiner (Ex-) Students, dass er oder sie Probleme hat, überlege ich, ob ich helfen kann und will. Bei mir ist es immer wichtig, dass Geben und Nehmen in einem guten Zusammenhang stehen.

Es macht mir riesigen Spaß, gemeinsam mit anderen Menschen Lösungen zu entwickeln. Das ist keine Arbeit für mich, das ist Vergnügen. Doch ich habe sehr feine Antennen um zu erkennen, ob jemand sich als „Opfer“ empfindet und Verantwortung bzw. Tatkraft an Andere delegiert. Da bin ich dann leider nicht die Richtige. Da bin ich raus…

Auf Belohnungen Richtung „Dankbarkeit“ lege ich keinen Wert. Ich möchte nicht, dass hilfsbedürftige Menschen bei mir Schulden machen. Ich empfinde keine Genugtuung, wenn ich mehr gebe als nehme. Alles was ich gebe, gebe ich aus meinem freien Willen heraus. Ist es getan, wird es vergessen. Niemand macht bei mir Schulden. Ich glaube, das gefällt den Menschen sogar. Das spüren sie.

Mitgefühl in Zeiten von Corona

Ich empfinde Wut und Mitgefühl, wenn ich lese, wie alte, vorerkrankte Menschen bei Lungenentzündungen an Beatmungsgeräte angeschlossen werden und unnötig gequält werden. Es dauert mich, wenn Tagelöhner und Wanderarbeiter in fernen Regionen zu verhungern drohen, weil sie nicht nach Hause können und weil sie einfach im Stich gelassen werden von den Profiteuren ihrer Arbeitskraft.

Ich empfinde auch Mitgefühl für meinen über siebzigjährigen Nachbarn, der zu Haue bleiben muss und der seine sozialen Kontakte sehr schmerzlich vermisst. Doch ich bin auch stolz auf ihn, da er sich nun damit zunehmend arrangiert, in Einsamkeit zurechtzukommen. Alle Achtung, das macht er großartig! Und wenn er mich und meinen Partner braucht, sind wir da. Wir sind in ständigem Kontakt.

Mitgefühl und Social Media

Ich bemühe mich, bei Facebook Tipps zu geben und in meinem Blog Beiträge zu schreiben, die eventuell Menschen helfen, die weniger kaltschnäuzig (resilient) sind wie ich. Ich will Trost bringen und Lachen, will aufmuntern und zeigen, dass es Handlungsoptionen gibt für seelischen Kummer und gegen die Angst.

Ich möchte ein bisschen abfärben mit meinem stets „halbvollen Glas“. Wünsche mir, dass auch andere Menschen erkennen, wie viel Gutes und Barmherziges uns umgibt in dieser wunderschönen Welt. Ja, das Leben ist gefährlich und es ist gut, sein Lebens-Gepäck so leicht zu halten wie möglich. Vertrauen ist vielleicht das kostbarste Gut der seelischen Gesundheit.

Jederzeit kann das Schlimmstmögliche passieren. Schmerz, Trennung, Bedrohung, Gewalt und existenzielle Not. Doch sind es nicht gerade diese schweren Schicksalsschläge, die uns in unserer Persönlichkeit wachsen lassen? Werden wir nicht sogar zu gefühllosen Monstern, wenn wir permanent in Wohlstand und Geborgenheit leben?

Ich persönlich habe in meinen sechzig Lebensjahren schon viele extreme Schicksalsschläge erlebt – und ich möchte keinen einzigen davon missen. Leid, Panik, Schuld und Ausweglosigkeit haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich bin so dankbar!

Resilienz ist nicht so wichtig…

Es wird viel geredet und geforscht dazu, was Resilienz ausmacht und ob man es trainieren kann. Ich hingegen denke, wir brauchen sie alle: Die Widerstandsfähigen, die Rebellen, die Mildtätigen, die Hochsensiblen und die Hilflosen. Jeder Mensch ist ein einzigartiges Kunstwerk, und kein Mensch gleicht dem Anderen. Ich bin immer wieder überwältigt davon, wie vielfältig wir sind und wie schillernd unsere Persönlichkeiten und unsere Fähigkeiten und Ausrichtungen.

Ich wünsche mir, dass die Ängstlichen und Verzweifelten stolz auf sich sein können, gerade weil sie so sind, wie sie sind. Wir brauchen gerade das Zarte, Empfindliche, Traurige und Bewahrende. Wir brauchen aber auch das Gedächtnis der Welt, das sich gerade bei denen bildet, die Vergangenes hüten. Wir brauchen die Skeptiker und die, die ihren Mitmenschen mit großem Misstrauen begegnen. Wir brauchen die Strengen und die, die nach Recht und Ordnung rufen und die in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen Euch alle!

Also versucht nicht, anders zu sein als Ihr seid. Respektiert Euch und liebt Euch, wie auch immer es Euch geht in der Corona-Krise. Nehmt Euch bewusst war und seid stolz darauf, wie Ihr seid. Nur wer sich selbst aus ganzem Herzen lieben kann, kann auch seinen Mitmenschen lieben. Resilient, depressiv, launisch, manisch, unverschämt, kampfbereit… egal. Wir sind ein bunter Haufen, und das ist wunderwunderschön.

 

 

 

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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