Was erzieht besser? Kritik oder Lob? Strenge oder Freiwilligkeit? Anweisungen oder Sinn?

Eltern und Bildungssysteme haben es nicht leicht in einer Welt, in der sowohl Bildung als auch Zerstreuung in überschäumendem Maße zur Verfügung stehen – und das alles in Echtzeit und ohne Anstrengungen. Einige Pädagogen befürchten, unsere Jugend könnte völlig verblöden und sich nur noch auf die Abrufbarkeit von Fakten im rechten Moment verlassen. Andere schwärmen davon was es bedeutet, wenn auch die Ärmsten und Rechtlosesten den Zugang zu Bildung und akademischen Würden erhalten – wenn sie nur ausreichendes Internet haben. 

Heute früh las ich einen spannenden Bericht in der ZEIT zum Schulsystem in Neuseeland. Dort werden die Kinder in der Grundschule bei ihrer Lust, ihrem Spieltrieb und ihrer Neugierde gepackt, um zu lernen. Lesen, schreiben, rechnen – Unterrichtsinhalte sind darauf ausgerichtet, die Kinder zum Lernen zu „verführen“. Der Entdeckergeist und Mitteilungsdrang soll ungezügelt ausgelebt werden.

Fehler werden auf eine Art korrigiert, die zu motivierenden „Aha-Erlebnissen“ führen anstatt zu der Annahme, man hätte versagt. Man feiert die Fehler und bringt den Kindern bei, Fehler als eine der wichtigsten Korrektursysteme des Lebens schätzen zu lernen. „Und wieder wächst das Gehirn ein bisschen“ wird eine Lehrerin zitiert, die den Fehler einer Schülerin anerkennend kommentiert.

Die Sehnsucht nach Selbstentfaltung und Verbundenheit

Neuseeland ist anscheinend bis heute durch das Wertesystem und den Glauben der Maori-Kultur geprägt. Auf der einen Seite treibt die Kinder an, sich frei zu entfalten wie ein Adlerjunges, aus der anderen Seite leben sie intensiv ihren Trieb nach Verbundenheit und teilender Gemeinschaft. Ich würde es „Liebe“ nennen: Liebe zu sich selbst und Liebe zu allem Lebendigen, das uns umgibt.

Whanaungatanga heißt diese Kraft in der Maori-Kultur, die zu leidenschaftlichen Engagement und selbstverständlichem Mitgefühl führt – und ganz sicher auch zu Mut und Selbstbewusstsein. Ich war beim Lesen total beeindruckt von den Lehrern, die sich ihrer Rolle als Steuernde und Formende bewusst sind und die sich ständig fortbilden müssen darin.

Alle drei Jahre müssen Lehrer ihre Lehrerlaubnis erneuern – was bedeutet, dass sie Fortbildungen nachweisen müssen. Diese finden selbstverständlich während der Arbeitszeit statt und nicht (wie in Deutschland) in der Opferung von Freizeit.

Das schulische Bildungssystem in Neuseeland wurde vor 40 Jahren grundlegend reformiert. Schulen verwalten sich seitdem selbst. In Regionen mit viel Wohlstand gibt es weniger Geld für Schulen – in Regionen mit weniger Betuchten gibt es mehr Geld vom Staat. Selbstverständlich ist die Bildung der Kinder und Jugendlichen Chefsache und wird zentral gesteuert. Also gibt es von „unten“ die Selbstverwaltung der Schulen in enger Zusammenarbeit von Lehrern und Eltern – und von „oben“ die gesetzliche und finanzielle Steuerung und Ausstattung mit den entsprechenden Ressourcen, um gute Arbeit leisten zu können.

Was mir besonders gut gefällt, ist die Anregung der Phantasie der Kinder. Vorstellungskraft und Kreativität sind das, was uns Menschen von Maschinen grundlegend unterscheidet. Mitgefühl und das Erlebnis von tiefer Verbundenheit ist das, was Zerstörung entgegenwirkt und den Planten heilen kann.

Was Lehrer geben? Ermutigung und Sinn

Ständige Ermutigung und der Glaube an die uns Anvertrauten sind Grundsätze, den jeden Pädagogen führen sollten bei seiner einflussreichen Berufung. Wer diesen Glauben verliert und beginnt, zwischen „guten“ Schülern und „schlechten“ Schülern zu unterscheiden, ist frustriert und wird anscheinend allein gelassen. Das ist in Deutschland leider der Normalfall. Lehrer zu sein ist längst kein Traumberuf mehr – bei immer mehr Verpflichtungen und Einschränkungen bleibt die eigentliche Berufung zur Freilegung von Begabungen und Tüchtigkeit auf der Strecke. Die Klassen sind unfassbar riesig – Überforderung ist der Normalfall.

Ich wünsche mir für Deutschland, dass wir immer mehr selbstverwaltete Schulen bekommen, die vom Staat finanziert werden und vor Allem Kindern offen stehen, deren Eltern sich keine teure Nachhilfe leisten können bzw. die finanziell nicht genügend ausgestattet sind, als dass ein Elternteil  selbst die Förderung des Nachwuchses zu übernehmen kann.

Ich wünsche mir Lehrer, die voller Phantasie und Mut und Spaß mit ihren Kindern Abenteuer erleben, bei denen man viel lernt. Ich wünsche mir viele Lehrer-Fortbildungen, die zeigen, wie man Neugierde, Disziplin, mitfühlende Gemeinschaft, Geduld und Triumph fördert. Wie man die Traurigen glücklich macht und den Frustrierten beweist, was für einzigartige Wunder sie doch sind!

Kinder sind unsere Zukunft!

Ich wünsche mir Kinder, die voller Tatendrang die Welt für sich erobern und die allein durch Spaß und Leistung den Berg erklimmen, den wir Leben nennen. Ich wünsche mir menschliche Seilschaften, bei denen die Vorderen vor Allem ihre Aufgabe darin sehen, den Nachzüglern die richtigen Schritte zu zeigen und sie unterstützen, weil sie sich ganz natürlich verbunden fühlen. Ich wünsche mir Kinder, die sich über den Erfolg der anderen genau so freuen können wie über ihren eigenen. Die nicht trennen sondern verbinden, nicht selektieren sondern hinzufügen.

Kinder sind unsere Zukunft, das hat man in vielen Ländern der Erde schon verstanden. Dabei führen viele Wege zu guten, effizienten Bildungssystemen. Ich wünsche mir, dass wir es auch in Deutschland schaffen, trotz unserer föderalistischen Schulsystems eine innovative, menschenfreundliche Schule zu schaffen, die uns alle zu Giganten werden lässt. Weil wir fleißig, motiviert, begeistert, empathisch und verbunden sind – und klug und kreativ und liebevoll – und weil wir unseren Körper gebrauchen können, um Werke zu tun. Jeder nach seinem Maß und seinen Ressourcen. Und alle gemeinsam. Ob ich das noch erleben werde in Deutschland?

Leseempfehlung: Zeitonline – Das Bildungssystem in Neuseeland „Gebt den Kindern einen Grund zu lernen“

 

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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