Wenn sich Menschen nach Menschen sehnen…

Zur Zeit erleben wir notgedrungen ein globales Experiment, dass wohl kaum jemanden völlig unberührt lässt: Was passiert, wenn wir außerhalb unserer Kernfamilie weitgehend auf menschliche Begegnungen verzichten müssen? Bei wem fördert das „Social Distancing“ psychische Belastungen? Und was kennzeichnet die viele Menschen, die regelrecht süchtig werden nach Einsamkeit und dem Rückzug ins Private? Kommen wir uns vielleicht dank der Corona-Krise ein wenig mehr selbst auf die Spur?

Social Distancing in Corona-Zeiten

Ich lasse jetzt einmal die ganz pragmatischen Konsequenzen der Einschränkungen außer Acht. Sicher wird es verheerende wirtschaftliche und finanzmarktpolitische Folgen geben, die sich nicht in wenigen Monaten auffangen lassen. Sicher werden überall auf der Welt die sozial Benachteiligten Leid und Tod erfahren, solange sie als ungeschützte Tagelöhner keine Verdienstmöglichkeiten mehr haben und keine Möglichkeit, sich an die Regeln des „Social Distancing“ zu halten.

Doch schauen wir in die Wohlstandsgesellschaften, in denen sich im Moment auch erst relativ wenige Menschen um ihre existenzielle Zukunft machen. Aber sie alle müssen persönlich Wege finden, um sich mit dem neuen Zustand zu arrangieren. Neue Hobbys entwickeln? Spirituelle Heilungswege probieren? Sich täglich mehrere Stunden lang von Streamingdiensten berieseln lassen? Heim und Garten immer weiter verschönern? Die Familie intensiv als Heimat wahrnehmen und genießen?

Kontemplation – innere Versenkung

Ich liebe den Begriff „Kontemplation“. Der Zustand der Kontemplation ist ein Zustand, in dem der Mensch ganz nach innen schaut – sich frei macht von äußeren Ablenkungen und in sich selbst versinkt.

Kontemplation setzt voraus, dass mensch in der Lage ist, sich dieser Innenschau bewundernd zuzuwenden. Es geht also nicht darum, Probleme zu analysieren und/ oder etwas kritisch zu bewerten. Es geht darum, voller Ehrfurcht und Dankbarkeit im Inneren zu fühlen, was wirklich von Bedeutung ist. Das muss nicht eine religiöse „Gottesschau“ sein – es kann auch einfach die Reduktion auf das sein, was unabhängig von Materiellem und individuellen Zielen besteht. Ruhe braucht man dafür, Ruhe und Demut.

Viele von uns erleben, dass wir es plötzlich genießen können, wenn alles um uns ruhig ist. Natürlich sind hier die Alleinlebenden im Vorteil. Sie haben sozusagen gar keine andere Wahl, als Kontemplation in ihr Herz zu lassen. Sie erleben zwangsläufig das Wunder der Stille – oder sie werden krank. Depressionen, Süchte, Psychosen – Stille ist gefährlich, keine Frage.

Familien und das Geschenk der Zusammengehörigkeit

Familien haben es zwar schwerer mit der Kontemplation – aber dafür erfahren sie häufiger dieses wundervolle Geschenk der loyalen Zusammengehörigkeit und der bedingungslosen Liebe. Eltern erfahren ihre Kinder neu in deren Einzigartigkeit, Partner entdecken wieder das, was außerhalb des bewältigten Alltags die Liebesbeziehung ausmacht. Familienangehörige werden kostbar. Sie retten vor der Angst, unbedeutend und nutzlos zu sein – gerade in Zeiten der Kurzarbeit. Natürlich kann auch diese erzwungene Zusammengehörigkeit krank machen: Streit, Gewalterfahrungen, Panik und Nervenzusammenbrüche… Sich nicht entziehen zu können, ist nicht nur im Tierreich gefährlich.

Was wird dieses Experiment für Ergebnisse zeigen?

Zur Zeit sind wir noch beschäftigt damit, uns laufend an neue Regeln zu gewöhnen und alles zu versuchen, um aus diesem unnatürlichen Zustand herauszukommen. Welche Ergebnisse das psychologische Experiment des „Social Distancing“ mit sich bringt, werden wir erst sehr viel später analysieren können.

Ich vermute, dass es auf jeden Fall ein Learning gibt, das sich auch langfristig auswirken wird. Auch wenn erfahrungsgemäß Ausnahmezustände schneller vergessen werden, als man so erwartet.

Was ich mir wünsche:

  • Menschen lernen, Einsamkeit zu genießen
  • Menschen lernen, Dankbarkeit für ihre Mitmenschen zu empfinden
  • Menschen lernen, dass Familie und Partnerschaft ein kostbares, unersetzbares Kleinod sind
  • Menschen lernen, dass man Geld nicht essen kann
  • Menschen lernen, dass Spiritualität zum Leben gehört

Mal sehen, ob ich recht habe und sich die qualitative Erfahrung menschlicher Begegnungen intensiviert. Mal sehen, ob sich sowohl Liebesbeziehungen als auch berufliche Beziehungen von mehr Respekt, Liebe und Wertschätzung durchziehen lassen.

Erkenntnis der Endlichkeit – Sehnsucht nach Menschen

Ich selbst gehe tatsächlich mit unglaublich dankbaren Gefühlen durch die Natur zur Zeit. Und auch all meine Begegnungen mit Menschen sind durchzogen von dieser Bewunderung dafür, wie kostbar „Leben“ ist – und wie vielfältig Menschen und ihre Gedanken sind. Ob sich so Menschen fühlen, die eine lebensbedrohende Erkrankung wie Krebs durchmachen? Ob es diese Erkenntnis der Endlichkeit ist, die zu Demut und Dankbarkeit führt? Ob diese Sehnsucht nach Menschen dazu führt, dass wir liebesfähiger werden und gutmütiger?

Angst vor dem Corona-Virus?

Ich muss gestehen, ich hatte nie wirklich Angst vor dem Corona-Virus. Zum Einen können mich die Zahlen nicht sonderlich beeindrucken – zum Anderen lebe ich ohne Vorerkrankungen relativ gesund und vermute, ich würde eine Infektion überstehen. Und wenn ich daran sterben würde – ok, mit 61 darf man vielleicht auch mal sterben – Kinder sind alle groß und selbstständig. Ich lebe nur noch freiwillig.

Aber ich genieße es, bei diesem globalen Change dabei sein zu dürfen. Persönlichkeitsentwicklung und Menschheits-Entwicklung finde ich extrem spannend. Als Naiv-Gläubige bin ich wie ein Kind auch heute davon überzeugt, dass irgendwann alles alles gut wird. Und dafür lebe ich. Ich wünsche jedem Einzelnen, dass er wie ich diese Dankbarkeit und Demut empfinden kann – und dass nicht Panik und das Misstrauen die Oberhand gewinnen.

Eure Eva

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert