Der Wahlkampf in den USA ist in aller Munde. Ich kann mich nicht erinnern, dass schon einmal ähnlich intensiv über einen US Wahlkampf berichtet wurde wie über diesen. Das ist aber gar nicht mein Thema im heutigen Artikel. Ich möchte mich auf einen bedenklichen Teil der Digitalisierung von Wahlkämpfen im Allgemeinen beziehen. Nämlich darauf, dass zunehmend sogenannte Bots das Ruder der digitalen Kommunikation in der Öffentlichkeit übernehmen.
Prominentestes Beispiel dieses Trends scheint der Brexit zu sein. Kurz vor der Abstimmung zum Austritt des Königsreichs aus der EU, suggerierten die Trends in den sozialen Medien, dass die Stimmung pro Brexit sei und beeinflussten so eventuell noch unentschlossene Wähler. Diese Tatsache wird durch eine Untersuchung von Tweets belegt, die allerdings nichts darüber aussagt ob der Einsatz von Chatbots in diesem Fall die Entscheidung Pro oder Kontra Brexit beeinflusst hat. Letztendlich ist es denkbar, dass eine große Anzahl an Tweets Pro Brexit mehr Brexit Gegner an die Wahlurnen gelockt und ggf. Brexit Befürworter eher dazu bewogen hat auf dem Sofa sitzen zu bleiben anstatt zu wählen (denn das Ergebnis steht ja so oder so fest). Denkbar ist aber auch, dass sich unentschlossene Wähler gar nicht erst zur Wahl begeben haben, weil sie der Meinung gewesen sind das ihre Stimme (egal wie sie abstimmen) kein Gewicht mehr hat.
Auch im aktuell stattfindenden US Wahlkampf scheinen Bots eine Rolle zu spielen. Das Online Tool Twitteraudit will berechnet haben, dass ca. 1/3 der Twitter-Follower von Donald Trump Bots sind. Demnach scheinen 4,6 Millionen Follower des umstrittenen Kandidaten automatisiert zu twittern. Dies trägt maßgeblich dazu bei, dass Trumps Stimme bei Twitter „lauter“ zu sein scheint als die seiner Gegnerin Clinton.
Aber auch Hillary scheint über eine beträchtliche Zahl (Schätzungen sprechen von 3,1 Millionen) Bots zu verfügen. Diese haben während des ersten TV Duells der beiden Kandidaten dafür gesorgt, dass ein sehr alter Tweet von Trump, in dem er nahelegt das die Erderwärmugn nicht real sein sondern eine Erfindung Chinas, zum am meisten retweeteten Tweet wurde.
Was bedeutet das aber nun für unsere Meinungsbildung? Wie gefährlich ist der Trend, Wahlbots einzusetzen tatsächlich? Und beeinflusst er den Ausgang von Wahlen?
Wenn wir darüber nachdenken, wie die digitalen sozialen Medien heute die Meinungsbildung beeinflussen, dann wird uns sicherlich schnell klar das dieser Trend durchaus die Gefahr birgt, dass sich unsere Meinung maßgeblich auf der Propaganda von Bots bildet. Journalisten nutzen oft – jedenfalls für kurzfristige Analysen und berichte, die sozialen Medien und verfolgen dort Trends die sie dann wiedergeben. Das ist vollkommen natürlich. Es führt allerdings dazu, dass ggf. die Nachrichten eher wahrgenommen werden die von besonders vielen Bots verbreitet werden. Denn so einfach erkannt man auf die schnelle gar nicht, welche Nachrichten automatisiert verfasst wurden und hinter welchen Meinungen tatsächlich ein Mensch steckt.
Gewinnt also in Zukunft der Kandidat der den besten Algorithmus zur Verfügung stehen hat? Wie kommt man als Kandidat an möglichst viele Bots, die die eigenen Aussagen verstärken und ggf. sogar untentschlossene oder gar gegnerische Wählergruppen suggestiv beeinflussen? Hier scheint Geld (noch) keine größere Rolle zu spielen. Denn unbestritten ist, dass im US Wahlkampf zunächst das Team von Donald Trump verstärkt Bots erfolgreich einsetzte. Und Trump ist nicht der Kamdidat mit dem höchsten Wahlkampf Etat.
In der Zukunft ist allerdings durchaus denkbar, dass ein Teil des jeweiligen Wahlkampfbudgets in die Entwicklung und den Betrieb entsprechender Bot-Netzwerke investiert wird. Wie wir uns alle denken können, spielt besonders bei der Entwicklung und Weitereintwicklung digitaler Technologien Geld eine Wesentliche Rolle. Wer viele besonders intelligente und somit teure Entwickler beschäftigt, hat schnell die Nase vorn.
Aber hat Geld nicht immer schon unsere Wahlentscheidungen beeinflusst? Und verlagert sich dieser Trend nicht einfach nur von einer großen Anzahl gedruckter Plakate, aufwendigen Kampagnen und Kommunikationsmaßnahmen hin zu digitalen Instrumenten? Ja, aber das gilt nur dann wenn jedem Nutzer klar ist, welcher digitale Account zu wessen Bot Netzwerk gehört oder ggf. doch von einem Menschen betrieben wird. Dies zu erkennen ist aber im Grunde genommen für den einfachen User nicht möglich. Somit handelt es sich um Beeinflussung in einem Maße, dass normale Wahlkämpfe so nicht kennen.
Wie könnten wir alle diesem Trend entgegen wirken? Der eigentlichen Handlung von Wahlkämpfern haben wir sicherlich nichts entgegen zu setzen. Was wir aber tun können, ist uns immer wieder bewusst zu machen das heute vieles möglich ist und das wir immer alles mit gesundem Menschenverstand hinterfragen und einordnen sollten. Niemals sollten wir uns in diesen Zeiten von einer oder wenigen Nachrichtenquellen abhängig machen. Eine gesunde Einordnung braucht viele Quellen. Das was uns in der Vergangenheit die freie Presse ein Stück weit abgenommen hat, müssen wir Medienkonsumenten selber immer stärker in die Hand nehmen.
Unsere Presselandschaft sollte genau solche digitalen Trends wie es der Einsatz von Bot-Technologien ist, zum Anlass nehmen endlich breite digitale Kompetenz abseits des Versuchs neue Vertriebswege zu erschließen aufbauen. Und unsere Politiker sollten, im Interesse der Demokratie, endlich alles Digitale ernsthaft in unsere Bildungslandschaft und sämtliche Maßnahmen zur gesellschaftlichen Aufklärung aufnehmen. Nur dann haben alle Wähler die Chance, in Zukunft dem Versuch digitaler Einflussnahme etwas entgegen zu setzen!