Die Gästeauswahl ließ es bereits vermuten. Denn wer „Experten“ wie den Psychologen Manfred Spitzer kennt und sieht wer mit Sascha Lobo, Christian Lindner und Bernhard Rohleder sonst noch zu Gast gewesen ist, konnte einfach gar nicht anders als mit Krawall zu rechnen. Zu gegensätzlich die bekannten Standpunkte. Zu (mit verlaub gesagt) dämlich die Aussagen des einen Experten der mit der Thesen auftrat „Wir müssen junge Menschen vor digitalen Medien schützen.“
Richtig ist: wir müssen uns als Gesellschaft und jeder Erziehungsberechtigte muss sich für sich selber Gedanken darum machen, wie wir alles digitale an unsere Kinder heranführen. Es nutzt gar nichts (!!) irgend etwas von unseren Kindern fern halten zu wollen. Es hilft auch nicht, alles digitale zu verteufeln. Unsere Gesellschaft ist längst in weiten Teilen digital. Unsere Kinder haben das Recht darauf, an diesem Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens teilzuhaben. Eltern, Erzieher, Lehrer und Bildungspolitiker sind eben (so schwer ist diese Erkenntnis gar nicht zu greifen) dazu verpflichtet, diese Teilhabe in Verantwortungsvoller Art und Weise zu ermöglichen.
Warum haben „wir Erwachsenen“ denn eigentlich so eine Angst vor allem digitalen, wenn es unsere Kinder betrifft? Liegt es vielleicht daran, dass wir zwar alle die vielen Vorteile nutzen, aber gar nicht richtig verstehen was die Konsequenzen einer immer digitaleren Welt sind? Ich vermute, dass es genau so ist. Immerhin beobachte ich gerade bei denen, die zwar konsumieren aber nicht verstehen eine Haltung die oft in Aussagen wie „Mein Kind braucht keinen Computer. Wir haben früher schließlich auch draußen unseren Spaß gehabt.“ münden. Traurig. Aber wahr.
Wenn wir aber als Erwachsene gar nicht verstehen, was die digitale Revolution gerade in Bezug auf lernen und Medienkonsum ermöglicht, warum fühlen wir uns dann berufen diese Dinge zu verteufeln? Herr Spitzer referierte am Sonntag bei Anne Will lange. Ohne aber differenziert darstellen zu können, warum seiner Meinung nach Kinder bis mindestens zum 14ten aber besser noch bis zum 16ten Lebensjahr komplett von digitalen Medien ferngehalten werden sollten. Versuche, seine wilden Aussagen mit Inhalt zu füllen oder ihn einfach nur zu unterbrechen, ließ er abblitzen. Christian Lindner stellte daraufhin treffend fest „Verzicht auf digitale Medien führt nicht zu besseren Umgangsformen.“
Eigentlich sehe ich mir die Sendung von Anne Will gar nicht an. Zu viel Theater, zu wenig Inhalt. Beim Thema Digitalisierung konnte ich aber nicht anders. Der Auftritt der einzelnen Gäste ließ mich dann weiter schauen. Ein bisschen war es wie vorgezogenes Halloween. Gruselig, was sich mancher selbsternannte Experte so ausdenkt.
Was wirklich schlimm sein dürfte ist, dass bei dem einen oder anderen Zuschauer die Thesen des Herrn Spitzer hängen geblieben sein dürften. Was das jetzt für deren Kinder und Enkel bedeutet, will ich mir gar nicht ausmalen. Unterm Weihnachtsbaum wird dieses Jahr wohl kein neues Tablett zu finden sein. 😉
Um ehrlich zu sein, ich habe nach vielleicht 20 Minuten abgeschaltet. Eine Diskussionskultur, in der Standpunkte verteidigt werden, um Recht zu behalten, gefällt mir nicht. Gerade in der Frage, wie Menschen (nicht nur Kinder) an den digitalen Wandel herangeführt werden sollen, erwarte ich den Willen von allen, ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Ideen in einer Weise einzubringen, die einen konstruktiven Dialog erlauben.
Bei einem Wissenschaftler, wie Herr Spitzer es sein möchte, erwarte ich die Erkenntnis, dass alles, was er bis jetzt herausgefunden hat, ein Abbild dessen ist, was passiert ist. Auf der Basis seiner Erkenntnisse hätte ich eine Strategie erwartet, wie man Kinder besser den richtigen Umgang mit den neuen Medien lehrt. Wenn man den Kindern die neue digitale Welt vorenthält, werden sie auch als Vierzehnjährige nicht mündig damit umgehen können.
Die Diskussion war für mich nicht ertragbar.
Was mich an der Diskussion am meisten stört ist der Unwille, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Sind Kinder aus Kulturen, die selbstverständlich mit digitalen Werkzeugen umgehen, tatsächlich Kindern unterlegen, die bis 14 (bis 14!!) in einer rein analogen Welt leben? Oder sind die analogen Kinder mit dem bisherigen Kulturbegriff reiner, gesünder, mitfühlender? Für mich ist die Spitzer-Ansicht schon ein ganzes Stück rassistisch, und das ärgert mich ungemein, wie jede Art von Rassismus.
Da müssen wir wohl auf die Medienkompetenz aller Erziehungsberechtigten vertrauen.Die wissen hoffentlich einzuordnen, dass ein Experte nicht nur deshalb Experte ist weil er ein Buch geschrieben hat. Misstrauisch muss man ja schon werden, wenn einer alle anderen „platt labern“ will, weil er keine echten Argumente hat.