Ist die Digitalisierung nun ein Jobkiller oder nicht?

Heute geistert eine Aussage durch die Medien, die augenscheinlich belegt, dass die Digitalisierung nicht der Jobkiller ist den viele in ihr vermuten. „Noch nie war das Risiko so gering, arbeitslos zu werden“ titelt der Focus. Aber besteht dort ein Zusammenhang oder taugen die zu Grunde liegenden Zahlen einfach nicht als Beweis, dass die Digitalisierung Jobs killt?

 

 

Experten meinen, dass sich die Auswirkungen der Digitalisierung im Rahmen des üblichen Strukturwandels bewegen werden. Als Beleg dafür, dass trotz Digitalisierung keine Jobs wegfallen, zieht der Autor des verlinkten Focus-Artikels die Jobsituation im Siemenswerk Amberg heran. Dort arbeiten trotz starker Automatisierung weiterhin 1250 Menschen. Diese produzieren aber heute 8 mal soviel wie früher. Das diese Spirale nicht unendlich weitergedreht werden kann, dürfte jedem von uns klar sein. Wenn die immer stärkere Digitalisierung auch zu höherer Produktivität führt, führt sie eben noch lange nicht zu immer höherer Nachfrage. Wo sollen also die Menschen herkommen die 8, 16 oder 32 fache Produktionsmengen konsumieren?

Ich bin kein Pessimist. Trotzdem sehe ich tatsächlich die Gefahr, dass die sich aktuell stark beschleunigende Digitalisierung der Wirtschaft zu Herausforderungen am Arbeitsmarkt führen wird. Deshalb sollten wir uns als Gesellschaft Gedanken dazu machen, wie wir den Umbau der Arbeitswelt bewältigen können und wie wir möglichst viele Menschen „mitnehmen“.

Wie können aber Maßnahmen aussehen, die den Wegfall von Arbeitsplätzen abfedern und gleichzeitig das Konsumverhalten stabil halten oder sogar ankurbeln? Meiner Meinung nach sollten wir dringend über den Umbau unseres Sozialsystems sprechen. Die Verknüpfung von Arbeit und Einkommen in der heutigen Form wird in naher Zukunft nicht mehr zeitgemäß und funktional sein. Wir benötigen zumindest eine teilweise Entkopplung dieser Komponenten. Am ehesten ließe sich dies durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen realisieren, dass deutlich über dem aktuell als Existenzminimum definierten Satz liegt.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen beinhaltet für mich immer auch die Möglichkeit, das eigene Einkommen durch Arbeit zu erhöhen. Und zwar in einem Maße das zur individuellen Qualifikation und dem eigenen Willen zu arbeiten abhängt. Es würde sich also nicht um eine 100%ige Entkopplung von Einkommen und Arbeit handeln. Jeder der lieber viel Freizeit hat oder seine Arbeitskraft in gesellschaftlich und sozial relevante Bereiche ohne hohes Einkommen investiert, hätte dennoch die Möglichkeit sein Leben frei zu gestalten ohne der Wirtschaft zuviel Konsum zu entziehen.

Das Nachdenken über neue Konzepte lohnt sich. Wie diese am Ende aussehen, das sollten wir offen und transparent diskutieren.

Als Vertriebsspezialist, Social Media Kenner und Experte des digitalen Wandels schreibt Dennis Arntjen jede Woche Beiträge rund um die Digitalisierung des Mittelstands. Gemeinsam mit Eva Ihnenfeldt leitet Dennis Arntjen das Unternehmernetzwerk KMU Digital. Dort ist er verantwortlich für die Mitgliederbetreuung, den Vertrieb sowie verschiedene Themen rund um die Organisation von Veranstaltungen.

www.kmu-digital.net

One thought on “Ist die Digitalisierung nun ein Jobkiller oder nicht?

  • Reply Lars-Thorsten Sudmann 11. Januar 2017 at 09:53

    Hallo Dennis,
    danke für den Artikel von Dir, auf den ich eingehen möchte. Ich glaube, das die zu Grunde liegende Aussage mal auseinander genommen werden muss und sich dann widerlegt.

    Fangen wir daher erst einmal vorne an: Was heißt eigentlich Digitalisierung?

    Hier gibt es mehrere Bedeutungen und Wertungen, die man verstehen muss (hier abgeleitet aus dem aktuelle Buch Silicon Valley von Christoph Keese :
    1. Der Grad in dem ein Produkt auf analoge oder digital Methoden zugreift.
    2. Der Grad der Vernetzung eines Produktes mit der Umwelt.
    3. Die Art und Weise, in der Produkte mit dem Bediener interagieren.
    4. Der Grad in dem Prozesse an die digitalen Möglichkeiten angepasst worden sind.
    5. Der Grad, zu dem neue Geschäftsmodelle aufgegriffen werden, die nur mit digitalen Mitteln möglich und mit fortschreitender Technik umsetzbar sind.

    Bei allen Punkten kann Deutschland besser werden, die wirkliche Gefahr für Arbeitsplätze geht aber maßgeblich von den Punkten 3 und insbesondere 5 aus. z.B. selbstfahrende Autos sind erst einmal primär dem Punkt 3 zuzurechnen, werden aber den Nutzern des Fahrzeuges neue Möglichkeiten bieten und bestehende Branchen wie z.B. die Logistik mit Punkt 5 disruptiv verändern.

    Alle 5 Punkte zusammen genommen bedeuten z.B. für die Automobilbranche eine große disruptive Veränderung mit massiven Auswirkungen auf die Lieferketten, da zukünftige Fahrzeuge technologisch und bedienungstechnisch sich massiv verändern werden und aktiv in den gesamten Produktentstehungsprozess und die Lieferkette eingreifen. Wir haben 2008/2009 gesehen, was die Finanzkrise mit den Lieferketten gemacht hat und wie wir Kurzarbeit flächendeckend einführen mussten, da die Strukturen sich nicht dynamisch anpassen konnten.

    Ich für meinen Teil sehe daher Deutschland in einer Krisensituation, die ich folgendermaßen begründen möchte:
    1. Wir sind in Deutschland schlecht, was die effiziente und mit hoher Geschwindigkeit durchzuführende Softwareentwicklung angeht. Wir brauchen viel zu lange, um Produkte auf den Markt zu bringen und reagieren nicht schnell genug auf Trends und Erwartungshaltungen von Konsumenten.
    2. Wir haben eine massive Abwehrhaltung gegenüber der Cloud, nutzen Sie aber bereits überall, wo wir Dienste in Anspruch nehmen (mytaxi, amazon, spotify, netflix, …).
    3. Wir haben in Deutschland kein Verständnis für das Investment in immaterielle Güter wie Softwareprodukte in der Cloud. Ich selbst erfahre das immer wieder am eigenen Leib.
    4. Wir sind im Job viel zu phlegmatisch, neue Arbeitsweisen und Technologien zu nutzen und wollen immer weitermachen wie bisher (höre ich seit 2 Jahren ständig während meiner Vertriebsarbeit bei KMU und Konzernunternehmen).

    Es gibt noch viele andere Punkte, die ich ausführen könnte, belasse es aber mal dabei. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass das Geschäft mit digitalen Produkten, die immer mehr in die Realwelt greifen, ständig zunimmt und wir in Deutschland uns hier massiv zurückhalten und abhängen lassen. Es ist daher für mich eine Frage der Zeit, wann wir Zulieferer der digitalen Welt mit physischen Produkten sind und zum Baugruppenlieferanten verkommen, der nach der Nase der OEM’s aus dem Silicon Valley, Israel, China, etc. tanzen wird. Spätestens wenn wir da angekommen sind, wird es dünn für uns.

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