Wortwörtlich übersetzt bedeutet „Customer Journey“ die „Reise des Kunden“. Auch wenn dieser Begriff üblicherweise im E-Commerce verwandt wird, ist er allgemein gedacht. Ob ich mich für einen Anwalt oder Arzt entscheide, ob ich in einer Boutique eine Bluse kaufe, ob ich mich und meine Familie im Supermarkt mit Konsumgütern versorge – es gibt immer eine Reise des Kunden: Von der ersten Erwähnung bis zur treuen Wiederkomm-Kaufkultur – haben Sie schon einmal über die Customer Journey Ihrer Kunden nachgedacht?
Customer Journey – Fall 1: Mein alter Laptop kommt in die Jahre. Ich denke (vielleicht angeregt durch Fernsehwerbung oder die Begegnung mit einem Laptop der neusten Generation im Offline-Leben) ab und zu darüber nach, ob ich mir in absehbarer Zeit einen neuen Laptop kaufen sollte.
Je häufiger ich Berührungspunkte mit (aktuellen) Laptops habe, desto mehr bildet sich in mir der Wunsch nach einem Kauf. Ich nehme Laptop-Werbung bei Facebook wahr, auf anderen Websites, über Fernsehen, Print und womöglich auch Rundfunk. Ich führe Gespräche mit Freunden über die Leistungsfähigkeit deren Laptops.
Ich beginne, mich gezielt über Laptops zu informieren. Ich lese Testberichte, Erfahrungsberichte, gehe zu Preisvergleichsseiten, informiere mich immer mal wieder – noch ohne konkrete Kaufabsicht.
Nachdem ich viele Informationen gesammelt habe und das Gefühl, genug über das Produkt, die Preise und den Markt zu wissen, schreite ich bewusst zum Kauf. Ich wähle entweder einen Online-Händler aus oder einen Handel im Offline-Leben. Meine Wahl wird beeinflusst durch den Wunsch, ein echtes Kauferlebnis zu erfahren, durch den günstigsten Preis, Empfehlungen und Bewertungen, die Marke, den Service, die besten Lieferbedingungen, das Bedürfnis, vor dem Kauf selbst das Produkt testen zu können. Je nach Vorliebe entscheide ich mich für einen der beiden Kanäle: Online oder offline.
Customer Journey Fall 2: Ich fühle mich unwohl. Jemand hat mir einen emotionalen Schlag versetzt, ich bin getadelt, missachtet, zurückgewiesen, verletzt worden. Ich surfe auf Facebook in meiner Timeline, um mich abzulenken und mir ein bisschen Rückhalt von meinen Freunden zu holen – zum Beispiel über witzige Sprüche oder Videos. Ab und zu sehe ich eine Facebook Werbung für Schuhe. Ich klicke manchmal darauf und nehme das Produkt ebenso nebensächlich wahr wie die vielen Posts bei Facebook.
In den folgenden Tagen (es geht mir schon wieder gut, die Stimmung hat sich gewandelt) bemerke ich auf Webseiten mit integrierter Werbung immer mal wieder die Schuhe, die ich bei Facebook angeklickt hatte. Auch ähnliche andere Schuhmodelle werden eingeblendet. Ich klicke auf die Schuhe, weil ich neugierig bin, was sie wohl kosten und wie die Qualität ist. Ob es Bewertungen gibt?
Die Schuhe winken von verschiedenen sozialen Netzwerken, Nachrichtenseiten und Webseiten aus. Ich gebe die genaue Artikelbezeichnung bei Google ein und vergleiche die Preise der verschiedenen Anbieter. Ich gehe auf die Shopseiten und mache unterschiedliche Erfahrungen: In dem einen Onlineshop kann ich die Schuhe mit der Maus drehen, lese eine emotionale Artikelbeschreibung und habe direkt relativ große Abbildungen, in dem anderen Onlineshop sind „meine“ Schuhe relativ klein, es gibt nur statische Bilder – mit einer sehr nüchternen Artikelbeschreibung.
Ich entscheide mich nach vielen Wiederholungen und Berührungspunkten zum Kauf. Dabei sind folgende Punkte entscheidend dafür, wo ich einkaufe: 1. Wo ist der günstigste Preis 2. Wo ist die persönlichste, freundlichste Ansprache 3. Wie viele Kundenbewertungen gibt es 4. Wie ist der eigentliche Kaufprozess? Ist es komfortabel, bei dem Anbieter einzukaufen? Gibt es kostenfreie Lieferbedingungen? Wird der Wunschzettel über längere Zeit gespeichert oder muss ich bei jedem Besuch von vorn anfangen? Gibt es eine Echtzeit-Kaufberatung? 5. Ist in meiner Nähe ein Offline-Geschäft, wo ich die Schuhe hinliefern und anprobieren kann?
High Involvement und Low Involvement
Die beiden Fälle zeigen unterschiedliches Kaufverhalten und eine unterschiedliche Customer Journey je nach Produkt. Bei einem technischen Produkt steht häufig am Anfang der Customer Journey die Entscheidung, sich nach einem geeigneten Produkt umzuschauen. Bei Käufen, die geprägt sind von intensivem Informationsbedarf und (zumindest subjektiv wahrgenommenen) objektiven Kaufkriterien spricht man von „High Involvement“. Je höher der Kaufwert, desto höher die Auseinandersetzung mit dem Produkt – ganz extrem dann beim Auto oder beim Hauskauf.
„Low Involvement“ ist am stärksten zu finden bei Produkten aus dem alltäglichen Bedarf: Waschmittel, Salz, Milch… Man macht sich keine Gedanken über den Preis oder den Service, man kauft ohne darüber nachzudenken. Schuhe sind gerade bei Damen ein sehr emotionales Produkt, man kauft zwar spontan Schuhe, um sich zu belohnen, ist aber sehr empfindlich gegenüber Kritik und Enttäuschung. Das Involvement ist also nicht so rational begründet wie bei einem technischen Produkt, doch auf einer anderen Ebene durchaus „high“. Schuhe vermitteln Glück und Selbstliebe beim Kauf.
Die Customer Journey online und offline
Dank der digitalen Daten ist es heute möglich, viel mehr über den Kunden und seine Reise zum Produkt zu erfahren. Warum besucht er/sie den Point of Sale, wie verhält er/sie sich dort, wie oft kommt er/sie wieder, bevor er/sie sich entscheidet, was gibt letztendlich den Ausschlag für den Kauf?
Auch für Offline-Händler, Gadstronomen und Dienstleister lohnt es sich, sich über die Customer Journey ihrer Kunden Gedanken zu machen. Denn bei jedem einzelnen Berührungspunkt gibt es Möglichkeiten, stimulierend einzugreifen und das Vertrauen zum Kauf zu stärken. Ob es das Schaufenster ist, die Menükarte, das Praxisschild, ob es die Website ist, der Online-Shop, die Beratung im Laden, der Service oder die allgemeinen Kommunikationskanäle – gehen Sie im Geiste mal verschiedene Customer Journeys Ihrer Kunden durch – es lohnt sich für die Optimierung Ihrer Marketing-Strategie!
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