5 Fragen an Nicolas Scheidtweiler: Pressearbeit und PR in Zeiten des digitalen Wandels (Video)

Nicolas Scheidtweiler hat sich mit dem Unternehmen „Scheidtweiler PR“ und seiner umfassenden mehrwertorientierten Internet-Präsenz deutschlandweit einen Namen mit der Ausrichtung von Public Relations hin zu Neuen Medien und Social Media gemacht. Der erfahrene PR-Experte hat unter anderem einen Lehrauftrag für Medientheorie an der Hochschule Bremerhaven. Nicolas Scheidtweiler ist aktiv auf allen relevanten Social Media-Kanälen und beantwortet im folgenden Interview fünf Fragen zum Thema, wie Digitalisierung die PR-Arbeit verändert.

SteadyNews: Wie beurteilst Du PR im digitalen Wandel? Was hat sich durch den Einfluss des Internets und der interaktiven Kommunikation in der Öffentlichkeitsarbeit geändert?

Nicolas Scheidtweiler: Ich beziehe mich grundsätzlich gern auf das Modell von Grunig/Hunt. Früher gab es auf der ersten und zweiten Stufe das Absender-Empfänger- Modell, so dass ein Absender (das Unternehmen) Informationen an einen Empfänger weitergab. Der Empfänger stand dabei eine Stufe unter dem Sender. Später kam die reflektierte Öffentlichkeitsarbeit hinzu, man kümmerte sich in dieser Stufe darum, wie die Information beim Empfänger ankommt, zum Beispiel mit Mitteln der Marktforschung. Nun sind wir auf Stufe 4, wo der Empfänger als „Prosument“ eine andere Erwartungshaltung hat und auf Augenhöhe wahrgenommen und als Dialogpartner respektiert werden möchte.

Problematisch ist, dass man durch diese Änderung PR ganz neu betrachten muss. Vor zehn Jahren gab es noch die klassische Öffentlichkeitsarbeit, planbar und kontrollierbar, mit klarem Botschaften aus Sendersicht, doch das hat sich grundsätzlich geändert. Für manche klassische PR-Beauftragten ist diese Veränderung sehr problematisch.

7 Tage die Woche 24 Stunden bereit zu stehen ist schwierig, keine Frage. Wer beobachtet die Kanäle nach 17 Uhr und am Wochenende? Wie funktioniert Krisenkommunikation? Sicher werden so genannte „Shitstorms“ häufig überbewertet, doch geregelt muss es sein.

Das komplette Video bei YouTube – 18 Minuten dichtes Wissen

SteadyNews: Der Beruf des Pressesprechers/ Pressereferents war traditionell geprägt von vorsichtiger Diplomatie gegenüber der Öffentlichkeit – und intensiver Beziehungspflege zu Gatekeepern, allen voran der Presse. Welche Fähigkeiten braucht ein Pressesprecher in der heutigen Zeit?

Nicolas Scheidtweiler: Der Pressesprecher muss immer noch in der Lage sein, Beziehungen zu Multiplikatoren – vor Allem zu Journalisten – zu pflegen. Doch der Pressesprecher ist nur ein Teil der Unternehmenskommunikation. Die Frage ist, wer leitet die Unternehmenskommunikation? Wer trägt sie strategische Verantwortung? Das wird sicher nicht der Pressesprecher sein, der zum Beispiel Schwierigkeiten haben könnte, sich auf die Bedürfnisse der Blogger Relations einzulassen.

Vorsichtige Diplomatie – soweit ich mit diesem Begriff überhaupt etwas anfangen kann – ist heute sicher weniger wichtig als früher. In den neuen Medien geht es darum, sich klar zu positionieren. Diplomatie ist da weniger relevant, da ich stets in Gefahr bin, im Kampf um die Aufmerksamkeit in der Masse zu verschwinden, wenn ich nicht „klare Kante“ zeige. Eine deutliche Positionierung ist wichtig, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Sprache eines Pressesprechers war traditionell eher glattgebügelt, mit dem Vorstand musste das Bild nach außen abgesprochen werden. Social Media hingegen setzt eine erkennbare Persönlichkeit voraus. Der Dialog muss authentischer sein, kein Pressebild, es muss wirken wie ungeprüft.

SteadyNews: Content-Marketing ist ein Schlüsselwort in Bezug auf Suchmaschinenoptimierung, Informationspolitik und Netzwerkpolitik geworden. Siehst du crossmediales Content-Marketing eher in der PR oder in der Marketing-Abteilung angesiedelt?

Nicolas Scheidtweiler: Content-Marketing ist für mich „Alter Wein in neuen Schläuchen“ – denn Aufgabe der PR war es schon immer, wertvollen Inhalt für die relevanten Zielgruppen zur Verfügung zu stellen – PR darf nicht zu werblich sein. Ich sehe mit Bedauern, dass Fachartikel manchmal sehr werblich geschrieben werden – und das ist dann kein Content-Marketing, sondern Werbung. Marketing setzt sich ja aus drei Bereichen zusammen: Werbung, PR und Lobbyarbeit (abgesehen von den anderen 3 P’s). Content-Marketing muss in diesem Dreiklang ganz klar bei der PR-Abteilung liegen, nur dort kann die gesamte Geschichte erzählt werden.

Im Sinne des Multichannel-Marketings muss man genau wissen, wie man Inhalte mit den technischen Möglichkeiten der Neuen Medien kombiniert. Ein guter PR-Experte muss Technik verstehen, unterschiedliche Online-Kanäle und CM-Systeme kennen, Conversion-Optimization, Werbeformate, Facebook Ads, Google Adwords etc. müssen verstanden sein. Das sind viel komplexere Anforderungen als früher, und diese Anforderungen liegen ganz klar bei der PR-Abteilung.

SteadyNews: Was wünscht Du Dir für die akademische Ausbildung im Bereich PR/ Öffentlichkeitsarbeit? Was müsste sich im Studium ändern?

Nicolas Scheidtweiler: Es gibt schon sehr gute Studienlehrgänge, z.B. in Hannover und Lingen (im Emsland) – da gibt es nicht auszusetzen, wirklich sehr gut. Doch in Studiengängen wie Medienwissenschaften und Medientheorie lässt die Ausbildung gerade in Bezug auf die Praxis doch sehr zu wünschen übrig. Ich erlebe sogar Praktikumssuchende die im Vorstellungsgespräch sagen, sie lehnen Facebook ab, kennen kein Google+ und haben keine Erfahrung mit Twitter und YouTube. Das geht natürlich gar nicht. Man muss es ja nicht privat nutzen, doch für den professionellen Umgang mit Neuen Medien sind diese Erfahrungen Voraussetzung.

Es gibt also einige gute Beispiele wie Hannover und Lingen, doch gerade bei Medienwissenschaften, Journalistik, Medientheorien gibt es starken Nachholbedarf. Studenten sollten unbedingt Praktika sammeln, um sich in die Praxis einzuarbeiten. Toll wäre, wenn ich mal einen Studenten oder eine Studentin erleben würde, die einen Blog haben, in dem sie ihre Erfahrungen mit dem Studium thematisieren.

Ansonsten empfehle ich Studierenden und Absolventen PR-fremder Studiengänge, Weiterbildungen im Bereich Social Media und „PR mit Neuen Medien“ zu absolvieren, um Praxisbezug zu bekommen. Da gibt es ja heute eine große Palette an Anbietern, da kann man sicher das Passende finden. Studierende sollten Spaß am Umgang mit Neuen Medien haben. Und Facebook, Twitter und Youtube sind auf jeden Fall wichtig für diesen Praxisbezug.

SteadyNews: Kannst du unseren Lesern noch persönliche Tipps aus Ihrer Erfahrung geben? Woraus sollten Unternehmen achten bei „PR im digitalen Wandel“? Was können wir alle vom Erfolg von „Scheidtweiler PR“ lernen?

Nicolas Scheidtweiler: Von meiner Strategie Scheidtweiler PR kann man vielleicht lernen, dass man alle Kanäle ausprobieren sollte. Wenn wir über Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinen-Marketing und Conversion-Optimization sprechen, muss ich Erfahrungen damit haben. Ich muss wissen, wie die Kostenstrukturen sind, ob sich Online-Marketing für ein Unternehmen und/ oder ein Produkt wirklich lohnt. Mein Anspruch an mich selbst – aber auch an andere PR-Agenturen -ist, dass man immer wieder ausprobieren muss, was sich in den Neuen Medien lohnt.

YouTube sollte auf jeden Fall in die Unternehmenskommunikation eingebunden werden. Anleitungen, Gebrauchsanleitungen und viele andere Dinge kann man viel schöner erklären, wenn es ein Video dazu gibt. Auch bei der Mitarbeitergewinnung kann ich mit einem Video häufig viel schöner als mit einer Stellenanzeige vermitteln, was ein Arbeitgeber bietet . Digitale Medien bieten viele Möglichkeiten, doch man muss abschätzen, ob sich die Kosten hierfür rechnen, denn gerade der Zeitaufwand ist nun mal intensiv.

Vielen Dank für diese wichtigen Ausführungen und Beantwortung der Fragen, und vielen Dank für die Website http://www.scheidtweiler-pr.de, die mit Blog und vielen anderen Social Media-Kanälen wertvollen weiteren Content für Interessierte liefert. Eines ist wohl nun langsam Jedem klar: PR ist im digitalen Zeitalter weit mehr als Pressearbeit…

Nicolas Scheidtweiler im Interview mit SteadyNewsNicolas Scheidtweiler
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