Cross Selling: wie Banken Kundendaten nutzen, um weitere Produkte zu verkaufen

Der Begriff „Cross Selling“ kommt tatsächlich ursprünglich aus dem Bankwesen. Gemeint ist die Kunst, den Kunden eines Unternehmens (also z.B. einer Bank) weitere Produkte zu verkaufen: eine Lebensversicherung, einen Kredit, eine Immobilie etc. Zwar wird heute „Cross Selling“ auch außerhalb der Finanz- und Versicherungsbranche vielfältig genutzt, doch das folgends aktuelle Beispiel der Hamburger Sparkass (Haspa) zeigt, wie man Kundendaten nutzen kann, um gezielt den Vertrieb zu fördern.

Seit Anfang November 2010 steht die Hamburger Sparkasse öffentlich in der Kritik. Der NDR hatte offengelegt, dass das Finanzhaus die Daten seiner Kunden analysiert hatte, um daraus psychologisch möglichst gernaue Kundenprofile zu erstellen. Ziel der Strategie war, die Kunden je nach Charakter passgenau anzusprechen, um ihnen weitere Produkte der Sparkasse zu verkaufen: also Fonds, Versicherungen, private Rentenversicherungen etc.

Seit etwa 30 Jahren werden in Deutschland die Sinus-Milieus gemessen. Sinus-Modelle gruppieren Menschen ein nach Lebensumständen und Lebensauffassungen. Der eine Graph zeigt die Einkommen- und Schichtverhältnisse (von „Unterschicht bis Oberschicht“) – der andere Graph bildet die Lebensauffassung ab nach Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsausrichtung. Mehr über Sinus-Milieus hier bei Wikipedia

Daraus ergeben sich 10 Typologien, die nach vorliegenden Daten als Schubladen für Unternehmen, Institutionen (die Kirchen studieren gern Sinus-Milieus), Politik und Wirtschaft dienen. 2010 gab es folgende Sinus-Typen:

  • Traditionelle (Kriegs- und Nachkriegsgeneration – Sicherheit und Ordnung)
  • Konservativ-Etablierte (Das „klassische“ Establishment)
  • Prekäre (Unterschicht mit Zukunftsängsten)
  • Bürgerliche Mitte (Mainstream, will Harmonie und Sicherheit)
  • Sozialökologische (bewuust idealistisch – starke Orientierung an „richtig“ und „falsch“)
  • Liberalintellektuelle (gebildet – mit Wunsch nach Selbstverwirklichung)
  • Hedonisten (konventionsverweigernd – erlebnisorientiert)
  • Adaptiv-Pragmatiker (zielstrebig kompromissbereit)
  • Performer (global denkend, hohe IT-Kompetenz)
  • Expeditive (gelassen, leistungsorientiert, partybegeistert)

Die Hamburger Sparkasse hat nun ihre Kunden in sechs Kategorien eingeteilt – vom „Hedonisten“ über den „Bewahrer“ bis zum „Genießer“. Um ein optimales Cross Selling durchzuführen, wurden die Kundenberater geschult, diese verschiedenen Typen unterschiedlich anzusprechen.

So sollte man bei den Performern kompetent wirken und nicht übertrieben freundlich sein. Sie sind besser ansprechbar für riskante Fonds mit hoher Rendite als für Versicherungen, mögen die Begriffe „leistungsstark“ und „exklusiv“.  Der „Disziplinierte“ liebt Details und Berechenbarkeit, ist vernünftig und sparsam. Hier verwendet man am besten im Verkaufsgespräch Rechenbeispiele bis zur dritten Stelle nach dem Komma.

Der „Bewahrer“ braucht Geborgenheit und Sicherheit. Gut ist es, wenn der Kunde den Berater als Vertrauensperson wahrnimmt. Der persönliche Bezug ist entscheidend für die Kaufentscheidung. Mit dem Bewahrer kann man gut über das Eigenheim sprechen, über Vorsorgeprodukte und Versicherungen.

Der Genießer mag es, wenn der Kundenberater ihm ein sorgenfreies entspanntes Leben verspricht, mit kurzfristigen Anlagen und kalkulierbarem Risiko. Der Hedonist will Abwechslung und Spaß. Der berater verwendet emotionale Argumente, bietet Rabatte auf Rockkonzerte und betont, wie einfach man Kredite bei der Sparkasse erhält.

Der Abenteurer liebt eine Welt voller Risiken. Er ist spontan und hat Mut. Ihm kann man (wenn man den richtigen Jargon findet) die neuseten und innovativsten Fonds anbieten – auch wenn diese nicht ganz sicher sind.

All diese Ergebnisse kommen aus dem Neuromarketing. Nicht nur Finanzhäuser, auch andere Unternehmen wie die Bierfirma Beck’s nutzt die Ergebnisse der Kundenprofile, um ihre Werbung und Unternehmenskommunikation zu optimieren. Ebenfalls bekannt sind die Strategien von BMW, Deutscher Post und Telekom.

Nach der Veröffentlichung durch den NDR ging ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit – die Hamburger Sparkasse musste versprechen, sofort die Schulungen einzustellen. Doch schnell wird man sich daran gewöhnt haben, dass immer genauere Daten durch Social Media Aktivitäten, Kartenzahlungen und andere messbare Aktivitäten Neuromarketing ein selbstveständliches Kundenbindungsinstrument wird – Cross Selling wird zur Wissenschaft.

Quelle: FAZ

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert