„Das Fenster zur Welt“ Instagram in Deutschland: Interview mit Elisabeth Greiner

Elisabeth Greiner ist von Beruf Diplom-Psychologin – doch bei Instagram ist die junge Frau aus dem Ruhrgebiet  rein privat aktiv – aus Spaß und Begeisterung. Das Interview mit ihr ist so spannend, da es offenbart, was das „Bilderwunder“ Instagram speziell im deutschen Kulturbereich darstellt. Auch für professionelle Fotografen und kommerzielle Unternehmen ist es ein Gewinn, die folgenden Aussagen von Elisabeth Greiner zu lesen. Instagram ist wie ein Fenster zur Welt, und wer sich ein wenig in die Regeln und Umgangsformen des Bilder-Netzwerkes einlebt, kann viel bewirken. Ob privat, kommerziell oder professionell – nun habe ich verstanden, warum sich Jugendliche von Facebook abwenden und Instagram so beliebt ist – danke Elisabeth!

SteadyNews: Was genau ist Instagram? Wie unterscheidet sich Instagram als Foto- und auch Kurzvideoplattform von Flickr und anderen Bilderdiensten?

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Instagram Foto von Elisabeth Greiner @lisathir

Elisabeth Greiner: Instagram ist unglaublich schnell. Mit einem Smartphone kann man ohne Vorkenntnisse und ohne Equipment überall fotografieren, die Bilder von unterwegs aus im instagram-typischen quadratischen Format direkt oder auch zeitversetzt hochladen. Je nach Wunsch kann man den Ort hinzufügen und die Fotos dann mit einem einzigen Klick auch noch in anderen sozialen Netzwerken, insbesondere Facebook, Twitter oder Google+ teilen.

Die App Instagram bietet 19 verschiedene Filter – und unabhängig vom gewählten Filter gibt es spezielle Funktionen, um die Bilder zu bearbeiten. Ob Helligkeit, Kontrast, Intensität oder Bildausschnitt – direkt in der App lassen sich die Fotos bearbeiten. Allerdings benutzen viele „Instagramer“ (kurz: Igers) andere Kamera-Apps – ich bevorzuge Camera+ – , und bearbeiten die Bilder zunächst damit, bevor sie mit Instagram „vollendet“ werden.

Zum Dritten ist Instagram ein vollständiges soziales Netzwerk. Das heißt, liken, kommentieren, eine aktive ´Followerschaft´ aufbauen ist nicht nur möglich, sondern geradezu erwünscht: das wechselseitige Feedback ist ein wesentlicher Bestandteil dessen, was den Reiz von Instagram ausmacht – vorausgesetzt, man hat ein öffentliches Profil angelegt. Dank der Wahlmöglichkeit „privat oder öffentlich“ entscheidet sich jeder Instagram-Nutzer, ob er nur mit einem eingeschränkten Kreis von Freunden, sprich, von durch ihn bestätigten Followern kommunizieren will – oder ob er seine Fotos komplett öffentlich teilt.

SteadyNews: Was begründet Deiner Meinung nach die Faszination von Instagram?

Elisabeth Greiner: Instagram bedeutet „Unendliche Vielfalt“ – sowohl an Motiven als auch an Motivation, die eigenen Bilder zu posten. Instagram ist einerseits eine grenzenlose Spielwiese für Selbstdarstellung jeglicher Art und andererseits genau dadurch auch ein bisschen das „Fenster zur Welt“, denn „ein Bild sagt mehr als tausend Worte …“ (und das erst recht, wenn man all der fremden Sprachen gar nicht mächtig ist ;-)) Ja, es gibt sie natürlich, unzählige Selfies und andere ´Schnappschüsse´, die eigentlich keiner braucht, aber das ist subjektiv und Instagram nicht vorzuwerfen: schließlich (und glücklicherweise!) liegt es ja an mir, wen und was ich verfolge oder besser weglasse … J Tatsache ist, weltweit posten Instagramer tolle Fotos aus ihrem Alltag, aus ihrer Umgebung und von ihren Reisen. Dass der Austausch nicht nur online stattfindet, sondern auch vor Ort Foto- und Instagram-Begeisterte zusammenbringt, zeigen die regelmäßigen Instawalks (= Spaziergänge mit Kamera) auf allen Kontinenten.

Instagram Foto von Elisabeth Greiner @lisathier

Instagram Foto von Elisabeth Greiner @lisathir

Kurzum: Instagram-Bilder geben Einblick in andere Kulturen und Lebensweisen, in regionale Besonderheiten, wecken Neugierde, und mit Hilfe von #hashtags lassen sich leicht Gleichgesinnte finden. Es gibt grandiose Natur-, Landschafts- und Architekturbilder; sie trösten gleichermaßen über Fernweh hinweg als dass sie auch an kleine Freuden vor der eigenen Haustür erinnern können. Und natürlich erleichtert Instagram die Vernetzung mit Freunden aus Nah und Fern, wenn man dies denn möchte. Auch in vielen deutschen Städten gibt es mittlerweile aktive Communities.

Mit verschiedenen Apps die mal eben aus dem Handgelenk gemachten Aufnahmen zu bearbeiten ist faszinierend. Es gibt immer wieder überraschende, unvorhergesehene Effekte, selbst wenn die Richtung geplant ist, wie z.B. Verfremdung, Minimalismus, Wahl der Farben und des Ausschnitts. Das Experimentieren mit Effekten und die Entscheidung für ein bestimmtes Ergebnis, mal in Sekundenschnelle, mal erst nach längerer Überlegung, ist ein spannender Prozess. Auch wenn Kommentare und Likes kein differenziertes Feedback ersetzen, so geben sie doch Aufschluss darüber, was bei den Followern besonders gut ankommt; schön ist, wenn das mit der eigenen Einschätzung übereinstimmt. Wer will, der lernt von der Community, der tauscht sich aus, inspiriert und lässt sich inspirieren – ein gegenseitiges Geben und Nehmen!

SteadyNews: Wie nutzt Du persönlich Instagram? Was bedeutet Dir das Fotografieren und Veröffentlichen von Motiven?

Elisabeth Greiner: Der Spaß, Kreativität ohne große Mittel und der Austausch mit anderen Usern stehen für mich im Vordergrund. Ich habe mich nie an Quantität oder bestimmten Vorgaben orientiert, weder hinsichtlich Followerzahl noch was die Häufigkeit und Anzahl meiner posts angeht. Manchmal kommen mehrere Bilder am Tag zusammen; es gibt aber auch Phasen, in denen ich weniger aktiv bin, und bei anderen Nutzern ist das ähnlich.

Im Laufe der Zeit ist Instagram durchaus eine Art Bilder-Tagebuch für mich geworden. Ich sehe auf einen Blick, was zu einer bestimmten Zeit so los war. Instagram sind Erinnerungen an highlights oder auch an etwas völlig Unspektakuläres – vielleicht einfach nur ein schöner Moment. Übrigens: ich nutze Instagram sehr ´klassisch´, also wirklich nur mit dem iPhone und als Fotoplattform – und nicht für Videos, was seit einer Weile auch möglich ist. Wobei ich selbst schon vielen Instagramern folge, die sich bei weitem nicht nur auf das Smartphone beschränken, und deren professionelle Qualität mich immer wieder beeindruckt. Und über deren, teilweise sehr kontinuierlichen likes ich mich natürlich ebenfalls sehr freue …

Instagram Foto von Elisabeth Greiner @lisathir

Instagram Foto von Elisabeth Greiner @lisathir

Eine andere Form der Anerkennung sind Features von bestimmten Instagram-Gruppen und Initiativen, so ist beispielsweise einmal ein Bild aus Portugal von mir gefeatured worden, was mir einige Aufmerksamkeit und neue Follower gebracht hat. Zwar ist das „Gefeatured-werden“ nicht mein Ziel, doch gleichwohl schön, wenn es ab und an passiert.

Es gibt Gruppen und Hashtags zu allen nur erdenklichen Themen, die genutzt werden, um weltumspannende Instagram-Communities zu erreichen bzw. aufzubauen. Hashtags sind das übliche Instrument, um andere Nutzer mit ähnlichen Interessen zu finden und mit ihnen direkt oder in bestimmten Micro-Communties zu kommunizieren. Täglich finden irgendwelche Challenges statt, Moderatoren-Jurys wählen Bilder aus, entweder als „Foto des Tages“ oder als „Foto zu einem speziellen Thema“. Je tiefer man in das Netzwerk einsteigt, desto mehr Feinheiten in der Instagram-Community erkennt man. Grundsätzlich kann man sagen, Hashtags sind die Wegmarker bei Instagram.

SteadyNews: Instagram ist ein soziales Netzwerk. Was erlebst Du mit anderen „Instagramern“ – seid Ihr eine Community?

Elisabeth Greiner: Es gibt eine spezielle Netikette für Instagram, an die sich nach meinem Eindruck auch viele halten. So ist es üblich, sich für Kommentare und natürlich auch für Features zu bedanken. Das geht ja auch ganz schnell mit sogenannten Emoticons, man kann liken, symbolisch winken oder Beifall klatschen … Manche Igers mit sehr großer Followerschaft und Resonanz schaffen das allerdings irgendwann zeitlich nicht mehr. Insgesamt herrscht ein sehr freundlicher Umgangston. Es gibt z.B. beim #jj_forum von Josh Johnson, einem Instagram-Pionier, eine „1-2-3“ Regel, die besagt, dass man zwei Fotos aus dem stream kommentiert und drei liked, sowie man dort selbst ein Bild zum jeweils aktuellen hashtag postet.

Instagram gewinnt zunehmend an Bedeutung als Instrument für Werbung und Selbstvermarktung. Viele Nutzer verweisen auf ihre Facebook-Profile oder sonstigen Webauftritte. Für mich ist Instagram jedoch bisher keine kommerzielle Plattform, sondern der rein private Spaß steht im Vordergrund. Wobei das ja grundsätzlich kein Widerspruch sein muss, im Gegenteil: Instagram bietet da sicherlich viele Möglichkeiten zur aufgelockerten Darstellung und Integration verschiedener Lebensbereiche.

Followern Aufmerksamkeit zu geben, z.B. durch die Empfehlung bestimmter hashtags, gehört für mich einfach dazu – wie schon gesagt, ohne Gegenseitigkeit funktioniert es nicht. Und ohne die Instawalks vor Ort hätte ich bei weitem nicht so viel Spaß gehabt – und auch Freundschaften entwickeln sich dadurch. Instawalks sind „Spaziergänge“ an interessanten Orten im „Real Life“. Dort treffen sich Instagramer in wechselnder Zusammensetzung, lernen sich kennen, tauschen sich aus, zum Beispiel über neue Zusatztools und Techniken, und machen viele Fotos unter bestimmten Hashtags, womit die Walks dokumentiert werden.

SteadyNews: Bitte gib noch ein paar Tipps zu Instagram: Welche Zusatzapps sind wertvoll, wie baut man Follower auf und was bewirken Hashtags?

Elisabeth Greiner: Zunächst einmal: während das Hochladen von Instagram-Fotos tatsächlich nur mit dem Smartphone

Instagram Foto von Elisabeth Greiner @lisathir

Instagram Foto von Elisabeth Greiner @lisathir

geht, so ist das Anschauen auch „in groß“ möglich, z.B. mithilfe von www.iconosquare.com. Manche Fotos wirken jedoch im Originalformat besser als am Bildschirm, selten ist es auch umgekehrt.

Noch mehr Funktionen zur Bearbeitung als camera+ bietet Snapseed. Und VSCO Cam und Hipstamatic sind als Photo-Apps und Communities äußerst beliebt. Was die Follower angeht, ich hatte und habe keine besondere Strategie. Es ist ein langsames, stetiges Wachstum. Vielleicht auch, weil ich für Überraschungen gut bin und mich – den Perspektivenwechsel ganz wörtlich genommen – nicht auf bestimmte Bearbeitungen und Ansichten festlege. Bei manchen hashtags wie z.B. #nothingisordinary (allgemein) oder #theworldneedsmorespiralstaircases (konkret) weiß ich einfach, dass ich sofort auf tolle Fotos und oft auch auf interessante Profile stosse …

Ich selbst habe irgendwann #sunshade_focussed kreiert, um mich und Andere mit einer schönen Sammlung von Sonnenschirmen zu erfreuen. Kann ja nicht schaden, wenn es draußen wieder kälter wird … 😉

Elisabeth GreinerKontaktdaten:
Elisabeth Greiner
Dipl.-Psychologin
Mülheim an der Ruhr
E-Mail: elisabeth.greiner@googlemail.com
instagram: @lisathir

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