Das Mediengericht: Die Qual der Tat

Erstmals öffnet das „Mediengericht“ in Form dieser Kolumne seine Pforten: Der Dortmunder Redakteur Michael Milewski greift Ereignisse und Entwicklungen der Medienwelt auf. Zum Auftakt: Kennen Sie den „Tat“-Trend und sind Sie vielleicht sogar selbst ein Täter? Einer, der ständig auf die „Tat“ hinweist?

dasmediengerichtTatkraft an sich ist ja durchaus begrüßenswert. Aber irgendwann wird es dann doch etwas viel mit der „Tat“, die in der Folge ihre Kraft verliert: „In der Tat“ scheint bei Politikern inzwischen eine der beliebtesten Standardfloskeln zu sein, um Aussagen zu bekräftigen. Und das gilt nicht nur für Politiker – auch für Journalisten ist die Formulierung „in der Tat“ offenbar unabkömmlich. Achten Sie mal bei der nächsten Fernseh- oder Radio-Sendung darauf: Ob bei Günther Jauch, Maybrit Illner, Markus Lanz oder im Presseclub – „in der Tat“ kommt öfter aus den Mündern, als sie vermutlich gedacht hätten.

Zugegeben: Füllwörter sind nichts grundsätzlich Schlechtes, schließlich geben sie der Sprache eine gewisse Geschmeidigkeit und halten den Gedankenfluss aufrecht. Schlimm wird es nur, wenn sich die dauerhafte verbale „Tätigkeit“ zur Marotte entwickelt. Zumindest in der Schriftsprache sollte man erwarten dürfen, dass (klugen) Köpfen mehr in den Sinn kommt als eine Wiederholungstat – eine entsprechende Google-News-Suche belegt die „Tat“-Karriere jedoch über nahezu alle etablierten Medien hinweg.

Mal ganz abgesehen von der fragwürdigen Tathäufigkeit: Warum muss es überhaupt die Präposition „in“ sein? Was soll denn da drin sein, „in“ der Tat? Womöglich haben sich die Deutschen vom Englischen (ver-)leiten lassen, denn dort heißt es – in der Tat – „indeed“ oder „in fact“.

indertatMöglicherweise hat das Tat-Übel seine Wurzeln aber auch ganz woanders – nämlich in den Haarwurzeln, um genau zu sein: Vor einigen Jahren schickte der Hersteller eines Haarpflegemittels erstmals seinen Laborchef vor die Kamera, der im weißen Kittel die angepriesene Wirkung des Produktes bestätigte. Erraten Sie, mit welchen Worten? Richtig: „In der Tat!“

Welche Wirkung dieser Spot mit seiner „Tat“-Sachenbehauptung auf die Sprache von Politik und Medien – abgesehen von eventuell verbessertem Haarwuchs – hatte, sei dahingestellt. Aber fangen Sie doch bei sich selbst an. Vielleicht ertappen Sie sich ja jetzt dabei, wie Ihnen „in der Tat“ (oder die Variante „tatsächlich“) herausrutscht. Dann wäre es „strafmildernd“, wenn Sie sich Gedanken über alternative Formulierungen machen und beim nächsten Mal reumütig in die Tat umsetzen – zum Beispiel einfach mal „wirklich“ oder „natürlich“ sagen.

Ein Name des Volkes:
Michael Milewski

PS: Bei YouTube greift ein „Electro Remix“ den erwähnten Werbespot auf.

Das Mediengericht ist eine mehrgängig delikate, bisweilen beklagenswerte Angelegenheit: Manchen schmeckt nicht, was sie vorgesetzt bekommen, andere kochen sich sogar ihr eigenes Süppchen. Michael Milewski serviert Ihnen in seiner Kolumne anregende Kostproben aus der Medienküche, würzt kritisch nach – und lädt Sie genüsslich ein, beim Konsumieren unbefangen auch über den medialen Tellerrand hinauszuschauen.

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