Das Mediengericht: Hart und unfair?

Frank Plasberg ist mit seiner TV-Sendung „hart aber fair“ angeblich der Selbstzensur seiner Sendeanstalt zum Opfer gefallen: Nach Kritik an einer Ausgabe zur Gleichstellung von Mann und Frau bzw. Frau und Mann ist sie offiziell nicht mehr verfügbar. Inoffiziell gibt es sie aber noch.

dasmediengericht„Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?“ lautete der Titel der umstrittenen Sendung, die bereits im März 2015 die Gemüter von ARD-Zuschauern erhitzte – darunter auch Vertreterinnen der Landesarbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten in NRW. Weil sie die Darstellungen als einseitig und manipulativ empfanden und Moderator Plasberg sogar Machtmissbrauch wegen seiner nicht neutralen Rolle vorwarfen, musste sich der WDR-Rundfunkrat mit einer  Programmbeschwerde befassen.

Das sendereigene Gremium kam nun zu dem Ergebnis, die Beschwerde zwar zurückzuweisen (weil Programmrichtlinien nicht explizit verletzt seien), aber dennoch den medialen Giftschrank zu öffnen. In diesem verschwinden Produktionen, die möglichst keiner mehr zu Gesicht bekommen soll. Die Folge fehlt jetzt in der Mediathek und ist laut Medienberichten zusätzlich mit dem Verbot belegt, jemals wiederholt zu werden.

Eine relativ harte Entscheidung, aber auch eine faire? Wie sähe das Fernsehen oder auch das Internet aus, wenn alles, was qualitativ kritikwürdig ist, in einem Giftschrank versteckt würde? Ist es Zuschauerinnen und Zuschauern wirklich nicht zuzumuten, sich damit eigenverantwortlich auseinanderzusetzen und sich selbst ein Bild zu machen von einer Sendung, in der erwachsene Menschen ihre Positionen vertreten?

Der Griff zum Giftschrank mag eine symbolische Geste des WDR für die Gleichstellungsbeauftragten sein. Dem Interesse an der zensierten Sendung ist das aber eher zuträglich. Und es bedarf wirklich keiner besonderen Begabung, bei YouTube die vermeintlich anstößige Ampelmännchen-Diskussion weiterhin in voller Länge zu verfolgen.

Ein Name des Volkes:
Michael Milewski

PS: WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hat zwischenzeitlich den Vorwurf der (Selbst-)Zensur in einer Stellungnahme zurückgewiesen: „Die Sendung ist im WDR-Archiv nicht gesperrt, sie steht also nicht im ‚Giftschrank‘. Sie kann jederzeit von Redaktionen abgerufen und ausschnittsweise verwendet werden.“ Beiträge aus der Mediathek herauszunehmen, sei „kein ungewöhnlicher Vorgang“. Im September 2015 werde sich „hart aber fair“ im Übrigen in einem neuen Anlauf mit der Gleichberechtigung der Geschlechter beschäftigen.

Das Mediengericht ist eine mehrgängig delikate, bisweilen beklagenswerte Angelegenheit: Manchen schmeckt nicht, was sie vorgesetzt bekommen, andere kochen sich sogar ihr eigenes Süppchen. Michael Milewski serviert Ihnen in seiner Kolumne anregende Kostproben aus der Medienküche, würzt kritisch nach – und lädt Sie genüsslich ein, beim Konsumieren unbefangen auch über den medialen Tellerrand hinauszuschauen.

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