5.000 US-Bürger wurden in einer Studie von Kaspersky Lab befragt, wie sie zu ihren Social-Media-Aktivitäten stehen. Sage und schreibe zwei Drittel der Befragten gaben an, sie würden am liebsten ihre Accounts schließen – trauen es sich jedoch nicht. Die Gründe für die Sehnsucht nach einem Social Media freien Leben sind vielfältig: Zeitverschwendung, Datenüberwachung, Kontrollverlust etc. Doch warum bleiben trotzdem die Menschen bei Facebook, Twitter, WhatsApp, Instagram, LinkedIn und Co? Warum ist es so schwer, sich aus digitalen sozialen Netzwerken zu verabschieden?
In den USA wird der Trend, Kommunikation über Social Media Kanäle zu pflegen, sicher noch zwanghafter sein als bei uns. Für die Karriere braucht man zumindest ein gepflegtes LinkedIn-Profil (im deutschsprachigen Raum ist es zurzeit noch Xing). Auch Facebook drängt sich weiter in das Berufsleben. Arbeitgeber haben durchaus Interesse daran, mit ihren Mitarbeitern über Facebook verbunden zu sein. Durch Projekte wie den Facebook Workplace oder die Facebook Job Plattform wird dieser Zusammenhang noch weiter verstärkt.
Privat ist der „Social Media Zwang“ noch ausgeprägter. Welcher gesellschaftliche Aktive kann es sich erlauben, nicht bei WhatsApp zu sein? Vereinsmitgliedschaften, Elterninitiativen, Familien-WhatsApp-Gruppen, Freundeskreise – es wird immer schwieriger, sich da fernzuhalten. Und ja, WhatsApp ist zwar ein Messenger und kein öffentlich sichtbares soziales Netzwerk, doch es gehört mit zum Facebook-Konzern und wird dem Facebook-Messenger zunehmend ähnlich. Facebook wird auch bei älteren Erwachsenen zunehmend als Selbstverständlichkeit für die Kontaktverbundenheit angesehen – und Instagram zieht Einiges an Verpflichtungen hinter sich her, wenn man viele Follower und Interaktionen dort aufgebaut hat.
Von den Kinderkrankheiten einer neuen Zeit
So richtig los ging es ja erst vor maximal zehn Jahren mit Social Media. Was für ein lächerlich kurzer Zeitabschnitt! Zuvor waren nur die digitalen Insider aktiv, Nerds tauschten sich auf Fach-Foren aus, Open Source Projekte wie Linux, Mozilla, WordPress uns Wikipedia entstanden, vieles spielte sich im universitären Bereich ab, wenn es um soziale Vernetzungen und private Kommunikation ging. Nach und nach erfasste Social Media den Mainstream. Unternehmen fanden den Zugang – später auch andere Organisationen wie Verbände und Behörden.
Kein Wunder, dass das Ganze in der jetzigen Zeit zu Stress und Überforderung führt! Der Wildwuchs des neu entdeckten Kommunikationsmediums erinnert mich immer an die Besiedelung Amerikas durch Einwanderer, die ja nun auch nicht nur eine freudvolle Glückseligkeit für alle Beteiligten und Betroffenen bedeutete. Wir brauchen Gesetze, Regeln, Wertesysteme, Erfahrungen, Debatten und Entscheidungen. „Unser Neuland-Planet soll schöner werden“ ist ganz sicher ein Projekt, das mit Bewusstheit durchdrungen werden muss und viele aktiv Gestaltende braucht. Sonst liefern wir uns der Anarchie der Skrupellosen aus – das kann nicht die Lösung sein, so komplex und umfassend das Thema auch ist.
Überforderung durch Social Media – Was tun?
Ich denke, es ist erforderlich, dass zunächst möglich durchgehend die Nutzung der digitalen Kommunikation und Selbstdarstellung angewandt wird, um eine Diskussionsgrundlage zu haben. Das Schlimmste ist, wenn Menschen ohne Social Media Erfahrung versuchen, anhand ihrer Vorurteile und ihres Halbwissens (oder Unwissens) mitzuentscheiden. Dass bei der Studie zwei Drittel der 5.000 Befragten angaben, sie würden am liebsten ihre Accounts löschen, ist eine großartige Grundlage, um Reformen und Korrekturen einzuleiten. Nur die digital Erfahrenen sind in der Lage, solche Reformen und politischen Forderungen zu formulieren.
Wir brauchen eine neue Art von „Briefgeheimnis“, brauchen Datenhoheit, Schutz vor Missbrauch und wir brauchen verbriefte Persönlichkeitsrechte, die wir selbst bestimmen. Wir brauchen Transparenz über Infrastruktur der Daten und eine klar definierte Rechtslage, wem was gehört und wer mit was wie verfahren darf – sowohl in der Politik, in der Exekutive, der Justiz – als auch in der Privatwirtschaft. Es wird ein langer Weg werden, um Ordnung und Menschenwürde in den entstandenen Wildwuchs zu bringen – man kann hoffen, dass Studien wie diese von Kaspersky Lab aufrütteln und zu neuen Lösungsansätzen führen (auch wenn klar ist, dass die Kaspersky-Studie geschäftliche Interessen beinhaltet und nicht objektiv genannt werden kann – aber welche Studie kann das schon…).
Quelle: Moneycab.com
Bildquelle: Pixabay_Fanette
„Wir brauchen… das wird ein langer Weg werden“.
Nein, das werden wir nicht erreichen, zumindest solange nicht, wie wir – bzw. die Nutzer_innen – alles hinnehmen. Wenn die Leute glauben, es reicht, einen Text auf der eigenen Seite zu posten, um facebook von der Datensammelwut abzuhalten und nicht einmal drüber nachdenken, ihren Account zu löschen, hat facebook alles richtig gemacht. Die Menschen müssen priorisieren, entweder nicht per fb erreichbar oder Datenhoheit. (Wenn erst einmal genügend Menschen ihren fb- und WA-Account gelöscht haben, ziehen andere Anbieter schnell genug nach…)
Aber solange das nicht passiert, wird sich nichts tun…
Disclaimer: ich habe keinen WA- und auch keinen fb-Account und vermisse auch nichts. Auf Xing könnte ich verzichten – Twitter nur sehr, sehr, sehr schwer (aber bin mir halt der Probleme bewusst).
Ich bin da sehr resigniert, seit ich recherchiert habe, wie vollständig unsere Überwachung ist: http://steadynews.de/recht-geld/ueberwachung-im-internet-rund-1-000-datenhaendler-verfolgen-komplett-unser-verhalten-im-web Ich glaube nicht, dass man das individuell lösen kann. Übrigens wurde man nach der französischen Revolution geköpft, wenn man das Briefgeheimnis verletzt hatte. Ich will ja nicht gleich köpfen, aber Rechte haben will ich schon