Du lass Dich nicht verbittern… Soll man Twitter und Facebook löschen?

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat Twitter und Facebook verlassen. Er nennt Twitter ein Instrument der Spaltung. Habeck hat den Eindruck, dass die Aggressiven jede Twitter-Diskussion gewinnen – was dann die Freundlichen und Nachdenklichen verscheucht. Bei Instagram will er bleiben, da er dort bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht hat. Ich kann den Politiker gut verstehen, doch finde ich nicht, dass seine Entscheidung für uns „Nicht-Politiker“ Vorbildcharakter haben sollte. 

Globale Kommunikation mit Twitter und Facebook

Die besondere Errungenschaft unseres digitalen Zeitalters ist, dass wir Menschen global in Echtzeit interaktiv miteinander verbunden sind. Wahrscheinlich haben die meisten von uns vergessen wie es ist, Briefe zu schreiben und auf Antwort zu warten. Wie es ist, auf die Menschen angewiesen zu sein, die aus der analogen Filterblase kommen: Familie, Nachbarschaft, Schule/ Beruf, Freizeit… „Fremde“ mit ähnlichen Wertesystemen und Visionen kennen zu lernen, war selten und kaum planbar.

Heute können sich Menschen in Windeseile in Gruppen und Foren zusammenschließen, können gemeinsame Projekte auf den Weg bringen und ihre Selbstverwirklichungs-Sehnsucht ausleben. Dank der weltweit verwandten Sprache Englisch ist es möglich, sich mit Gleichgesinnten aus Asien, Afrika und anderen Kontinenten auszutauschen. Das alles wäre undenkbar ohne soziale Netzwerke. Sie sind das „Welt-Telefon“ der digitalen Zeit. Man nutzt sie öffentlich, in eingeschränkten Listen oder per Messenger. Je nach dem, was gerade der beste Kommunikationskanal ist.

Die Teilnahme an der digitalen Kommunikation verweigern?

Die öffentliche Kommunikation bei Twitter und Facebook gehorcht anderen Gesetzen als analoge Debatten. Im analogen Raum konnte hitzig über Politik und Sport diskutiert werden, da der Raum durch natürliche Mauern und Reichweiten begrenzt war. Schlug man dort mit seiner Wut über die Stränge „Politiker sollte man alle aufhängen!“ hörten es nur die am Gespräch Beteiligten. In meiner Verwandtschaft zum Beispiel endete jede Familienfeier in einem emotionalen politischen Debakel. Eine Kamera hätte man da nicht draufhalten können…

So wurden wir Menschen also in eine kommunikative Weiterentwicklung geschleudert wie Neandertaler ins 20. Jahrhundert. Wir müssen (dürfen) uns einer vollkommen veränderten kommunikativen Umgebung anpassen, die sehr viele von uns in ihren unbegrenzten Möglichkeiten heillos überfordert.

Die erste Reaktion ist bei einigen Menschen die Verweigerung der global interaktiven Vernetzung, die durch Leitmedien und Erfahrungen wie von Robert Habeck genährt wird. „Digitale Kommunikation ist gefährlich und primitiv“. Ich habe den Eindruck, dass Social Media gesellschaftlich immer noch als schlechte Angewohnheit angesehen wird und nicht als das, was es ist: Ein Bewusstseinssprung des gesamten menschlichen Geistes.

Wir rücken zusammen mit unserer Transparenz und unserer Verbundenheit. Es grenzt zuweilen schon an Telepathie oder Magie, was über soziale Netzwerke passiert. Hat man erst einmal die Arme weit geöffnet für die Mitbewohner unseres Planeten, passieren im Digitalen unschätzbar bereichernde Begegnungen, Erkenntnisse und ein Wissenszuwachs, der noch vor zwanzig Jahren undenkbar schien.

Wir müssen Twitter, Facebook und Co üben!

Als Alternative zur Verweigerung gibt es auch die Vielen (meist männliche Viele 😉 ), die Spaß am Raufen haben und die gern mit Anderen ihre Kräfte messen. Besserwisserei, Niedermacherei, Missioniererei, Prahlen und Pöbeln wie am analogen Stammtisch sind die Genusskicks für diejenigen, denen der öffentliche Blick egal ist – oder die den öffentlichen Blick sogar als Rauscherweiterung empfinden. Das Selbstwertgefühl wird durch die digitalen Fights erhöht – die Gesprächsteilnehmer sind eher Projektionsflächen als Beziehungspartner.

Doch man ist bei Twitter und Facebook keineswegs ausgeliefert. So wie ich im analogen Leben weggehe, wenn auf einer Party schlecht über Dritte gesprochen wird, kann ich im Digitalen federleicht jede Art von Gespräch verlassen, das mir schlechte Gefühle macht. Nicht nur die Dominanten, auch diejenigen, die einem anderen Wertesystem angehören als ich kann ich in Windeseile entfernen oder blockieren – was für ein Segen!

Es ist eine große Herausforderung, konstruktives, emphatisches Kommunizieren zu lernen. Was hat der Schreibende wirklich ausdrücken wollen? Warum beschäftigt ihn/ sie das ein oder andere Thema?  Wer kommentiert ein brisantes Thema mit welcher Intention? Was muss ich über Kommentierende noch wissen, um sie zu verstehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen?

Mein persönliches Facebook und Twitter Fazit

Ich bin ja nun schon seit über zehn Jahren in sozialen Netzwerken unterwegs und habe viele Phasen durchlaufen. Von der Facebook Verweigerung (BILD-Zeitung fürs Volk) bis zur Facebook Liebe (ein riesiger Marktplatz von Menschen und Experten, die mir etwas bedeuten) – von der Twitter-Community (danke Ihr Nerds, dass ich dabei sein darf) bis zum reinen Twitter-News-Archiv (zu umständlich, mir aus den vielen Tweets die relevanten herauszufischen) habe ich vieles ausprobiert.

Habe durchaus auch schon gestritten – und natürlich habe ich auch schon entfreundet und bei Twitter blockiert. Sobald mit etwas nicht guttut, schalte ich es aus. Dank dieser gewonnenen Angstfreiheit vor Konsequenzen bewege ich mich bei Facebook und Twitter wie ein Fisch im Wasser.

Mich stört es nicht, wenn Facebook-Freunde mich für albern, eitel, liebestrunken oder missionarisch halten. Ich mag es sogar, dass ich so unperfekt bin und dass sicher der ein oder andere immer mal wieder seufzend den Kopf schüttelt, wenn Eva mal wieder was in die Welt geschleudert hat. Alles gute Leute, die dürfen ruhig lachen, protestieren, mich ermahnen oder verbessern. Wenn sie es lieb tun (und das tun sie) ist es doch ein unfassbar kostbares Geschenk! Es gibt mir Geborgenheit!

Robert Habeck will nur noch Instagram

Dass Robert Habeck nur noch Instagram nutzen will, ist verständlich. Politiker stehen massiv unter Druck. Jedes Wort muss unanfechtbar sein, jede Nachlässigkeit kann der Karriere den Kopf kosten. Instagram ist in seiner Usability auf „Wir haben uns alle lieb“ ausgerichtet und bietet kaum Platz für zerstörerische Debatten. Dort zeigen Prominente, wie attraktiv und spannend sie sind und welch herrliches Leben sie Tag für Tag haben. Wie eine BRAVO für Erwachsene ist Instagram. Genau das richtige Umfeld für einen Politiker. Kann ich gut verstehen.

Währenddessen schweißt sich die Menschheit im Stillen immer weiter zusammen über Facebook-Gruppen, Reddit, Foren, Blogs und WhatsApp. Man gesteht sich Probleme, spinnt gemeinsame Visionen aus, plant gemeinsame Projekte oder gibt sich Tipps bei gesundheitlichen Problemen. Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen, mögen die Verweigerer noch so sehr dagegen wettern.

Mein Wunsch: Kommt dazu und probiert Euch aus! Es kann ja nichts passieren! Wenn Ihr wirklich merken solltet, dass Ihr den „Habeck“ machen wollt, dann geht eben irgendwann wieder! Und dann kommt zurück, wenn Ihr es Euch anders überlegen solltet.

„Komm, komm, wer immer Du auch bist. Ob Wanderer, Frommer, zögernder Gast. Wir sind keine Karawane der Verbitterten. Egal wie oft Du schon Dein Gelübde gebrochen hast. Komm, komm- und noch einmal: Komm!“

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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