Eva Ihnenfeldt: Süchtig nach Facebook – könnte/wollte/ sollte ich darauf verzichten?

Facebook war bei mir immer weit unten auf der Werteskala angesiedelt – bis zu den Weihnachtsferien 2015. Ich hatte Zeit, ich hatte ein emotional aufrührendes Thema (die vielen verzweifelten Flüchtlinge an Europas Grenzen) und ich war durch ein kleines Schlüsselerlebnis mutig geworden: Ich begann, bei Facebook persönlich zu schreiben und zu diskutieren – und ich begann, gezielt nach Inhalten zu suchen, die mich interessierten. Ich säuberte meine Freundesliste von mir unangenehmen Kontakten, ich ersetzte meine bisherige Twitter-Aktivität (twittere alle spannenden News an Deine Follower weiter) durch Facebook-Posts. Heute, vier Monate später, ist Facebook für mich zu einem wichtigen Bestandteil meines Tagesablaufs geworden. Sicher verbringe ich dort zusammengerechnet fast zwei Stunden täglich. Bin ich süchtig?

Warum fasziniert mich Facebook so?

Ich bin immer auf der Suche nach Informationen und Wissenswertem. Jeden Morgen studiere ich gewissenhaft meine Facebook-SuchtRSS-Feeds, um auf dem neusten Stand zu sein für meine Fachgebiete – logisch, als Dozentin und Trainer ist das nun mal mein Job. Würde ich zwei, drei Tage lang nicht nach digitalen News fahnden, würde es auffallen  bei meinen Lehraufträgen. Die Entwicklung im digitalen Zeitalter ist rasend schnell.

Bei Facebook habe ich früher nur Urlaubsfotos, Essensfotos, Sprüche und Tiervideos gefunden. Das alles interessierte mich nicht. In der Zwischenzeit scheint der Facebook-Algorithmus besser auf meine Themen abgestimmt zu sein. Zwar kommen immer noch viele Tiervideos vor (bloß nicht liken, sonst wird es immer schlimmer 😉 ), doch hauptsächlich finde ich News aus abonnierten Online-Zeitungen, weitergeleitete Infos von meinen Freunden, politische Diskussionen und Hintergründe. Unterhaltsames zwischendurch lockert die Timeline auf und gibt die richtige emotionale Würze. Auch das ist wichtig! Meine Facebook-Freunde tun mir gut.

Ich erkenne immer besser, wer aus meiner großen Kontakt-Liste (ich habe fast 1.000 Kontakte bei Facebook) beruflich, inhaltlich und werteorientiert zu mir passt. Aus den Likes, Kommentaren und Shares ergeben sich persönliche Nachrichten, Telefonate und persönliche Treffen. Aus den Treffen und Telefonaten ergeben sich Ideen und gemeinsame Projekte. Ich bin begeistert!

Bin ich süchtig nach Facebook?

Ich frage mich, was es für geschäftliche Konsequenzen hätte, wenn ich Facebook wieder bleiben ließe. Wahrscheinlich würde ich kaum noch Kontakt zu innovativen digitalen Unternehmenden haben. Ich würde nicht so selbstverständlich erfahren von Veranstaltungen, bei denen sich die „Disruptiven“ treffen und diskutieren und planen. Ich würde wohl ausgeschlossen bleiben von den Bewegungen, die gerade gesellschaftlich passieren, und die auch ganz viel unsere Wirtschaftsbasis betreffen. Denn nur „Wirtschaft“ schafft Wohlstand und Fruchtbarkeit. Gerade junge Menschen haben das vielfach erkannt und verwirklichen tolle Ideen mit digitalen Hilfsmitteln.

Morgens greife ich zum Smartphone, bevor ich auch nur aufstehe. Ich scrolle durch die Timeline und erfahre relativ zuverlässig, was sich in der Nacht getan hat – z.B. ob Erdogan mal wieder einen Journalisten oder anderen Missliebigen verfolgt. Ich kann in kleinen Videosequenzen Einblicke gewinnen, die meinen Hunger auf News und Wissen kurzfristig befriedigen (sozusagen als Ersatz für die gute alte Tagesschau). Ich erhalte emotionale Häppchen durch die persönlichen Posts meiner Freunde. Ich kann schmunzeln oder mir auch mal Sorgen machen und dann direkt persönlich in Kontakt treten über eine persönliche Nachricht.

Später am Tag greife ich immer mal wieder zum Smartphone und zur Facebook-App, wenn ich auf etwas warte. Ab und zu finde ich Gelegenheit, selbst etwas zu teilen an Content, oder mir fällt etwas in den Blick, was ich fotografiere oder filme und poste. Ich scrolle durch die Timeline beim Fernsehen am Abend. Ich kontrolliere sicher vier, fünf Mal täglich bei den Facebook-Benachrichtigungen, ob ich auf Interaktionen auf der Fanpage oder im Profil reagieren muss oder möchte. Insgesamt komme ich auf ca 2 Stunden Facebook, Xing und Twitter. Für meine Mails kommt noch mal etwa eine Stunde hinzu.

Ja, ich bin bekennender Facebook-Fan!

Früher fand ich Twitter viel höherwertiger als Facebook. Twitter war für mich der Hort der „Influencer“, Facebook verachtete ich ein wenig als BILD-Zeitung. Das hat sich geändert. Twitter ist weiterhin unendlich wichtig, um über Hashtags News in Echtzeit zu recherchieren – doch heute ist mein eigenes Posten bei Twitter eher eine Pflichtaufgabe geworden. Wenn ich bei Facebook einen Link zu einem Artikel poste, erhalte ich häufig Kommentare und kann mit meinen Freunden konstruktiv darüber schreiben. Bei Twitter geht alles so rasend schnell, dass ich selten emotionale Bindung erfahre. Häufig verlege ich einen Dialog bei Twitter schnell auf ein anderes Medium, da ich mit Hin- und Her-Tweets dort nicht die Timeline meiner Follower verseuchen will. Bei Facebook bleiben die Antworten unterhalb des Posts gebündelt, da stört man  nicht, da geht das besser.

Ich freue mich, dass immer mehr Twitteraner, die ich wirklich häufig als Experten extrem wertschätze, beginnen, sich bei Facebook zu engagieren. Man braucht einfach nur ein bisschen Mut, sich zu zeigen und offen und intensiv zu schreiben. Je persönlicher und emotionaler man ist, desto mehr ergibt sich eine Beziehung. Und diese Beziehung ist Grundlage für gemeinsame Ziele im Offline-Leben. Wir gestalten die Welt über Vertrauen und Sympathie – keine Frage – und da kann Facebook im digitalen Zeitalter einen wertvollen Boden für bereiten.

Fazit
Ich kann kaum glauben, dass ich das schreibe! Wo ich doch immer Marc Zuckerberg als Synonym für die NSA und die Kaltblütigkeit von Regierungen und Big Data gesehen habe! Tja, entweder ich bin gehirngewaschen oder es ist was dran. Wir verbinden uns über die ganze Welt hinweg vor Allem über Facebook. Und das ist ok so…

Bildquelle: pixabay_Alexas_Fotos

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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