Hilfe, mein Sohn will Profi Gamer werden!

Viele Eltern verzweifeln heute am Verhalten ihrer Söhne und Töchter. Ewig gebeugt über dem Smartphone chatten die Mädchen Stunden über Stunden in sozialen Netzwerken, statt sich auf die Schule zu konzentrieren – und die Jungen spielen Tag und Nacht am Computer unverständliche Spiele wie „League of Legends“. Wenn sie mal nicht selbst spielen, schauen sie über Plattformen wie Twitch anderen Gamern beim Spielen zu. Sind die Kinder süchtig? Sind die Folgeerscheinungen digitale Demenz und Depressionen? Können diese Kinder überhaupt den Anforderungen in Studium und Beruf nachkommen? Oder ziehen wir eine Generation von verhaltensgestörten Zombies groß?

Hilfe, mein Sohn will Profi Gamer werden!

Skater_JugendlicheBesonders bei Jungen ist das Phänomen zu beobachten, dass diese von einer Karriere als Profi Gamer träumen. Wollte man früher Fußballstar werden, sehnt man sich nun nach dem Ruhm auf E-Sport-Turnieren, im Wettkampf mit internationalen Stars der Szene – allen voran aus China und Südkorea. In diesen Kulturen werden schon seit Jahren E-Sport-Profis wie Stars behandelt, Turniere werden live im Fernsehen übertragen, die weltbesten Gamer-Teams bekommen auch schon mal bei Weltmeisterschaften Preisgelder von 1 Million Dollar.

Insgesamt ist die Game-Industrie zwischenzeitlich größer und umsatzstärker als die Film-Industrie. Firmen wie Coca-Cola und Red Bull sind als Sponsoren ganz vorn mit dabei, um von der Reichweite und Begeisterung zu profitieren. Viele Events und Turniere werden über Crowdfunding finanziert – internationale Communities können auch ohne die großen Sponsoren beeindruckende Veranstaltungen stemmen dank der Unterstützung der Crowd. Viele Gamer werden durch ihre Fans finanziert, sie leben gut durch Werbeeinnahmen (YouTube etc.) oder Sponsoring-Kleinbeträge der Vielen auf den Livestreaming-Plattformen.

Selbstverständlich steht nur extrem wenigen der Weg zu einer Profikarriere offen. Man muss in Deutschland schon zu den 100 besten Spielern bei League of Legends gehören, um auch nur ein paar hundert Euro monatlich damit zu verdienen. Deutschland ist sowieso weltweit maximal im Mittelmaß und bringt wenig Berufsspieler und Stars hervor. Wie auch in anderen Bereichen präsentieren sich die Deutschen im internationalen Vergleich gerade mit ihrem „digitalen Analphabetismus“ und der berühmten  „German Angst“.

Also was tun, wenn der Sohn nur noch zocken will?

Zunächst werden die meisten der besorgten Eltern so lange wie möglich den Umgang mit digitalen Medien hinausgzögert haben. Wenig Fernsehen, erst spät ein Smartphone, spät der eigene Computer im Kinderzimmer, viele alternative Angebote im Familienkreis; Sportvereine, vorlesen und Hausaufgabenkontrolle.

Erst mit 13, 14 erlischt langsam die Möglichkeit der Kontrolle – Kabel verstecken und Router wegschließen lässt sich auch nicht ewig durchsetzen, wie sicher einige Leser seufzend aus eigener Erfahrung berichten können. Spätestens mit 16, 17 müssen auch die hartgesottensten Digital-Verweigerer ihren Kindern gegenüber klein beigeben, und oft genug erleben, dass diese nun gerade in Extreme verfallen, da sie lange reglementiert wurden.

Mein Tipp ist, den Kindern zunächst Verständnis und Empathie entgegenzubringen. Zuhören und sich erklären lassen, was an E-Sport so faszinierend ist. Sich die Spielregeln erklären lassen und die Zusammenarbeit im Team. Sich mit dem Kind gemeinsam hinsetzen und ein, zwei Stunden zugucken, was sich da tut in dem jeweiligen Spiel. Ist nicht leicht, da man in den ersten Minuten nur „Bahnhof“ versteht,. Aber mit der Zeit klärt sich das Chaos, wenn das Kind (tatsächlich sind E-Sport-Begeisterte fast ausschließlich Jungen) ein wenig erläutert und erklärt.

Zum Zweiten gibt es unzählige Berichte und Videos über E-Sport bei YouTube und in Blogs und Foren. Einfach mal Keywords bei Google eingeben wie „E-Sport“ oder den Namen des Spiels, dass der Nachwuchs gerade bevorzugt. Denn Eltern können nur einwirken, wenn sie Kenntnisse haben über die Materie, wenn sie verstehen und über dieses Verständnis das Herz des Kindes erreichen.

Des weiteren ist es sehr hilfreich, wenn man als Vorbild agiert. Wenn Eltern ein ausgefülltes spannendes „Offline-Leben“ führen, wenn sie Interessen leben und lieber agieren statt zu konsumieren, wird sich diese Vorbildfunktion früher oder später auf die Kinder auswirken. Bis zur Pubertät kann man erziehen – später zeigen sich die Folgen dieser Erziehung in der ein oder anderen Form.

Was ich ebenfalls sehr wichtig finde ist, dass man stolz ist auf die Kinder, auch bei schlechten Noten und auch bei exzessivem Online-Spielverhalten. Ich weiß dass das sehr schwer sein kann, aber wenn ich mein Kind für sein Verhalten verachte, werde ich sicher nicht positiv einwirken können. Wenn dann wirklich eine Depression auftritt, ist das kein Wunder.

Und zum Letzten sollten wir authentisch sein und uns den Kindern in Bereitschaft zuwenden – so dass sie wissen, sie können immer zu uns kommen, wenn sie Probleme haben. Ob es das Mädchen ist, das in sozialen Netzwerken seelische Grausamkeit erlebt, oder der Junge, der in der Schule versagt, da er immer nur spielen will – lasst uns die Kinder umarmen und ihnen Selbstvertrauen und Schutz geben – denn wir wissen doch: „Auch das geht vorüber“, und nur die allerallerallerwenigsten werden tatsächlich als süchtige, demente, depressive Erwachsene in staatlicher Obhut enden.

Durch Spielen richtig reich werden? E-Sport-Meisterschaft in Kattowitz – Galileo-Bericht vom 20.4.2015

Bildquelle: Pixabay_JayMantri

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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4 thoughts on “Hilfe, mein Sohn will Profi Gamer werden!

  • Reply Ralf Wenda 1. Mai 2015 at 21:05

    Hi Eva,

    tatsächlich war ich selbst über Jahre hinweg süchtig. Mit 15 spielten meine Freunde und ich Counterstrike in der ESL auf Platz 50 (europäische Spitzenteams). Danach folgten Jahre mit World of Warcraft und anderen MMORPG (Onlinerollenspiele).

    Und genau diese Erfahrungen bringe ich in mein Projekt http://erfolgswolf.de ein. Lernen durch Spielen! Aber für Erwachsene 🙂
    Denn man kann auch im realen Leben (Real Life) 😉 Punkte sammeln und im Level aufsteigen. Aber genau das wird uns, von häufig spießigen alten Lehrmethoden, vermießt.

    Lasst uns den kindlichen Spieldrang erhalten und ihn in die „große Welt“ vernünftig übertragen.

    LG
    Ralf

    • Reply Eva Ihnenfeldt 3. Mai 2015 at 15:39

      Danke schön lieber Ralf! Du hast so recht. Man lebt nur einmal, und wo keine Begeisterung ist, da ist auch kein Fortschritt. Wir sind auf der Maslowschen Pyramide weit genug oben angelangt, dass „Spaß“ ein legitimes Bedürfnis geworden ist – und das ist gut so. Viel Erfolg weiterhin mit Deinen Erfolgswölfen. Denn mit Spaß macht Erfolg doch noch mehr Sinn 🙂

  • Reply Jürgen 2. März 2022 at 22:40

    Hallo,
    ich habe den Artikel hier gelesen und möchte gerne mein Problem mit meinem 17jährigen Sohn schildern.
    Seit ein paar Jahren hat er Fortnite für sich entdeckt und ist meiner Laienhaftten Meinung nicht schlecht darin,aber lange nicht so gut wie er glaubt.
    Das Problem dabei ist, dass er dafür fast sein Abitur sausen lässt,die Noten sind Unterirdisch, einen Beruf ausser esportler möchte er nicht, seinen Handball Sport möchte er jetzt nach fast 9 Jahren im Verein aufgeben weil er denkt mit esport sein Leben bestreiten zu können.

    Er ist so davon überzeugt ein Pro-Gamer werden zu können, was uns Eltern natürlich mächtig Sorgen macht, da er mit seinem Fortnite unserer Meinung nicht gut genug ist.
    Unser größter Wunsch wäre es,wenn ihm ein richtiger Pro-Gamer mal sagen könnte, das sein Spielerisches Talent einfach nicht ausreicht und ihm die Augen öffnet.
    Er ist leider total davon überzeugt ohne Ausbildung, wahrscheinlich auch ohne Abi nur mit esport Leben zu können. Er sieht nicht das eine Ausbildung und ein guter Schulabschluss so wichtig sind.
    Wenn wir mit ihm reden wollten – und das schon unzählige Male – endet es immer in einem riesigen Streit. Er will es einfach nicht einsehen das er zuerst etwas vernünftiges lernen sollte.
    Er glaubt wenn er nur lange genug Spielt wird er eines Tages ein Pro sein.

    Wir bräuchten ganz dringend Hilfe in der Sache.

    Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Geduld meine Nachricht zu lesen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Jürgen König

    • Reply Eva Ihnenfeldt 3. März 2022 at 12:55

      Hallo lieber Herr König, oh wie gut ich diese Situation kenne! Mein Sohn ist zwar nun schon 30 – und die Gamer-„Drogen“Zeit ist schon ein paar Jahre vorbei, aber von seinem 15. bis zu seinem ca 25. Lebensjahr war es genau so. Auch beruflich kenne ich einige junge Menschen, die vor Allem nur noch für ihre Computerwelten leben. Ich bin zwischenzeitlich tatsächlich überzeugt davon, dass es die Droge der heutigen Zeit ist und keine Kleinigkeit. Was ich empfehlen würde? Ich glaube in dieser Phase sind Eltern machtlos. Und Ihr Sohn kennt genügend Gamer – sicher würde er sich nicht umorientieren, falls Sie mit einem Profi auftauchen könnten. Höchstens wenn Sie mit einem Ex-Gamer kämen, der ihm von seinen eigenen Problemen erzählt. Ich habe keine Lösung. Ich selbst habe einfach damals damit Frieden geschlossen, dass er vielleicht süchtig bleibt und das alles den Bach runter geht. Er selbst hat sich dann irgendwann entschlossen, „vom Ofen herabzusteigen“ und in das Leben hinauszugehen. Seitdem ist er wie verwandelt. Ist heute angesehener Buchhalter, macht sein Abendstudium neben dem Vollzeitjob, hat eine Familie gegründet und ist ein aufrechter, lebenstüchtiger Mann geworden. Glück gehabt. Aber auch er würde Ihnen raten: Je mehr Sie dagegen kämpfen, desto mehr wird er in den Widerstand gehen. Man kann erst etwas tun, wenn die Betroffenen selbst daraus wollen. Viel Kraft und Vertrauen – und danke, dass Sie dieses unfassbar häufige Leid so ausführlich beschrieben haben. In ein paar Jahren ist der Horror sicher vorbei…

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