Influencer Marketing: Werden Social-Media-Experten die klassische TV-Werbung ersetzen?

Mit meinen Studenten habe ich erarbeitet, wie sie sich am Besten informiert fühlen beim Kauf eines „High-Involvement“- Produkts: Reisen, Medien, computerbasierte Geräte, Autos, Genuss-Erlebnisse, Health und Wellness, Fashion, Wohnaccessoires… Gekauft wird am Liebsten das, was Andere empfehlen. Klassische TV-Werbung bekommen die jungen Menschen sowieso kaum noch mit, da sie kein analoges Fernsehen mehr beziehen (höchstens über DVBT) – und Werbspots bei Streamingdiensten oder als Video-Ad haben bestenfalls unterhaltsamen Erinnerungswert.

Ohne vertrauenswürdige Empfehlungen wird nichts gekauft, was ein bestimmtes Budget überschreitet. Kann es also sein, dass Influencer und Experten mit guter Social-Media-Infrastruktur die klassische Werbung ersetzen? Ist dieser „Influencer-Marketing“ Hype mehr als eine Modeerscheinung – und wird diese Art von Testing, Publishing und Communication in Zukunft das sein, was Konsumenten erwarten und wo Marken abliefern müssen?

Sind wir Konsumenten leicht beeinflussbare Kinder?

Kinder lassen sich schnell von schönen Bildern und lustigen (oder aufregenden) Stories in den Bann ziehen. Kein Wunder, dass sich viele Marken mit ihren Labels auf Lego und Playmobil stürzen in dem Wunsch, Kinder auf ihre Marken zu konditionieren. Wenig überraschend, dass Kinderprogramme in TV und Online-Medien mit Werbespots durchsetzt sind, da es so leicht ist, diese unschuldigen jungen Menschen mit einfachen Botschaften zu beeinflussen.

Doch je älter so ein Menschlein wird, desto mehr verändert sich das Konsumentenverhalten. Aus dem „verführten Kind“ wird der „Love-Brand-Teenager“ – und aus dem „Love-Brand-Teenager“ wird der kritische Jung-Erwachsene, der immer mehr Geld zur Verfügung hat – und als Konsument immer professioneller denkt und handelt.

Empfehlungen sind das A&O für „erwachsene“ Konsumenten

Meine Studenten reisen fast alle gern und viel. Inspirationen und Tipps holen sie sich gern über Online-Reiseberichte von vertrauenswürdigenden Reise-Journalisten oder Bloggern wie Tamina Kallert vom WDR.

Kommerzielle Reisewerbung ist inszeniert und hat nur ein einziges Ziel: „Verkaufen“. Doch die Tourismus-Publisher, denen man vertraut, kommen bei den konsumwilligen Verbrauchern ganz anders an. Die Blogger und Journalisten sind viel unterwegs, vergleichen ihre Reiseerlebnisse und können als engagierte Profis wertvolle Tipps und Hinweise geben. Zwar ist ihr Tun gleichzeitig ihre Einnahmequelle – aber als Experte sind sie tief im Thema und bieten viel mehr als eine einfache Werbefigur.

Ähnlich ist es auch beim Kochen, bei Unterhaltungselektronik, Autos, bei Medienempfehlungen und bei Wellness/ Health/ Kosmetik. Man lässt sich weitaus lieber überzeugen von einem professionellen Tech-Blogger, der voller Begeisterung alle möglichen Sprachassistenten testet – als von einem 10-sekündigen Alexa-Werbespot, den man zwangsläufig ertragen muss, um danach das eigentliche Video zu genießen.

Gute Influencer vertuschen nicht, dass sie mit Marken kooperieren. Gute Influencer sind Experten in ihrem Fachgebiet (ja, auch in der Kosmetik) und achten darauf, dass sie die Produkte glaubwürdig vertreten. Da schlechte Produkte in einem transparenten Markt sowieso kaum noch eine Chance haben, ist das auch kein Hexenwerk: Egal ob ich Nike, Adidas oder Converse Sneaker bevorzuge: Die Qualität der Schuhe muss den Ansprüchen der Kunden genügen, sonst werden sie sehr schnell in negativen Rezensionen ertrinken…

Menschen wollen kaufen – oder investieren…

Viele Erwachsene investieren lieber als dass sie sich mit Verbrauchsgütern und Erlebnissen verwöhnen. Aber gerade bei Anlageprodukten zählt die Fach-Expertise, das Forum, zählen die Empfehlungen, der konstruktive Austausch unter Gleichgesinnten. Oder würde jemand in einen Immobilienfonds investieren, weil er einen so attraktiven Werbespot gesehen hat? Wohl kaum.

Klassische Werbung ist gut, um Reichweite, emotionale Bindung und Bekanntheit zu erzielen – doch die Kaufentscheidung wird im Internet immer häufiger über Kunden-Empfehlungen und Influencer-Content getroffen.

Was dem Einen seine Gucci-Tasche, ist dem Anderen seine All-Inclusive-Reise. Was dem Einen sein Spielcasino-Besuch, ist dem Anderen sein SUV-Utilility-Vehicle. Menschen, die Geld haben, wollen kaufen. Was auch sonst sollen sie mit dem Geld machen? Sparen ist unattraktiv. Entweder Konsum oder Investition, entweder der schnelle Kick – oder die zukunftsgerichtete Anlage bzw. Selbstoptimierung. Meist ist es ein Mix aus Allem – und je höher man sich mit dem Produkt verbindet (High Involvement), desto mehr wünscht man sich Beratung und Austausch. Könnte das die Werbung von morgen sein?

Effektive Werbung in Online-Zeiten

Bald wird Werbung sehr viel mehr bieten als das, was wir aus analogen Zeiten kenne. Bei Interesse für ein Produkt werden wir direkt in Kontakt treten können, werden Fragen stellen und uns mit einer Community über Erfahrungen austauschen. Wir werden „Admins“ und Experten haben, die uns beraten, uns anleiten, uns untereinander moderieren und uns mit mehrwertbietenden Videos, Audios und Bilder-Content inspirieren und begleiten. Falls uns ein Produkt enttäuscht, werden wir uns mit unserem „Marken-Manager“ auseinandersetzen und mit ihm gemeinsam eine Lösung finden, die beide Seiten zufrieden stellt.

Marken werden ihr Marketing-Budget verlagern hin zu kleinen und großen Influencern, die ihre besonderen Stärken haben: Micro-Influencer sind vielleicht besonders stark im Service und im „Kümmern“, große Influencer haben hervorragenden Content und ersetzen die klassischen TV-Spots aus vergangenen Jahrzehnten durch interaktiv optimierten Web-Content.

Influencer ersetzen Werbspots

Müller Milch gibt auch heute noch rund 90 Prozent des Marketingbudgets für TV-Werbung aus. Der Rest entfällt fast ausschließlich auf Plakatwerbung. Social Media wird von Müller Milch (noch) abgelehnt, da nach Aussagen des Mediachefs Christian Meyer Kosten und Ertrag im Digitalmarketing in keinem erträglichen Verhältnis zueinander stehen.
OMR: Interview mit Christian Meyer, Mediachef von Müller Milch

Ist Konny Reimann ein Influencer?

Doch ist das Testominal Konny Reimann nicht schon so etwas wie ein unbeholfener Influencer? Empfiehlt er nicht den Fernsehzuschauern Müllermilch-Produkte? Was wäre, wenn Konny Reimann über seine ausgefeilten Social Media Kanäle und sein hervorragendes Community-Management zahlreiche Menschen für Milchprodukte von Müller Milch begeistern könnte? Wenn er Reportagen von glücklichen Massentierhaltungs-Kühen und Interviews mit Schwangeren machen könnte, die auf nichts so viel Appetit haben wie auf Müller Milch? Vielleicht ist das bei dieser Marke ein besonders schweres Unterfangen – doch viele Marken können tatsächlich mit Stolz auf Produktion und Unternehmenskultur blicken.

Influencer statt Fußballer, die Nutella bewerben?

Ich behaupte, dass zukünftig Influencer das klassische Werbe-Konzept ersetzen werden. Über TV-Spots, Streaming-Spots, Google Adwords und Facebook-Ads werden Aufmerksamkeit, Reichweite und Bekanntheit erzeugt – und dann übernehmen die unzähligen kleinen und großen Influencer. Viele werden (zumindest eine Zeit lang) von ihren Kommunikationskanälen leben und Kooperationen mit Marken eingehen.

Konsumenten werden zum Einen möglichst viele Kundenrezensionen lesen, um sich bei ihrer Kaufentscheidung begleiten zu lassen – doch sie werden auch aufmerksam ihren Lieblings-Bloggern folgen bei YouTube, Facebook, Instagram, Snapchat und Co. Es werden sich gleichgesinnte Communities scharen um vertrauenswürdige Influencer – und diese werden ihre Gruppen moderieren, betreuen und aufmerksam analysieren.

Wie wäre es? Influencer werden?

Also nur Mut! Auch wenn im Moment vor Allem Jugendliche und Digital Natives die Influencer-Liga beherrschen, kommen laufend weitere Gruppen an Experten und Influencern hinzu. Es ist gar nicht so „verlogen“, mit Marken zu kooperieren, da wie gesagt die Produkte immer seltener schlecht sind und zu Enttäuschungen der Kunden führen. Im transparenten Markt können sich miserable Produkte nicht halten. Der Rest ist Geschmacksache…

Schon einige hundert Follower bei Instagram können zu ersten Marken-Anfragen führen, wenn das Thema stimmt. Entscheidend ist die Social Media Souveränität – doch die lässt sich lernen… Also mal drüber nachdenken. Falls Sie irgendeine Leidenschaft für irgendeine käuflich erwerbbare Kategorie haben – vielleicht ist „Influencer“ Ihr zukünftiger Beruf!

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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