Neue Medien und Alte Menschen: Wir brauchen Dialog-Workshops

Eine Werbeanzeige für einen elektrischen Ofen aus dem Jahr 1892 - laut Werbeanzeige klein, transportierbar und für Gewächshäuser bestens geeignet.

Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, ich würde Senioren mit der Überschrift meinen: Nein. Es geht hier nicht um die Schulung, wie man mit dem Computer ins Internet kommt oder warum die Enkel dieses Snapchat lieben – das ist nicht die Frage. Vielleicht am Rande doch. Eher ist die Frage: Wie kriegen wir eigentlich einen Dialog hin zwischen denen, die diese Neuen Medien nutzen und jenen, denen diese Neuen Medien suspekt sind?

Kritisieren ist in Ordnung, aber…

„Die heutigen Menschen gehen ja freiwillig mit geduckten Köpfen durchs Leben“, tönt es von der Kanzel. Eigentlich geht es in diesem Gottesdienst eher um einen offenen Himmel und die Fahrt von Jesus in diesen. Eigentlich. Mitten in der Predigt also der Seitenhieb auf diejenigen, die ihre Köpfe freiwillig senken und auf ihre Geräte starren. Die Andeutung, dass man sich selbst der Technik unterwirft und das Nachdenken darüber, was Technik mit uns anstellt ist ja legitim. Allerdings würde ich mir dann in Predigten mal eher Gedanken über Snowden, Verschlüsselung, Datensicherheit und die Frage, wie Whistleblower unserer Gesellschaft Gutes tun – oder auch nicht? – wünschen. Stattdessen aber kommt von der Kanzel eher eine Plattitüde und mich hätte nicht gewundert, wenn das mit den Ampeln für Kopfsenker auch noch vorgekommen wäre. Kam es nicht, aber vermutlich hat der Ein oder Andere daran gedacht.

Natürlich ist es nicht nett, wenn im Konzert der Sitznachbar mit einem Smartphone herumwuselt. Was man dann aber mit einer gezielten Ansprache aus der Welt schaffen kann. Ob man das dann gleich als „Blödigkeit“ bezeichnen muss, wie der Autor in den Revierpassagen, das bleibt jedem selber überlassen. Ob man dann auch noch einen Artikel darüber schreiben muss, wie blöd der Nachbar denn jetzt war – das ist eine Stilfrage. Man könnte das natürlich zum Anlass nehmen und darüber nachdenken, wie sich Gewohnheiten der Konzertnutzung im Laufe der Jahre geändert haben. Und wie sich die Technik auch dort immer wieder eingeschaltet hat – man denke nur einmal an die Revolution durch den Strom, der nicht nur generell die Säle heller, sondern auch etliche Techniken für die Bühne im Theater und auch fürs Konzert möglich machte. Stattdessen aber: Eine generelle Abwertung des Verhaltens ohne eine genaue Nachfrage. Kann man machen, ist trotzdem nicht weiterbringend.

Neue Technik, neues Verhalten, neue Regeln

Technik verändert das Verhalten. Wenn es neue Möglichkeiten gibt, dann werden die natürlich von uns genutzt. Vor allem, wenn sie Spaß machen, Geld einsparen und sich als nützlich erweisen. Wir könnten natürlich heute ins Konzert gehen und uns im Schein der Fackeln im Stehen drei Stunden lang Musik anhören – wir machen das aber nicht, weil mittlerweile Sitze, Strom und die Erkenntnis Einzug gehalten haben, dass man vielleicht doch Überlängen vermeiden sollte.

Dass das nicht jedem passt – das ist verständlich. Wobei das Verhalten im Klassik-Konzert sich ja immer noch am ehesten gegen die Revolution durch die Technik stellt und die eingeschworene Liturgie die Menschen in eine gewisse Form bringt. Smartphones haben auch hier Einzug gehalten aber während bei Pop-Konzerten auch während der Musik mit ihnen hantiert wird ist das im Saal nicht der Fall. Jedenfalls nicht beim Klassik-Konzert und das hat nichts mit dem Alter der Besucher zu tun. Eher mit der Konzertform als solches – in einem eher an jüngeres Publikum adressiertes Format findet man das nicht in der Form.

Doch kehren wir zurück zur Frage, wie wir es schaffen einen Dialog in Gang zu setzen, an dem am Ende eine neue Form, neue Regeln, ein Verständnis geschaffen werden?

Bereitschaft zum Zuhören

Dummerweise sind Diejenigen, die man ansprechen müsste eigentlich gar nicht bereit sich die Argumente der einen Seite anzuhören. Das Vorurteil, dass Technik böse ist, steckt seit Manfred Spitzers Buch von der Digitalen Demenz besonders fest in den Köpfen. Dass Technik durchaus ihre schlechten Seiten hat – unbestritten. Dass aber der Diskurs dann in der Regel nicht über Fakten sondern über Emotionen geführt wird – Gefühle sind leider unschlagbar in Debatten – ist eine Tatsache, der man in der Regel auch nicht mit Fakten beikommen kann.

Wie aber ist dann das Tangieren, das eine Gesellschaft immer tun muss wenn es Neues gibt, wie ist das Ausloten von neuen Grenzen dann eigentlich machbar? Ginge es nach denen, die Technik und das Verhalten abschätzig beurteilen, dann müsste man eigentlich den Fortschritt rückgängig machen. Komplett. Früher war ja alles besser und früher haben wir uns alle lebhaft während der Busfahrt mit den Nachbarn unterhalten und freudestrahlend uns über das Wetter ausgetauscht. Daran glaube ich aber nicht, weil ich noch weiß, wie das früher ohne Smartphone war: Da hat der Nachbar einem die Zeitung ins Gesicht geschlagen oder man selber war in ein Buch vertieft oder hat stumpfsinnig aus dem Fenster geschaut. Ein Verhalten, das man heute auch noch beobachten kann. Wie schön! Nicht.

Wir brauchen definitiv eine neue Bereitschaft zum Argumentieren, Abwägen, Diskutieren, Zuhören und Verhandeln. Nicht so, wie uns das die Talk-Shows abendlich vormachen. Das ist Pseudo-Diskussion, die am Ende zu keinem Ergebnis führt. Wir brauchen eine Bereitschaft dem Anderen zuzuhören. Zu verstehen, was der Andere meint. Nachfragen, warum man sich verhält wie man sich verhält schadet eh nie. Und was wir vor allem brauchen: Geduld. Geduld, um die zu ertragen, die sich partout nicht ändern lassen möchten – Geduld, die zu ertragen, die zu ungestüm vorgehen und Geduld auch vor allem mit uns selbst. Die Zukunft ist in den Köpfen ungleich verteilt, aber das heißt nicht, dass wir nicht darüber nachdenken müssen wie wir in Zukunft diese gestalten wollen. Oder was wir nicht wollen. Auch darauf muss man sich einigen können.

Photonachweis: The Britisch Library, Flickr Commons, Lizenz – Public Domain
10428652_909696752374293_5401521222185380255_nChristian Spließ, Social Media Manager, machte schon Social Media als es noch Web 2.0 hieß. Seit 2004 beobachtet er die aktuellen Entwicklungen und hilft mit Rat und Tat, wenn es darum geht Inhalte kompetentgenau an die Zielgruppe zu vermitteln.

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