Notwehr und die Folgen: Lasst uns über Adblocker reden, liebe Angebote!

Vermutlich geht es Ihnen, liebe Leser, manchmal so wie mir. Da poppt eine interessante Nachricht im Feedreader auf, man klickt drauf und zack wird man böse angeraunzt. „Sie nutzen einen Abblocker!“ Sie böser, böser Leser aber auch. Da setzen sich Leute hin und machen wunderbaren Qualitätsjournalismus und Sie – und auch ich – honorieren das nicht mal? Wie können Sie nur so herzlos sein? Fluffig-flauschige Kätzchen weinen jetzt gerade, weil Sie – ja, SIE – einen Adblocker benutzen! Das können Sie doch nicht zulassen! Und außerdem: Die armen Einhörner! Denen gehen gerade die Regenbögen aus, weil Sie die Werbung ausschalten! Das geht doch nun wirklich nicht, wir wissen doch, wie wichtig Einhörner sind. – Na schön, Qualitätsjournalismus ist natürlich auch wichtig. Aber: Adblocker sind nicht erst seit 2015 ein Thema. (Und falls Sie den Adblocker für die SZ abgestellt haben, könnten Sie unter dieser URL einen Artikel von Dirk von Gehlen aus dem Jahr 2015 zu dieser Thematik lesen. Ironie ist schon schön…)

Raunzt mich nicht an!

Aber lasst uns mal über Adblocker reden, liebe Inhalte-Ersteller. Vielleicht fangen wir damit an, dass es nichts bringt mich in einem äußerst strengen Ton zur Raison rufen zu wollen, damit ich den Adblocker abstelle. Hallo? Bin ich fünf Jahre alt und muss noch lernen, wie man sich zu benehmen hat? Nein. Wenn man mich als Besucher auf einer Webseite schon mit einem Popup anraunzt, dann raunze ich zurück und besuche euch einfach nicht mehr. Also ein bisschen Höflichkeit hat doch noch nie geschadet, aber per se wird man als Adblocker-Benutzer unter Verdacht gestellt. Als wolle man die Werbeeinnahmen den Journalisten nicht gönnen. Leser, gönnen Sie doch mal! flehen die als Betreiber und das meistens in einem Tonfall, der eher Hölle und Verdammnis auf den Nutzer heraufruft. Allerdings habe ich bei einigen Formulierungen was Adblocker-Nutzung betrifft auch die Vermutung, dass da ein kleiner Hilfsteufel sich in die Firma geschlichen hat und jetzt sein Talent voll auslebt.
Regel Nummer Eins also, wenn ihr mich weiterhin als Kunden haben wollt: Raunzt – mich – nicht – an.

Und: Unterstellt mir nicht, dass ich die Werbemillionen euch nicht gönne. Das tue ich. Ich honoriere durchaus gute Arbeit. Bei einigen Webseiten habe ich durchaus auch den Adblocker abgestellt, so ist das nun nicht. Aber ich stelle meinen Adblocker nicht aus, wenn ich nur eine kurze Meldung auf eurer Webseite nachsehen möchte. Ich nutze HORIZONT z. B. nicht unbedingt regelmäßig und deswegen überfliege ich da meistens nur die Überschriften im Feedreader. Wegen EINER interessanten Meldung alle Jubelwochen mal mache ich mir nicht die Mühe den Adblocker zu deaktivieren. Das lohnt einfach die Klickmühe nicht. Ja, ich könnte den deaktiveren, die Seite neu laden und dann später wieder aktivieren, aber auch ich bin bequem. Gebe ich offen zu. Für mich stellt sich daher die Frage: „Lohnt sich der Aufwand für eine einzige Meldung, die mich möglicherweise interessiert den ganzen Kladderadatsch zu machen oder nicht?“ Meistens – nicht. Also: Wenn ihr wollt, dass ich den Adblocker dauerhaft ausschalte, dann müsst ihr auch für mich dauerhaft interessant sein – und meistens seid ihr das dann nicht. Könnt ihr leider nun auch nicht ändern, aber das ist ebenfalls ein Punkt. Der zweite Punkt dann auf der Liste.

Ihr habt WAS auf der Webseite installiert?

Manchmal kann man wirklich erschrecken, wenn man sich anschaut wieviele kleine Spione so auf einer Webseite zu finden sind. Neben den üblichen Plugins von Facebook und Twitter und anderen Netzwerken gibts immer wieder Cookies von Werbefirmen wie Nugg.ad zum Beispiel. Die seien halt notwendig, damit man Angebote für umsonst im Internet abrufen könne, so die Argumentation. Das mag ja sein, aber wenn ich erst einen Zusatzdienst installieren muss um zu entscheiden, ob die Daten an eine Firma weitergeleitet werden – dann ist das eher nicht so schön. Wenn ich das weiß, okay. Dann kann ich entscheiden, ob ich den Dienst blockiere oder auch nicht. Oder ob ich halt mich entscheide die Webseite gar nicht mehr zu besuchen, weil die halt – eine – enorme – Menge – von – diesen – Datensammlern – einsetzt!

Ja, seid ihr denn des Wahnsinns, die Webseite dann derart mit den Dingern vollzukleistern, dass ich völlig die Kontrolle darüber verliere, wo nun meine Daten überhaupt landen? Es ist ja schon so nicht einfach und Mancher hat das auch schon völlig aufgegeben und lebt im Zeitalter der Postprivacy glücklich durchleuchtet vor sich hin – aber mich nervt sowas. Klar nervt mich auch diese blöde EU-Regelung mit den „Wir müssen den Nutzern sagen, dass die Webseite Cookies verwendet, daher machen wir immer ein Banner und dann müssen das alle Nutzer klicken“. Ich bin dann immer ungehorsam und klicke nicht, aber vermutlich macht das jetzt auch nicht so den Unterschied aus und im Hintergrund sind längst alle Cookies gesetzt, die gesetzt werden können. Drittens also, ihr Lieben: Manchmal ist Privatsphäre durchaus auch noch wichtig und die Selbstbestimmung darüber, wer was mit meinen Daten anfangen kann oder auch nicht, die gebe ich nicht mit einem Klick auf die URL von euch ab. (Nein, ich weiß auch keine intelligente Lösung dafür, aber irgendwie muss das doch besser gehen, oder?)

Yeah, Qualität und Sympathie, Folks!

Ich weiß, ich weiß: Qualität bestimmt der Kunde und nicht der Anbieter. Also ist es eigentlich nutzlos als vierten und letzten Punkt diese Qualitätsgeschichte reinzubringen, weil für die einen BILD Qualität liefert – für den Anderen eher die TAZ – und der Andere findet, dass Bibis Beauty Palace total qualitativ wertvoll auf YouTube ist. Na ja. Qualität liegt halt im Auge des Betrachters, ebenfalls wie die Sympathie für den Ersteller der Inhalte. Was bei YouTube enorm wichtig ist, ich hab da bewußt den Adblocker abgeschaltet bei den Kanälen, die ich abonniert habe – einfach weil da Leute sichtbar Zeit, Mühe und gute Inhalte liefern. Und dafür sollten sie auch schon bezahlt werden. (Hach, Der Heider. Oder Outside Xbox. Hach.)

Wobei: Leider bekomme ich momentan dauernd Werbung für „Batman – der Lego-Film“ bei YouTube zu sehen und ich fand die ersten Trailer ja noch süß, aber ich glaube nicht, dass ich mir den Film im Kino ansehen werde – und außerdem kommt das Teil jetzt relativ OFT. Ich könnte das verstehen, wenn ich mir lauter Videos von Kanälen mit Comic-Inhalten angesehen hätte und YouTube jetzt meint, ich würde mich total für Lego-Superhelden interessieren. (Natürlich nicht. Weder noch.) Aber es gibt einige Youtube-Channel, die dann auch bewußt ihre Werbung so gut schalten, dass sie mich halt nicht nervt. Es gibt dann tatsächlich so eine Art angekündigten Werbebreak, bei dem dann die Werbung läuft und dann ist gut. Meistens ist das auch nur ein Clip in der Mitte und ein Clip am Ende. Oder einer am Anfang, bevor das Video so richtig losgeht. Damit kann ich ja umgehen. Youtuber, denen es gelingt sage und schreibe in 10 Minuten Video 8 Werbeblöcke reinzuballern, die dann auch noch irgendwann im Video erscheinen? Danke, muss nicht. Wobei die Inhalte von solchen Youtubern mir auch völlig schnuppe sind, ich kauf mein Deo garantiert nicht aus der BIBI-Rossmann-Produktpalette. (Wer Badeschaum hat, hat auch sowas. Be-stimmt.)

Wir fassen zusammen…

Erstens: Raunzt mich nicht an, wenn ihr bemerkt, dass ich einen Adblocker eingeschaltet habe. Ich habe gewiß meine Gründe dafür und würde sie euch gerne auch auseinanderliegen. (Wie um Himmelswillen überleben Sie, lieber Leser, eigentlich gewisse Zeitungsangebote im Internet? Die sind ja sowas von mit Werbung zugemüllt und meistens dann noch mit nervigen Overlay-Popups, die die Inhalte dann auch komplett verbergen…)
Zweitens: Tja, schade, aber ihr seid halt nicht wichtig genug für mich, damit ich permanent eure Werbung ertrage. Das kommt vor. Seid nicht traurig, dafür haben euch andere Internetnutzer total lieb und kuscheln gerne mit euch.
Drittens: Ab und an habe ich auch gerne mal meine Privatsphäre für mich. Danke. Und wenn ihr wirklich eure Webseite knallvoll mit diesen Werbenetzwerken-Cookie-Abgreifern bestückt, dann gerne ohne mich.
Viertens: Könntet ihr Werbung mal cleverer einsetzen? Ich weiß, wenn ich jetzt schreibe, dass ich zielgruppenorientiere Werbung toll finde ist das ein Widerspruch, denn dafür müsstet ihr mich als Person besser kennen und das würde bedeuten… Richtig: Noch – mehr – Cookieabgreifprogramme, damit ihr noch mehr über mich wisst. Aber: Ihr habt eigentlich schon sehr grundlegende Daten von mir und es gelingt euch immer noch nicht, mir irgendwie passende Werbung einzublenden? Ich meine, bei Twitter ist das ja teilweise schon eine Katastrophe, bei Facebook gehts einigermaßen – na ja – aber sonst? Eher nicht so. Lustig fand ich dann Folgendes: Ja, ich habe mal nach Tanzschuhen für Herren gesucht und bekam dann immer „Der nächste Tanzkurs ist in…“-Werbung. (Manche lokale Anbieter haben sowas bei Facebook ja durchaus geschaltet.) Nur – und da versagt die Werbung, aber das könnte man auch schnell rausfinden: Ich interessiere mich nicht für Tanzkurse, weil ich Tanzschuhe gekauft hab. Ich bin Organist. Das sind Orgelschuhe. Fürs – Pedalspielen…

3 thoughts on “Notwehr und die Folgen: Lasst uns über Adblocker reden, liebe Angebote!

  • Reply Birgit Schultz 5. Februar 2017 at 21:01

    Hallo Christian,
    ein herrlich geschriebener Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Ich habe schon vor fast vier Jahren einen ähnlichen Beitrag in meinem Marketing-Logbuch verfasst: http://www.rat-und-tat-marketing.de/gedanken-zum-kampf-der-medien-gegen-adblock-nutzung/ – und er ist (leider) immer noch aktuell.
    Hoffen wir gemeinsam, dass solche Appelle doch irgendwann einmal Wirkung zeigen. Dann braucht es vielleicht auch keinen Adblocker mehr …
    Beste Grüße
    Birgit

  • Reply Newsletter der SteadyNews vom 7. Februar 2017 - Steadynews | 14. Februar 2017 at 08:11

    […] vom 31. Januar bis 7. Februar 2017Notwehr und die Folgen: Lasst uns über Adblocker reden, liebe Angebote! » Vermutlich geht es Ihnen, liebe Leser, manchmal so wie mir. Da poppt eine interessante Nachricht im […]

  • Reply Newsletter der SteadyNews vom 7. Februar 2017 15. Februar 2017 at 09:38

    […] vom 31. Januar bis 7. Februar 2017Notwehr und die Folgen: Lasst uns über Adblocker reden, liebe Angebote! » Vermutlich geht es Ihnen, liebe Leser, manchmal so wie mir. Da poppt eine interessante Nachricht im […]

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