Pest oder Cholera? Social Media Überwachung von Staat und Privatwirtschaft

Wie die FAZ Ende Mai 2016 berichtete, analysieren immer mehr US-Arbeitgeber das Gesundheits- und Sozialverhalten ihrer Mitarbeiter. Grundlage der Analyse sind Daten, die bei den entsprechenden Datenbrokern eingekauft werden. Natürlich gibt es auch in den USA Datenschutzvorschriften, aber die können umgangen werden. Auch der chinesische Staat interessiert sich für das Verhalten seiner Bürger und will bis 2020 sogar ein Belohnungssystem für erwünschtes Verhalten im Web einführen. Was ist nun bedrohlicher? Die Datenanalyse durch einen Staat? Oder doch durch die Privatwirtschaft?

Gesundheits- und Verhaltensdaten bei US-Arbeitgebern

Immer mehr Unternehmen und Versicherungen in den USA interessieren sich für Gesundheitsdaten und für das Kaufverhalten ihrer Mitarbeiter, und ebenfalls dafür, ob diese wählen gehen. Herausgefiltert können die personalisierte Daten vor Allem aus Fitnesstrackern und Smartwatches, aber auch aus einigen anderen Smartphone-Apps. Durch das Verhalten auf Gesundheitsseiten und in Apps kann eventuell identifiziert werden, ob eine Mitarbeiterin im gebärfähigen Alter Informationen zum Thema „Fruchtbarkeit“ sucht – oder ob sie ihr Pillenrezept abgesetzt hat.

Ebenso kann anhand des Kaufverhaltens abgelesen werden, ob sich Mitarbeiter sportlich betätigen, was sie an Medien konsumieren und ob sie Computerspiele spielen. Interessant ist dabei auch das Wahlverhalten. Anscheinend verhalten sich registrierte Wähler gesundheitsbewusster als Mitarbeiter, die nicht wählen. Die mit Algorithmen errechneten verhaltenspsychologischen Erkenntnisse können sowohl Entlassungen beeinflussen, als auch Beförderungen oder hier und da ein ernstes Gespräch…
FAZ: Wie Firmen Daten ihrer Mitarbeiter ausspähen

West und Ost

Ob West, ob Ost – Menschliches Verhalten kontrollieren macht Allen Spaß

China und sein Social Media Belohnungssystem

Auch die chinesische Regierung weiß die Überwachungsvorteile des Internets zu schätzen. Zunehmend soll das Verhalten der Bürger über Belohnungssysteme beeinflusst werden. Schon heute können sich Menschen freiwillig bei Chinas größtem Online-Unternehmen Alibaba bewerten lassen. Dort sind eine halbe Milliarden Chinesen registriert. Mit dem „Social Credit System“ soll aus diesem freiwilligen Projekt bis 2020 ein verpflichtendes System werden. Ob das gelingen wird – oder ob es am Widerstand der Bevölkerung scheitern wird, bleibt abzuwarten.

Auf jeden Fall ist es eine kluge Strategie, das staatliche Verhaltens-Bewertungssystem zunächst freiwillig laufen zu lassen. Da es Bonuspunkte mit attraktiven Belohnungen gibt, ist es wahrscheinlich, dass staatstreue und verhaltenserwünschte Bürger gern mitmachen. Je mehr Teilnehmer es werden, desto eher wird Widerstand später schwierig. Schließlich wird es so aussehen, als ob Protestler Grund zur Verweigerung haben, da sie vielleicht etwas zu verbergen haben!

Belohnt wird umweltfreundliches Verhalten, Kauf gesunder Babynahrung, biologisch hochwertige Ernährung und Gemüse aus dem Umland. Konsumsucht, Sex-Videos und Computerspiele führen zu Minuspunkten. Bürger mit einem guten „Citizen Scoring“ erhalten vergünstigte Kredite und Gutscheine für Auslandsreisen.  Schon heute werden die Projektteilnehmer ermutigt, ihre Freunde zur staatlichen „Verhaltens-Schufa“ einzuladen – und das eigene Bewertungsprofil über soziale Netzwerke zu teilen.
Der Freitag: Eine Schufa für das Leben

So, und jetzt Sie: Was ist Ihnen lieber? Wenn die Privatwirtschaft über die Big Data-Dienstleister Verhaltensdaten auswertet und damit den Mitarbeitern einen „Schubs in die richtige Richtung“ gibt? Oder bevorzugen Sie den pädagogischen Blick des Staates, der sich wohlwollend darum kümmert, dass alle Bürger vernünftig, ökologisch und gemeinschaftsorientiert handeln?

Leider wird viel zu wenig darüber berichtet, wie selbstverständlich schon heute Konzerne wie Immobilienscout das Suchverhalten ihrer Nutzer analysieren und verkaufen. Wenn nicht der Gesetzgeber (in unserem Fall die EU) energisch dazwischenfährt und Gesetze verabschiedet, die zu einer neuen Privatsphäre und einem Recht auf die uneingeschränkte Kontrolle aller persönlichen Daten führt, müssen wir uns wohl an ein gläsernes Leben gewöhnen. Vielleicht gibt es dann keine Verbrechen mehr? An irgendwas erinnert mich das…..

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Pest oder Cholera? Social Media Überwachung von Staat und Privatwirtschaft

  • Reply Heiner 9. Juni 2016 at 07:34

    Liebe Eva,

    danke für das Aufgreifen dieses wichtigen Themas. Damit dringt es wieder in mein Bewusstsein. Schon seit längerem frage ich mich, wohin das Sammeln der vielen Daten wohl führen wird. Werden die Menschen zu einer Art Knetmasse in den Händen derer, die sich die Daten aneignen können? Ob das Regierungen, Konzerne oder reiche Menschen sind, wird eher zweitrangig sein. Der wichtige Punkt ist Verantwortung. Werden diese Besitzer der Daten mit ihnen verantwortungsvoll umgehen? Ja, sind sie sich der Verantwortung überhaupt bewusst oder wird es um den schnöden Mammon gehen, um Bereicherung. Dazu kommt noch eine Eigendynamik in dem Sinne, dass sowohl ein Staat als auch ein Unternehmen überleben will.

    Es wird spannend!

    Liebe Grüße
    Heiner

    • Reply Eva Ihnenfeldt 18. Juni 2016 at 11:15

      Wir sollten man eine Blogparade starten mit dem Titel: „Was wäre, wenn Hitler so viele Daten von uns allen hätte wie heute?“ Vielleicht würde dann bildhafter, was passieren würde. Dann gäbe es nicht mal mehr ein Flüstern und kein heimliches Hören vom „Feindsender“ „Radio London“ wie damals. Aber dass die private Wirtschaft ihre angepassten, ehrgeizigen Karrieristen herauspicken kann, ist so ein Novum, da fällt mir kein geschichtlicher Vergleich ein. Was meinst Du – sollen wir so eine Blogparade wagen?

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