Stimmt es, dass junge Leute Facebook meiden? Oder ist das ein Gerücht?

Vor einigen Tagen habe ich eine Sparkasse in Niedersachsen in Social Media Marketing geschult. Die Mitarbeiter hatten sich einen kompletten Überblick über den Einsatz von Social Media im B2B-Bereich (Business to Business) gewünscht – von den Netzwerken bis zum Aufbau einer individuellen Strategie. Natürlich war auch Facebook Thema. Als ich darauf zu sprechen kam, dass das durchschnittliche Nutzungsalter von Facebook in Deutschland weiter steigt – und junge Leute auf Instagram, WhatsApp und Snapchat ausweichen, wollte mir eine junge Mitarbeiterin aus dem Marketing-Bereich erst gar nicht glauben: „Das kann doch nicht sein! Meine Freunde sind sehr aktiv bei Facebook – genau wie ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Zahlen stimmt.“

Ja, es ist immer so eine Sache mit Studien und Statistiken. Wenn jüngste Zahlen vom Social Media Atlas 2016/2017
Hier bei Faktenkontor
unter dem Slogan „Schwach unter Teenagern, stark über 60“ vermelden, dass Facebook nur noch 67 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren Facebook nutzen, kann das sehr verwirren. Denn unsere persönlichen Erfahrungen gehen häufig sehr weit auseinander mit statistischen Werten. Außerdem sind 67 Prozent ja nicht gerade wenig oder?

Persönliche „Marktforschung“ unter Studenten

Ich unterrichte ja seit geraumer Zeit einmal jährlich das Modul „Marketing und Social Media Marketing“ bei Studenten der analytics-1925495_640Ruhr Universität. So habe ich meine eigene kleine Marktforschung in Bezug auf die Nutzung von Social Networks in der Altersgruppe 21 bis 29 Jahre. In den ersten Jahren gab es noch StudiVZ, und ich weiß noch sehr gut, wie eifrig die jungen Leute dort aktiv waren. StudiVZ war als Netzwerk sehr beliebt, weil man dort unter sich war und weil die ganze Web 2.0 Welt noch unerforscht und „unverdorben“ war. Damals war Facebook in Deutschland ganz in den Anfängen, und keiner meiner Studenten kam auf die Idee, dorthin zu wechseln – die Peer-Group war ganz selbstverständlich bei Studie-VZ, und zwar am Rechner oder Laptop.

Dann kam das Smartphone. StudiVZ verschwand innerhalb weniger Jahre nach dem Verkauf an Holtzbrinck – die Seele war weg. 2012 waren die StudiVZ-Nutzerzahlen nicht mehr nennenswert, die Jugend wanderte weiter zu Facebook. Doch die undurchschaubaren Datenverwertungen und die nicht kontrollierbaren Privateinstellungen bei Facebook enttäuschten sehr schnell die jungen Leute. Die Unzufriedenheit war sehr groß, was auch Studien bestätigten.

Wird man zum Beispiel bei Facebook in einem Bild markiert, in einem Kommentar verlinkt oder zu einem „Ort“ hinzugefügt, lässt sich das nicht verhindern. Gerade für junge Menschen ist das bedrohlich. Man weiß nicht genau, welche Wege die eigenen Inhalte bei Facebook nehmen werden. Die Angst vor Cybermobbing und Rufschädigungen durch Partyfotos etc. forderte ihr Tribut. Man zog sich wieder zurück. WhatsApp wurde zur Alternative. Die Eltern bevölkerten plötzlich Facebook, was zusätzlich zum Ausstieg beitrug.

Wenn ich heute meine Studenten nach dem Nutzungsverhalten in Social Media frage, habe ich fast nur noch Passiv-User – und zwar bei Facebook und Instagram. Manche, vor Allem politisch Interessierte, nutzen auch Twitter. Gut gepflegte Xing-Profile haben erstaunlich viele. Es hat sich herumgesprochen, dass ein attraktives Xing-Profil wertvoll ist bei der Suche nach Praktikums- und Trainee-Stellen. Doch eigene Inhalte posten in einem öffentlich sichtbaren Netzwerk? Für die meisten jungen Leute kommt das nicht in Frage, sie lesen zwar gern mit, aber sie möchten nicht zur teilbaren „Ware“ werden mit ihren Meinungen, Bildern und Erlebnissen.

Facebook, Instagram, WhatsApp – ist doch egal?

Instagram und WhatsApp gehören ja nun auch zum Zuckerberg-Imperium, von daher mag es dem Konzern zumindest aus der Datensammel-Sicht gleichgültig sein, wie die jungen Menschen zum Teil des Imperiums werden mit ihren Mobilgeräten, die ja sogar Geo-Informationen senden. Ist es also nicht so wichtig für Facebook, dass die Nutzer immer älter werden und auch der Charakter des Netzwerkes sich zunehmend verändert?

Wird ein Netzwerk älter, wird es sklerotisch

Ich bin sicher, dass Zuckerberg und sein Team nicht locker lassen werden bei Lösungen, um auch für junge Menschen wieder attraktiv zu werden. Der Vertrauensverlust muss wieder wett gemacht werden, sonst droht Facebook zu sterben. Zwar sind die älteren Facebook-Nutzer auch interessante, zahlungskräftige Kunden für die Kunden der Plattform, doch die Jugend gibt das Image vor und bringt frisches Blut und Inspirationen. Ohne Begeisterung der jungen Menschen beginnt der Stern Facebook zu verdunkeln.

Dann muss die Welt nur auf ein neues soziales Netzwerk warten, das Facebook ersetzen kann mit einem „echtem“ Mehrwert für die Nutzer. Und dann kann es womöglich genau so schnell gehen wie damals bei StudiVZ. Alles rennt rüber – und nur die Senioren bleiben noch ein bisschen länger, weil sie grundsätzlich jeden Neuanfang scheuen.

Fazit

Glaubt ruhig den Zahlen, auch wenn es Eurem persönlichen Erfahrungshorizont widerspricht. Nutzt Facebook als Marketingkanal klug und pragmatisch, ohne in Illusionen zu versinken, dass Ihr darüber als Anbieter die Jugend und den Kunden-Nachwuchs anzieht. Auch mit schönen Bildern bei Instagram und Pinterest erreicht man wenig. Es sei denn, man kann über Sympathie, Vertrauen, Identifikation, Exklusivität und/ oder einen unschlagbaren Preis punkten. Social Media verändert sich in rasender Geschwindigkeit, und wir alle sind wohl gezwungen, diesen Wandel mitzutragen und uns immer wieder neu zu hinterfragen.

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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