Warum es gut ist, wenn Mädchen bei YouTube Schmink-Tutorials gucken

Viele „Erwachsene“ verzweifeln daran, dass die Mädchen von heute sich ständig Video-Tutorials anschauen mit Schminktipps. Sie stöhnen darüber, dass die Mädchen bei Instagram InfluencerInnen folgen, die wir mit ihren Werbe-Bildchen als „charakterlose Kleiderstange“ einstufen würden. Heute im Kurs haben wir gemeinsam versucht, das GUTE an dieser Entwicklung zu erkennen. Kann man Positives daran finden, wenn pubertierende Mädchen Germany’s Next Topmodel gucken, Model werden wollen und sich im Social Web überwiegend mit „Schönheits-Themen“ beschäftigen? 

Schönheit, Selbstwert, Anerkennung

Zwei meiner weiblichen Students haben es dann in der Pausendiskussion wunderbar formuliert: Junge Mädchen brauchen Souveränität und Bewusstheit für ihren erwachenden Körper, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sich unverwundbar zu machen bei Kritik ihrer äußeren Erscheinung. Außerdem ist die Entwicklung gut, weil sie Spaß am „freiwilligen“ Lernen mit Tutorials und Posts außerhalb des Schulbetriebs finden. Diese Freude an der Weiterbildung pflanzt sich dann womöglich fort auf andere Bereiche – von der Selbstoptimierung hin zu Biologie, Chemie, Politik, Psychologie… Ist die Freude erst einmal geweckt, sucht sie sich weitere passende Felder.

Intellektuelle Frauen bei YouTube haben es schwer

Sofort fiel mir eine Studie ein, die ich morgens gefunden hatte: Es gibt viele YouTube-Kanäle, die sich mit bestimmten Aspekten aus der Wissenschaft beschäftigen. In der Liste der 370 beliebtesten YouTube-Kanäle, die sich mit solchen wissenschaftlichen und semi-wissenschaftlichen Inhalten beschäftigten, fanden sich sage und schreibe nur 32, die von Frauen geführt waren.
Zeit – Zett-Magazin vom 18. Juli 2018: Warum Wissenschaftlerinnen bei YouTube in feindlicher Umgebung sind

Nun kann man vermuten, dass Frauen einfach ein zu kleines Gehirn für Wissenschaft haben und deswegen weniger Vernünftiges zu sagen haben als ihre männlichen Kollegen. Oder dass es so wenig bühnenbereite Wissenschaftlerinnen gibt, da diese sich mehr auf die eigene Familie fokussieren und weniger missionarischen Eifer für den Rest der Welt mitbringen.

Doch die Studie brachte ganz andere erschreckende Ergebnisse zu Tage: Die wenigen Frauen erhalten bei YouTube sehr viel mehr emotionale und kritische Kommentare als ihre männlichen Kollegen. Dabei geht es häufig in den Kommentaren nicht um den Inhalt des Videos – sondern um die Person und das Aussehen der Wissenschaftlerin: „Deine Haare sehen heute richtig gut aus.“, „Ich habe nur ihre Brüste angestarrt.“, Geh zurück in die Küche und mach mir ein Sandwich!“, „Sie ist so hässlich, ich musste fast kotzen.“

Iiiiih, bist Du hässlich

Und da verstand ich, was meine StudentInnen ansprachen: Um aus der Falle der „gläsernen Decke“ zu kommen (man sagt, es gibt in Deutschland auch deshalb so wenige Führungsfrauen, weil diese permanent an eine unsichtbare Decke stoßen), muss man sich stählen. Einflussreiche Frauen müssen ebenso unempfindlich gegenüber Attraktivitäts-Beleidigungen werden wie unsere Bundeskanzlerin.

Lasst sich die Mädels schminken und putzen…

Lasst also die Mädels sich schminken und putzen, lasst sie tausend Selfies machen bei Instagram und Snapchat. Sie trainieren damit die Unempfindlichkeit gegenüber dem verletzenden Satz „Iiih, bist Du hässlich“. Sie finden sich dann selbst sooooo schön, dass sie die Schmähungen abschütteln können. Und abgesehen davon werden sie natürlich sehr viel seltener beleidigt, wenn sie wirklich das Beste aus ihrem Typ machen. Wie praktisch!

Die Gefahren bleiben: Narzissmus, Essstörungen, intellektuelle Selbst-Reduktion auf die Sex-Bombe, Depressionen, Sucht… Doch das Argument hat mich überzeugt: Wer seinen eigenen Körper pflegt und schmückt wie ein geliebtes Heim, ist stolz auf sich und verliert seine Furcht vor schmähender Kritik. Lernen und leisten tun die Mädels eh schon mehr als ihre männlichen Altersgenossen, wie Leistungsvergleich-Studien aus Schule und Universität beweisen. 🙂

Video-Tutorials sind für alle gut

Video-Tutorials sind für alle Jugendlichen gut, um die Freude am Lernen zu pflegen: Die Jungs gucken gern Fitness-Videos, Koch-Anleitungen und Let’s-Play Streams. Die Mädchen beginnen sehr oft mit Schminken, Kleiden und Kochen. Egal, Hauptsache lernen! Mit zunehmenden Alter verändern sich die Interessen – der Schlüssel zum eigenbestimmten Lernen bleibt. Gut so.

Und an meine beiden tollen Frauen im Kurs: DAAAAAAAANKE!

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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