Was uns Corona lehrt: Der Gesellschaftliche Diskurs

Als es losging mit der „Graswurzelbewegung/ Web 2.0 Bewegung“ war ich sofort Feuer und Flamme. Die alte Sehnsucht von Bertolt Brecht von 1932, im Rundfunk könne der Hörer nicht nur zuhören, sondern auch senden, wurde wahr. Nun haben wir diesen Kommunikationsapparat. Waren es anfangs nur die Nerds und digitalen Pioniere, die das Recht auf Senden auszuüben verstanden, breitete sich dieses neue Bürgerrecht immer weiter aus – sowohl in Gesellschaftsschichten als auch global. Und nun stehen wir da in der Pandemie, mit politischen Entscheidungen, die schnell getroffen werden müssen, die Grundrechte einschränken und die auf unendlich viel Widerstand stoßen.

Das Volk und seine Bürger/Innen

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

Das Volk besteht aus lauter Individuen. In Deutschland besteht das Volk aus 83 Millionen Menschen. Und all diese Individuen (ab 18 sind sie wahlberechtigt) haben ihre persönliche Biografie, ihre persönliche Betroffenheit, ihre Wertesysteme und ihre Art, Schlussfolgerungen zu ziehen. Den Einen ist die Corona-Politik zu lasch, den Anderen zu streng, die Einen hätten für die Impfschnelligkeit gern einen nationalen Alleingang gemacht, die Anderen befürchten eine Impfpflicht, die Einen sehen Corona als globale Verschwörung, die Anderen sehen Maßnahmen-Kritiker als Verfassungsfeinde, viele leiden still vor sich hin und wieder Andere genießen die Stille und Einsamkeit und erholen sich regelrecht vom Stress der vergangenen Jahre. Und natürlich gibt es die vielen (wie mich), die ständig ihre Meinung ändern, je nachdem, welche neuen Informationen und überzeugenden Argumente sie hören.

Die digitale Welt und ihre Schatten

Wir sehen in anderen Ländern, wie sich durch den Sender-Empfänger-Kommunikationsapparat „Internet“ Gesellschaften zusehends aufspalten in Befürworter und Gegner von Politik, Exekutive und Jurisdiktion. In den USA ist es seit Trump besonders präsent in unseren Medien, wie der Kommunikationsapparat von politischen Playern benutzt wird mit Hilfe von Bot-Farmen, datengetriebenen Manipulationen, stakkatoartiger Propaganda und Einflussmacht in den Medien.

In Deutschland neigen wir dazu, mit einschränkenden Gesetzen und Zensur reagieren zu wollen, um Fake-News, Manipulationen und gesellschaftsspaltende Botschaften zu verhindern. Der soziale Friede ist in unserer Kultur stärker verankert als der Ruf nach der Freiheit des Individuums. Unser Misstrauen gegen den Staat ist weitaus geringer als zum Beispiel in den USA, wo das individuelle „Streben nach Glück“ höher gehalten wird als soziale Fürsorge und Kontrolle durch Behörden und Gesetze.

Was machen wir also mit einer Welt, in der wir uns in Deutschland nicht isolieren können, weil unser Kommunikationsapparat Internet nun mal global funktioniert und selbst die autokratischsten Systeme Probleme haben, eine digitale Mauer um ihre Nation zu ziehen? Sollen wir uns das politische System China zum Vorbild nehmen, um gesellschaftliche Spaltung zu verhindern und Maßnahmen rasch und wirkungsvoll durchziehen zu können, anstatt kostbare Zeit zu verschwenden mit langatmigen Diskursen, die ja doch nie zu einem einheitlichen Ergebnis führen?

Sehnsucht nach Autokratie?

Ich frage mich, ob wir wirklich gerade in eine Zeit kommen, in der die Autokratie der Demokratie überlegen ist. Passten demokratische Entscheidungsprozesse in die industrielle Welt, in der die Rechte der Arbeiter erweitert werden mussten, um mit Wohlstand und Bürgerrechten die moderne Konsumgesellschaft aufzubauen, passt es in einer rasend schnell sich entwickelnden digitalen Welt anscheinend gut, wenn sehr schnell politische Entscheidungen getroffen werden können, ohne dass alle möglichen Interessensgruppen und Parteiflügel ihre Einsprüche erheben können.

Ich spüre in meiner persönlichen Erfahrungswelt, wie die Sehnsucht nach einem starken Führer mit der Angst vor Corona wächst. Die Menschen sind es leid, sich täglich neue Zahlen, Daten, Fakten, Einschätzungen, Meinungen, wissenschaftliche Diskurse anzuhören. Sie wollen einfach wieder ein normales Leben haben, wollen arbeiten, reisen, Geld verdienen und ihren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen. Sie wollen sich mit ihren Liebsten treffen und feiern wollen sie auch. Da ist es doch verständlich, wenn man sich jemanden wünscht, der „durchgreift“. Wenn man sich danach sehnt, dass es zwar weiter Wahlen gibt – aber ansonsten klar geregelt ist, wer sich in welchen Grenzen äußern darf und was gelöscht werden muss, weil es zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen kann. Brauchen wir mehr Zensur im Internet?

Wir werden lernen, zu kommunizieren

Schon während ich das aufschreibe, entspanne ich mich. Ja, nach der Kinderladenbewegung in den Sechzigern dachten auch viele, die antiautoritäre Erziehung sei gescheitert und nun kommt wieder die gute alte autoritäre Erziehung. Doch was ist passiert? Züchtigungsrecht von Erziehungspersonen ist abgeschafft. Der Umgang mit Kindern in Bildungseinrichtungen ist weitaus partnerschaftlicher als in den Sechzigern. Wir achten Menschen, die anders sind. Rassismus ist verpönt und bei Kindern schon kaum noch Thema.

Ich glaube, so wird es uns auch mit dem Sender-Empfänger-Kommunikationsapparat gehen. Die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ wird regelrecht aussterben. Junge Menschen werden uns vormachen, wie man in Diskursen kommuniziert, ohne zu beleidigen und respektlos zu sein. Die kommunikative Lynchgier wird so unmodern wie die Lynchgier des Ku-Klux-Clans in den USA (Wikipedia zu Lynchjustiz).

Worum ich uns alle bitten möchte ist, nicht zur schweigenden Masse zu gehören sondern zu denen, die freundlich, verständnisvoll, zugewandt und lösungsorientiert im Internet kommunizieren. Es ist ein langer Weg, achtsame Kommunikation im Internet zu lernen. Aber wir werden es schaffen, ich bin ganz sicher. China-Autokratie passt einfach nicht zu uns. Ich freu mich ja, dass die allermeisten Chinesen sehr einverstanden sind mit ihrer politischen Führung – aber wir sind nun mal anders. Wir mögen Kreativität, Meinungsvielfalt, freie Rede und das Recht auf völlig verrückte Lebensentwürfe. Darum bin ich optimistisch. Wir schaffen das.

Stellvertreter-Fazit

Diese dreieinhalb Minuten habe ich mir jetzt schon dreimal angeschaut, weil ich sie sehr beeindruckend finde. Ein sichtlich angeschlagener Jan Josef Liefers und der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, die Beide Stellung beziehen zu der Kampagne #allesdichtmachen

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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