Ist Xing ein B2B-Vertriebskanal? Oder nur ein elektronisches Visitenkartenbuch?

Das Social Media Netzwerk Xing ist so eine Art „Deutscher David“ im Reich der US-Goliaths. Bei Xing wird Netzwerken beruflich bzw. geschäftlich verstanden, hier geht es nicht um Likes für Katzen-, Essens- und Urlaubsfotos, hier geht es um ernsthafte Dinge: Elektronisch Kontaktdaten sammeln, ein Business-Webprofil präsentieren, mit Experten diskutieren und Events organisieren. Xing hat dabei zunehmend den Fokus auf die Welt der Angestellten gelegt (ist ja auch ein viel größerer Markt), aber gerade Selbstständige und Unternehmen können Xing hervorragend im B2B (Business to Business) Marketing einsetzen – wie schade, dass es so wenig tun!

Jasmin Wichert, Top-Speaker bei KMU-digital am 27.10.15 in Dortmund

Jasmin Wichert, Top-Speaker bei KMU-digital am 27.10.15 in Dortmund

Der erste Veranstaltungsabend des neuen Unternehmernetzwerkes KMU-digital beschäftigte sich am 27.10.15 explizit mit Xing als Vertriebskanal. Keynote Speaker war Jasmin Wichert, Mitinhaberin der Dortmunder Internetagentur Xiega. Durch ihre professionellen Tipps inspiriert habe ich im Vorfeld der Veranstaltung einen dreistündigen Selbstversuch bei Xing gestartet – und siehe da: Es funktioniert!

Tatort Xing, 19. Oktober 2015

Ich wache mitten in der Nacht auf mit der panikartigen Erkenntnis, dass wir von KMU-digital für die „Social Media im Vertrieb“ Veranstaltung am 27. Oktober viel zu wenig getan haben. Schließlich sind die Tickets nicht so günstig – je teurer und anspruchsvoller ein Event ist, desto mehr muss für die Bewerbung getan werden – logisch. Ich erinnere mich an die Inhalte des Vortrags von Jasmin Wichert und mache einen Plan (übrigens immer noch mitten in der Nacht – notiere alles auf dem Smartphone im Dunkeln).

Am nächsten Morgen um 7.00 Uhr sitze ich schon am Rechner und kreiere ein Xing-Anschreiben, das mir passend für meine Kontakte erscheint. Es soll einladend sein, herzlich, freilassend, und eine gute Gelegenheit, mal wieder in Kontakt zu kommen. Insgesamt habe ich bei Xing weit über tausend Kontakte und finde es sehr schade, dass ich die allermeisten von ihnen lange nicht mehr gesprochen habe!

Xing-Anschreiben

Es ist 8.00 Uhr. Ich beginne mit dem Buchstaben „L“. Denn alle Kontakte bis „K“ hatte ich schon bei einer langweiligen Veranstaltungen vor einigen Monaten getaggt (Dortmund, Rhein-Ruhr, Freunde, Social Media, Stakeholder…) nun tagge ich weiter und schreibe dann alle, die zu Dortmund und Rhein-Ruhr gehören an. Mein Anschreiben habe ich als Vorlage in Word – einmal im „Du“-Modus – einmal etwas höflich/distanzierter in „Sie“.

Etwa drei Stunden – mit einigen Unterbrechungen ist es dann 13.30 Uhr – brauche ich, um 62 Kontakte zu taggen und anzuschreiben. Es macht total viel Spaß, sich über jeden einzelnen Kontakt zu freuen (immer tauchen schöne Erinnerungen auf) und natürlich wird dann doch jedes Anschreiben noch ein bisschen persönlich variiert. Mit dieser Methode verwende ich also für jedes Anschreiben drei Minuten.

Schon während des Schreibens kommen die ersten Antworten – die ich natürlich sofort total gern wieder beantworte. Jeder freut sich, endlich einmal wieder von mir zuhören. Ich beginne, Visionen mit meinen lieben Kontakten zu entwickeln – so viel Herzlichkeit, so viele engagierte Menschen!

Resümee: Haben sich die drei Stunden Xing-Vertrieb gelohnt?

Von den 62 Xing-Nachrichten erhielt ich 17 Rückmeldungen. Das finde ich ausgezeichnet, da viele der Angeschriebenen nur wenig Xing-Aktivität zeigen und höchstwahrscheinlich nie gemerkt haben, dass sie angeschrieben wurden. Ich behaupte mal, dass mindestens 70 Prozent der Menschen, die die Nachricht gelesen haben, auch geantwortet haben.

Ein Auftrag (PR-Artikel in den SteadyNews) kam direkt zustande – Umsatz und drei Stunden Arbeit sind also schon einmal ganz gut beieinander. Hinzu kam ein direkter Termin bei einem potentiellen Kunden und ein sehr konkreter Wunsch von beiden Seiten, sich sehr bald zusammen zu setzen., was ganz sicher auch nicht ohne Erfolg sein wird.

Hinzu kamen zwei super Inspirationen für unser KMU-digital Marketing („Macht doch bitte noch einen zweiten Mailverteiler zusätzlich zu den SteadyNews, damit wir keine Veranstaltung von Euch verpassen“)  und drei SteadyNews-Newsletter-Abonnenten. Und noch etwas ganz Besonderes war dabei: Ein Kontakt fragte mich, ob ich eigentlich wisse, dass da jemand mit meinem Foto für ein Automakler-Portal werbe und schickte mir gleich den Link mit. Wusste ich natürlich nicht und konnte unverzüglich meinen Anwalt informieren. Sachen gibt’s!

Xing oder E-Mail?

Man sieht also, dass schon in der kurzfristigen Erfolgsbilanz die kleine Aktion ausgesprochen erfolgreich war. Zählt man noch die längerfristigen Auswirkungen hinzu, die sich noch zeigen werden, wird es garantiert noch mehr sein. Und dass ohne irgendeine Auswahl der Kontakte, ohne irgendein Vertriebsziel!

Was wäre passiert, wenn ich die Kontakte stattdessen persönlich per Mail angeschrieben hätte? Die Mails wären natürlich alle angekommen und sicher auch gelesen worden. Aber…. ganz sicher hätten sich nicht alle Leser darüber gefreut, sondern hätten sich womöglich „angebaggert“ gefühlt, was ich um nichts in der Welt erreichen will! E-Mails bekommen wir alle so viel, und sie haben immer etwas mit Arbeit zu tun – Xing-Nachrichten sind unverbindlicher, lockerer, man erwartet nicht unbedingt eine Antwort – Beziehungen können nicht so schnell darunter leiden wie unter E-Mail-Aufforderungen.

5 Tipps für Xing als Vertriebsinstrument

  1. Sammelt Kontakte und nutzt die Tag-Funktion, um sie unter bestimmten Begriffen in einem Schwung auswählen zu können
  2. Schreibt keine Akquise-Nachrichten, sondern nehmt einen Anlass, der unverbindlich, freundlich, einladend und ehrlich interessiert am Gegenüber ist – die Einladung zu einem Event erscheint mir schon ganz schön ideal
  3. Antwortet direkt auf jede Rückmeldung, um Respekt auszudrücken und Eure Freude, dass die Nachricht auf fruchtbaren Boden fiel
  4. Optimiert Euer Profil so, dass es zur Nachricht passt. Kann sein, dass sich nicht alle Kontakte gleich an Euch erinnern – dann überprüfen sie Euer Profil – und das sollte zur Nachricht passen
  5. Denkt dran, dass jede Nachricht drei Minuten dauert im Schnitt. Schreibt keine Massenmail, sondern beschäftigt Euch mit jedem einzelnen Adressaten.

Ja, Social Media ist auch nicht anders als Telefon-Akquise. Alles im Vertrieb kostet Zeit und erfordert Sorgfalt und Mut. Die Alternative ist Bekanntheits- und Imageaufbau über Social-Media-Marketing. Doch ohne etwas aktiv zu tun, sollte man bitte bitte nicht dahinblubbern: „Xing kannst Du vergessen, Xing bringt nichts“. denn wie Dornröschen schlafend auf Kunden-Prinzen zu warten, bringt nun mal nie etwas, so ist das Leben…

Übrigens hat sich nicht einer der 62 für unsere Veranstaltung anmelden können. Meistens passte es vom Termin nicht. War aber nicht schlimm, wie sind nun trotzdem 20 Teilnehmer geworden, ganz von allein, eine perfekte Zahl für dieses innovative Mitmach-Format. Jasmin Wicherts Vortrag war so spannend, professionell und konkret nutzbar für den Vertrieb, dass wir kaum ein Ende fanden mit unseren Fragen und Anregungen.

Die Stimmung war bombig – ich war erst um Mitternacht zu Hause. Und wir haben schon einige weitere Ideen für die nächsten monatlichen Events sammeln können. Stichwort: „Systemisches Konsensieren“. Wir wollen unsere Experten-Präsentationen mit lösungsorientierten Diskussionen verbinden, neue Ideen in der Gemeinschaft kreieren und Marketing-Inspirationen entwickeln. So können wir den Experten Dankeschön sagen – und das Expertenwissen aller Teilnehmer nutzen. Denn jeder soll mit einem größtmöglichen Mehrwert nach Hause gehen.
Zum KMU-digital Veranstaltungsformat „Die Berater“

 

"Die Berater" - das Veranstaltungsformat von KMU-digital trägt den Titel zu recht: Experten treffen sich und tauschen sich konstruktiv und lösungsorientiert aus - Bravo!

„Die Berater“ – das Veranstaltungsformat von KMU-digital trägt den Titel zu recht: Experten treffen sich und tauschen sich konstruktiv und lösungsorientiert aus – Bravo!

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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