Das Leben mit und zwischen den Strömen

Die Voraussage dass wir unser Leben in Strömen organisieren werden – soweit ich mich erinnere war das eine Aussage von 2009, die Frank Tentler traf, der mit seinen Cloud-Communities einen wichtigen Akzent für das Storytelling damals schon setzte – ist eingetroffen. Wir haben Spotify installiert, sehen Serien mit Watchever oder anderen Streamingdiensten, unsere Informationen kommen über Facebook und Twitter als Stream oder über den RSS-Reader. Auch die Mail kann man mittlerweile mit diversen Apps als Informationsstrom organisieren lassen – wenn man nicht unbedingt Wert auf Datenschutz legt…

Im Zeitalter des Kuratierens sind die Ströme zu einem essentiell wichtigem Werkzeug geworden. Zum Einen um Informationen für sich selbst zu bekommen – ob gefiltert oder ungefiltert ist eine Frage, die jeder selber beantworten muss – zum Anderen aber auch weil wir als Prosumenten, als Leute die ständig Informationen herstellen und verteilen diese Ströme und Kanäle nutzen um selbst Informationen an andere weiterzugeben, die von uns stammen und die für uns wichtig sind. Dabei haben wir uns bemerkenswert schnell an die Vorteile dieser neuen Art der Informationsweitergabe gewöhnt und die Nachteile kommen uns kaum in den Sinn. Aber auch die gibt es: Wir neigen dazu zu schnell Informationen für bare Münze zu nehmen anstatt uns Zeit und Geduld zu nehmen um doppelt und dreifach nachzufragen. Die Informationsströme führen auch dazu, dass man nach der Devise verfährt erstmal schnell und ungelesen Inhalte rauszuschicken. Man mache sich mal den Spaß ein Rick-Roll-Retweet-Test-Setting zu erstellen – die Ergebnisse werden einen verblüffen.

Das Leben in Strömen hat aber abgesehen davon dass wir neue Methoden für den Umgang mit einer Fülle von Ticker-News entwickeln müssen auch durchaus einen Einfluss auf unser alltägliches Leben. Meine These lautet: Wir werden in Zukunft nur noch Medien bei uns im Haus haben, die wir wirklich lieben, ohne die wir nicht sein können und die wir für unser Wohlbefinden dauernd brauchen. Dazu gehört nicht die CD des neuesten Deutschland-Chart-Hit-Gedängels. Dazu gehört auch nicht der neue Roman von Dan Brown, der in einigen Jahren so vergessen sein wird wie Morris L. West und so ungelesen bleiben wird wie Simmel oder Konsalik. Dazu wird nicht der Kino-Action-Massenware-Hit des Sommers gehören, der nach einer Stunde nach dem Kinobesuch wieder vergessen ist. Diese Art von Medien bekommen wir jetzt schon teilweise als Stream ins Haus geliefert: Video on Demand-Dienste wie Watchever, Musik-Streamdienste wie Spotify oder das – meiner Meinung nach hirnrissige, weil die Gepflogenheiten der analogen Welt in die digitale überführend statt irgendwie neue Impulse zu setzen – Verfahren der Onleihe für das Ausleihen von eBooks reichen für die Medien, die momentan hip sind, deren Erkenntnisse wir nur temporär benötigen. Wer hebt denn schon die Zeitung von gestern auf, außer fürs Einwickeln von Fischen? Und selbst Kochrezepte aus Meine Familie und ich werden in der Regel kopiert und das Magazin als solches landet im Altpapier. Und die Doku “We feed the World” ist total informativ, aber Dokus guckt man sich auch nur selten zweimal an. Da reicht der Stream.

Anders dagegen wird das in Zukunft mit Medien sein, die wir wirklich wertschätzen. An denen unser Herz hängt. Die wir dann auch begeistert anderen Leuten empfehlen möchten. Das werden natürlich unterschiedlich Dinge sein. Für den einen die Goldbergvariationen von Gould gespielt, für den anderen die Best of von Andrea Berg. So wie wir früher die Schalplatten – ihr erinnert euch, diese großen, schwarzen Dinger – im Geschäft vorgehört haben, tun wir das jetzt mit Spotify oder mit iTunes. Bei mir hat sich das so niedergeschlagen: Ich weiß, ich brauche das neue Daft-Punk-Album nicht, aber den neuen Bowie habe ich mir gekauft. Ich weiß, ich werde Food Inc. nicht als DVD benötigen, die Doku werde ich mir per Streamingdienst anschauen, aber The Little Shop of Horrors habe ich zweimal hier: Einmal von iTunes, einmal auf DVD mit Zusatzmaterial.

In Zukunft werden wir öfters von Strömen umgeben sein, weil das ja auch etwas Bequemliches hat: Anstatt darauf zu vertrauen dass die Videothek gerade jetzt meinen Lieblingsblockbusterfilm in ausreichender Stärke da hat kann ich mir den per Stream – sofern der im Angebot des Dienstes ist, okay, aber irgendwas ist immer – bequem auf mein iPad oder den Rechner holen. Dann wann ich darauf Lust habe. Und Zeit.

One thought on “Das Leben mit und zwischen den Strömen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert