Zugegeben – ich stieß nur rein zufällig über diese Meldung über Twitter, weil die digitalen Influencer in Bonn, Düsseldorf und anderen Städten sich freuten: Sie seien jetzt ein Digitalhub. Digital-Was? Das habe ich mich auch gefragt, liebe Leser und erst nach etlichem Googeln entdeckt, dass das Land NRW eine Abteilung für Digitale Wirtschaft hat. Wussten Sie davon? Ich bisher nicht, obwohl das einen als jemanden der digital unterwegs ist in diesem Bundesland ja eigentlich bewußt sein sollte….
Die Aufgabe klingt ja ganz gut: „Köpfe, Kapital und Kooperation von Startups, Mittelstand und Industrie für die digitale Transformation im Westen der Republik“ wollen sie sein. Und es sind hochkarätige Personen dabei: Ibrahim Evsan, Tanja Rosendahl, Klemens Skinicki – wenn jemand das Land Digitalien erforschen möchte, dann hat er hier die kompetenten Führer. Nur: Warum ging das komplett an mir vorbei? Und vermutlich an Ihnen, den Lesern?
Alles ist digital und hubbig
Dies aber ist nicht die zentrale Frage dieser Kolumne, die zentrale Frage ist: Was ist eigentlich ein Digitalhub, für den das Land jetzt Fördergelder zur Verfügung stellt? 12,5 Millionen übrigens. Klar definiert ist das nicht. Die Rede ist zwar immer davon, dass es diese Hubs gibt und geben soll, aber wie genau die aussehen – das ist von Stadt zu Stadt verschieden. Eventuell ist es sogar bewußt offen gehalten worden. Wobei: Von Stadt zu Stadt ist nicht so ganz richtig, denn wie immer – „man muss das Ruhrgebiet als Metropole sehen“ scheint im Kopf der Entscheider drinzustecken und daher bekommt nicht wie bei den Anderen eine Stadt den Zuschlag für den Digitalhub – nein, es sind im Ruhrgebiet deren 6. „Sechs Städte wollen mit neuartigen Formaten wie FutureCamps und Matching-Events Gründer, Mittelstand und Industrie vernetzen. Partner: WMR, Wirtschaftsentwicklungs-gesellschaft Bochum, die Wirtschaftsförderer Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen sowie Mülheim & Business GmbH.“ Werden Sie so richtig schlau draus, was diese Hubs nun sein sollen? Ich auch nicht – selbst nach dem Lesen der anderen Hubs und deren Beschreibung nicht: „Das geplante Zentrum bringt digitale Gründer, IT-Mittelstand (Enabler), digitale Anwender aus der Wirtschaft (User) sowie Region und Wissenschaft (Supporter) zusammen.“ Das ist in Aachen geplant. Innovationsgaragen entstehen in Bonn, „die Initiative (in Köln. D. Verf.) will Dienstleister (Enabler) für die digitale Transformation und Think Tank (Innovator) sein. Leistungen: Partnersuche (Matching), Start-up-Förderung, Außenhandelsunterstützung. 100 Unternehmen und Einrichtungen aus Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Startup-Szene unterstützen die Bewerbung.“ Irgendwie ist das alles schwammig formuliert – was vermutlich dem Konzept geschuldet ist, man wollte wohl keine einschränkenden Bedingungen für das Programm aufstellen um allen eine Chance zu geben.
Vorhang zu und alle Fragen offen
Gerade diese Offenheit aber lässt mich ratlos zurück. Zum Einen: Es gibt schon seit Jahren Gründungs-Wettbewerbe, bei denen auch digitale Firmen mitmachen. Es gibt spezielle Angebot für Gründer – sollten die StartUp-Center hier nicht Hilfestellungen leisten? Die Wirtschaftsförderungen machen doch gerade auch viel im Bereich von digitalen Neugründungen. Duisburg und Dortmund haben Kreativquartiere – bei Duisburg muss man einschränken, dass hier weniger der digitale Bereich als der künstlerische angesiedelt sind, also eigentlich überwiegend nur Künstler, in Dortmund ist die Mischung zwischen Künstlern, Anbietern wie Heimatdesign und reinen Programmierfirmen besser gelungen. Da wird also jede Menge schon getan.
Zum Anderen: Es kann sein, dass die sechs Ruhrgebiets-Städte vereint als Ort sich beworben haben. Keine Ahnung. Eventuell eine späte Frucht von RUHR2o10 – aber gerade RUHR2010 zeigt doch, dass Städte im Ruhrgebiet kaum miteinander kooperieren möchten. Die Chance zur Zusammenarbeit nach dem Kulturhauptstadtjahr hat man verpasst. Kaum war 2011 hat jede Stadt wieder für sich selbst gewirtschaftet. Ich bin daher skeptisch, ob eine Vergabe des Digitalhubs wirklich eine bessere Koordination beim Thema Digitale Startups ergibt – haben wir dann übrigens verschiedene Abspaltungen wie bei den Kreativquartieren? Wo sollen die eigentlich hin, was hat man eigentlich konkret vor? Es gibt ja auch keinen ruhrgebietsübergreifenden Gründerwettbewerb, es gibt unendlich viele. Und würde die Creative Stage nicht jedes Mal wandern, wer weißt ob bestimmte Städte überhaupt auf die Idee kämen in Richtung Digitale Wirtschaft was zu machen? Denn wenn – und das Wort fällt häufig – der Begriff der Vernetzung genannt wird, gilt das immer nur für die eigene Stadt. Es gilt nicht für eine Vernetzung der Startups im Pott übergreifend.
Fördern ist toll, aber bitte konkreter
Was Digitalhubs nun so richtig sein sollen? „Die DWNRW-Hubs sind eine zentrale Maßnahme der Strategie zur Digitalen Wirtschaft der Landesregierung. Die regionalen Plattformen sollen informieren und Anlaufpunkt für nationale und internationale Gründersein. Sie sollen so zur Drehscheibe für Kooperationen von Startups, Mittelstand und Industrie für digitale Geschäftsmodelle und -prozesse werden.“ Oder – wie man es in den Unterlagen der Präsentation findet:
- Gefördert werden sollen regionale Plattformen, die als Drehscheibe für die Organisation der Zusammenarbeit von digitalen Startups, Industrie und Mittelstand fungieren.
Schön, wenn man so konkret in ein Projekt geht… Man verstehe mich nicht falsch, dass das Land NRW eine digitale Strategie hat ist lobenswert. Dass Projekte wie der Freifunk gefördert werden auch. Aber irgendwie schleicht sich bei mir der Verdacht ein, dass man hier – mal wieder wenns um den Pott geht – eine Riesenvision aufbaut, die dann von Kleinzwergen vollendet werden soll. Wobei witzigerweise das Digitalhub-Konzept eigentlich in die Richtung geht, die man in Duisburg schon bei der Aufstellung des Kulturentwicklungsplans hatte: Eine zentrale Stelle als Ansprechpartner für Kreativwirtschaft und Firmen, die dann alle nötigen Infos hat. Ich vermute, man hat in Duisburg das Tectrum als Hub im Auge oder möchte was in der Innenstadt machen, die GfW zieht nämlich von Ruhrort zurück in die City. Was für das Kreativquartier eigentlich ein Alarmzeichen sein sollte…
Vielleicht muss man auch so offen formulieren um den Prozeß der Ideenfindung für die Projekte nicht zu beeinträchtigen – andererseits kann man deutlich besser mit konkreten Projekten arbeiten und vielleicht, vielleicht liebe Politiker: Vielleicht schaut ihr euch erstmal um, was an Potential schon in den Städten des Potts vorhanden ist? Nachhaltiger ist ein Aufbau von Strukturen auf jeden Fall, wenn Leute einbezogen werden, die schon vor Ort sind und die Dinge schon machen, die ihr da im Programm auflegt. Es gibt in Duisburg zum Beispiel direkt im Tectrum ein Work Café – und das weiß definitiv nichts von diesem Programm, das auch Hubs entwicklen und fördern möchte. Und vermutlich ist es in anderen Städten ähnlich.
Na schön – warten wir es mal ab. Offenbar darf aber jede Stadt jetzt wieder für sich allein vor sich hinwirken. Was im Pott ja wunderbar funktioniert. Nicht.
Christian Spließ, Social Media Manager, machte schon Social Media als es noch Web 2.0 hieß. Seit 2004 beobachtet er die aktuellen Entwicklungen und hilft mit Rat und Tat, wenn es darum geht Inhalte kompetentgenau an die Zielgruppe zu vermitteln.
Bildnachweis: Section of the main showroom inside F. W. Nissen jewellery store in Brisbane, Queensland, ca. 1950 – FlickrCommons.