Datenschutz Grundverordnung: Sascha Lobo und Jan Philipp Albrecht im Gespräch

Jan Philipp Albrecht hat maßgeblich an der DSGVO Grundverordnung mitgearbeitet. Nachdem Sascha Lobo im SPIEGEL harte Kritik an der DSGVO geübt hat, haben sich Beide im „Debatte-Podcast“ getroffen, um das Pro und Contra zu diskutieren. Ist die DSGVO ein Erfolg für Bürgerrechte, weil die großen Digitalunternehmen wie Google und Facebook ihre Geschäftsmodelle grundsätzlich umstellen müssen? Oder fallen die Regelungen vor Allem den Bürgern, Organisationen und kleinen Unternehmen auf die Füße, da sie bei Nutzung des Internets noch extremer als bisher von rechtlichen Sanktionen bedroht sind. Beitrag zum Podcast bei SPIEGELonline

Ob die DSGVO eigentlich schon seit zwei Jahren aktiv ist und von daher die gegenwärtige „Panik“ unbegründet ist – und ob man während der Entstehung der Regelungen eine öffentliche Debatte hätte initiieren und anregen müssen, um die Öffentlichkeit bei der Gestaltung einzubeziehen, ist der erste Diskussionspunkt in der Debatte.

Der zweite Teil des Disputs dreht sich darum, ob bei der Ausarbeitung der Verordnung fast ausschließlich die Sicht von Konzernen und Verbrauchern bedacht wird, und alle anderen Markt- und Gesellschaftsteilnehmer unter die gleichen Regelungen wie Konzerne fallen. Ist die Ausnahme „gelegentliche Datenerhebung“ als Formulierung ausreichend, um Blogger, Vereine, kleine und mittlere Unternehmen, Selbstständige und StartUps zu schützen, die keine „sensiblen Daten“ speichern und verwerten? Wobei wieder die Abgrenzung schwierig ist, ab wann Daten als sensibel eingestuft werden. Könnte es sein, dass die „Großen“ Digitalunternehmen mit ihren Ressourcen leichter die Regelungen einhalten können und durch die DSGVO die „Kleinen“ noch weniger Chancen am Markt haben, da ihnen genau diese juristischen Ressourcen, Datenschutzkompetenzen und Umsetzungs-Manpower fehlen? Was passiert mit den vielen Solo-Selbstständigen, die monatlich im Schnitt von kaum mehr als 1.500 Euro Einnahmen leben müssen?

„Die Datenschützer werden schon nicht…“ Was bedeutet die Formulierung „Verhältnismäßigkeit“? Wie unterschiedlich können Datenschützer in den verschiedenen Bundesländern verfahren, wenn die Aufsichtsbehörden beratend und strafend tätig werden können? Da bisher Blogger, kleine und mittlere Unternehmen keine Bußgelder befürchtet haben, können sie sich vertrauensvoll darauf verlassen, dass mit den neuen Instrumenten und Sanktionierungsmaßnahmen diese Praxis so bleiben wird, weil die Aufsichts-Behörden zwar könnten – aber nicht wollen?

Abmahnungen: Natürlich ist es problematisch, wie das deutsche Abmahnwesen juristisch geregelt ist, doch bei der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung wird es laut Jan-Philipp Albrecht keine Abmahnwelle geben können, da die DSGVO nicht auf das Wettbewerbsrecht anwendbar ist. Können „Feinde“, „Übersensible“ und „Trolle“ die vielen Einfallstore des ungenügenden Verbraucher-Datenschutzes (Betroffene gleich Web-Besucher) nutzen, um Blogbetreibern hohe Abmahngebühren aufzulasten? Denn eins ist wohl unstrittig: Selbst juristisch versierten Bloggern ist es kaum möglich, bei den vielen Open Source Lösungen und Plugins den Regelungen zu entsprechen.

Datenschutz im Web ist der „digitale Knigge“ und es ist zumutbar, dass alle Bürger, die sich im Web aufhalten, die Datenschutzregeln lernen, so wie man im Straßenverkehr Verkehrsregeln lernen muss, um sich dort zu bewegen. Wurde der Bürgergesellschaft in den letzten zwei Jahren nach Verabschiedung des Gesetzes genügend Hilfestellung gegeben, um so einen „Datenschutz-Führerschein“ zu absolvieren und anzuwenden?

Wenn Blogger und Webseiten-Betreibern Google-Dienste wie Google-Analytics verwenden, machen sie sich zu Mittätern der Konzerne, die in ihren Geschäftsmodellen die Auswertung von persönlichen Nutzerdaten verwenden. Auch wenn Cookies gesetzt sind, kann es sein, dass im gesamten Webverhalten des Nutzers personenbezogenen Daten erhoben und analysiert werden. Andererseits können Cookies sachbezogen nicht mehr tun, als einen Anmeldungsprozess vereinfachen. Ist es richtig, die großen Datensammler auf die gleiche Stufe zu stellen wie Blogger, die mit einem Cookie-Plugin das Einloggen bei Kommentatoren vereinfachen?

„Wo ist das Problem“? Aus Sicht von Jan-Philipp Albrecht ist es kaum ein Problem, die Regelungen umzusetzen. Das deutsche Abmahnwesen ist tatsächlich problematisch, doch er sieht keine Möglichkeiten, die DSGVO für Abmahnungs-Drangsalierungen zu missbrauchen. Könnte es hingegen sein, wie Sascha Lobo befürchtet, dass die „freiwillige Einwilligung“ von Internetdiensten wie Google, Amazon und Facebook regelrecht erpresst werden kann, da die Menschen von diesen Oligarchen abhängig sind. Hingegen bei kleinen, im Wettbewerb stehenden Online-Händlern wie Weinhändlern ist es schwierig, die Einwilligung zur Datenerhebung abseits der notwendigen Daten, um den Handel durchzuführen, zu erlangen.

Abschließend werfen beide Gesprächspartner die Frage auf, ob „Datensparsamkeit“ eine mögliche Lösung für die gesellschaftlichen, philosophischen und soziologischen Herausforderungen sein kann – oder ob man da ganz anders vorgehen muss, um Demokratie, Autonomie, Marktteilnahme, Emanzipation, Meinungsfreiheit, Privatsphäre und andere Bürgerrechte konstruktiv und menschengerecht zu gestalten.

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Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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