Viele so genannte „Motivationstrainer“ oder „Erfolgscoaches“ begeistern eine ganze bestimmte Gruppe von Menschen. Gerade Menschen, die an die Kraft ihres Geistes glauben, können anfällig dafür sein, Spiritualität, Erfolg, Beliebtheit und Geldfluss aneinander zu koppeln. Doch ist das wirklich so? Ist es möglich, sich mit Hilfe von Gehirnwäsche und gesteuerter Umprogrammierung in ein reiches und glückliches Leben zu katapultieren? Und was ich noch interessanter finde: Kann die Sehnsucht nach Geldfluss spirituell sein?
Der Motivationstrainer – Dokumentation über Jürgen Höller
Hier im Beitrag ist eine siebzigminütige NDR-Reportage von September 2018 über den deutschen Motivationstrainer Jürgen Höller verlinkt. Er ist ein sehr typisches Beispiel für die Versprechen und Strategien der Motivationstrainer. Mit der gezielten Umprogrammierung des Unterbewusstseins sollen Erfolg, Erfüllung, Reichtum und Gesundheit in das eigene Leben geholt werden.
Motivationstrainer wählen für den Erfolg ihrer Veranstaltungen meist Techniken, die berauschende Hormonkicks bei den Teilnehmern auslösen. Jubel, mantramäßige narzisstische Selbsterhöhungen, an Voodoo erinnernde Ritualhandlungen… Auch wenn sich Erfolgs-Gurus natürlich ebenso unterscheiden wie Pop-Stars, bedienen sie alle ähnliche Sehnsüchte ihrer Anhänger und Gläubigen
Welche Sehnsüchte haben Menschen, die anfällig sind für Erfolgscoaches?
Menschen, die bereit sind, Geld für solche Erfolgs-Trainings zu bezahlen, fühlen einen tiefgehenden Mangel, der sie quält. Häufig sind es Menschen, die aus ihrem vertrauten Leben herausgerissen wurden und sich nicht allein in einer für sie fremden Welt zurechtfinden. Häufig haben sie finanzielle Probleme und existenzielle Ängste. Gerade hochsensible Menschen, die sich einsam und unverstanden fühlen, können sich voller Vertrauen an Selbstoptimierungs-Gurus hängen wie Sektenangehörige. Was allen gemein ist: Sie fühlen sich fremdbestimmt und möchten durch Erfolg und Geld dem irdischen Leidenskreislauf ein für alle mal entkommen.
Wie reagieren selbstbewusste Menschen auf Erfolgs-Gurus?
Selbstbewusste und autarke Menschen hingegen erkennt man daran, dass sie die Techniken und Tricks der Erolgscoaches rasch durchschauen. Natürlich können die Motivationstrainer nicht verhindern, dass einige der Zuschauer ihrer Veranstaltungen skeptisch oder sogar angewidert reagieren auf Jubelorgien, massenhysterische Erfolgsmantren und ekstatische Rituale, die Geld und Wunscherfüllungen (Liebespartner, Wunderheilungen, Schwangerschaft etc.) herbeibeschwören sollen. Diese wenigen klaren Köpfe sind jedoch meist zu höflich und vorsichtig, um lauthals ihrer Beurteilung Ausdruck zu verleihen. Sie verlassen stillschweigend das gruselige Erlebnis und hüten sich in Zukunft vor Allem, was auch nur entfernt danach riecht.
Selbstoptimierung als Gehirnwäsche im Turbokapitalismus
Geld und Erfolg, Erfolg und Geld, Geld und Erfolg sind die Kernbotschaften, um die sich all die Motivations-Gurus und ihre Anhänger drehen. Den Körper durch gesunde Ernährung und sportliches Training zu Hochleistungen treiben, die Mitmenschen (Kollegen, Kunden, Mitarbeiter, Führungskräfte, Privatumfeld) als magnetischer Anziehungspunkt gefügig machen, unternehmerische Superlative feiern und Millionen scheffeln – das zieht die Kapitalismusgläubigen an und erscheint diesen wie der Himmel auf Erden. Wir werden Gott und das Universum tut, was wir von ihm verlangen – yeah!
Passen Spiritualität und finanzieller Reichtum zusammen?
Da die Gläubigen ja das Universum mit ihren Wünschen und Befehlen in die Knie zwingen wollen, wird Spiritualität bei den Erfolgs-Gurus sehr propagiert. „Lasse die Fülle Deines Geistes zu und Du wirst Fülle in Form von Geld und Erfolg anziehen“. Die Ideologie des Kapitalismus (Homo Oeconomicus) ist tatsächlich so weit in die Gehirne der Menschen eingesickert, dass viele tatsächlich denken, es wäre spirituell, die ganze Welt unter Nützlichkeitsaspekten zu beackern.
Die Religion der Kapitalismus-Gehirngewaschenen: Ich fühle, denke, rede und handle so, dass ich möglichst viele Vorteile dadurch erhalte. Das ist meine Religion, das ist mein Gott. Je besser ich mich optimiere, desto mehr werde ich vom Universum dafür belohnt, indem ich viel Geld verdiene, lange gesund lebe, stets glückliche Zufälle anziehe (Parkplatz vor dem Haus, Lottogewinn) und Liebe im Überfluss erhalte. Wenn ich krank werde, verarme, einsam bin und abgelehnt werde, so liegt es daran, dass ich mich falsch verhalte und minderwertig programmiert bin. Das Nützlichkeits-Universum bestraft mich dann dafür, dass ich mich nicht optimal verhalten habe. Wer Krebs bekommt, ist selber schuld.
Kann der Wunsch nach Geld und Erfolg spirituell sein? Meine Meinung
Für mich ist der Götze Kapitalismus sozusagen das Gegenteil von „spirituell“. Spiritualität bedeutet, sich als Einheit mit all dem zu fühlen, was da ist. Wie ein Tropfen im Ozean dankbar anzunehmen, dass man einzeln spürbar ist – und gleichzeitig untrennbar verbunden mit all den anderen fühlenden Wesen, die diesen Ozean bilden. Sich selbst zu optimieren, um möglichst viel Geld und Erfolg zu erringen bedeutet, sich von den anderen Tropfen zu trennen, indem man sich mit ihnen vergleicht und versucht, etwas „Besseres“ zu sein als die anderen.
Selbstverständlich sehnen sich Menschen, die hungern, frieren und in Angst leben, danach, endlich Sicherheit und schmerzfrei leben zu können. Selbstverständlich reichen Menschen, die im Wohlstand leben, diesen Unglücklichen die Hand und tun alles, was ihnen möglich ist, um Entspannung und Harmonie im kompletten Ozean zu realisieren.
Wer nach Status strebt, ist bemitleidenswert fremdbestimmt
Ob ich statusgetrieben nach hohen Positionen in der Gesellschaft strebe bzw. durch Luxus und Macht meine Gier nach Hormonkicks befriedigen will, ist Sache meiner mangelbehafteten Persönlichkeit – aber ganz gewiss kein Zeichen von spiritueller Erleuchtung. Ein spiritueller Weiser mit Rolexuhr und Rolls Royce ist einfach nur lächerlich. Oder er will provozieren und den Gläubigen einen Zerrspiegel vor ihr Gesicht halten.
Wer geistige Nahrung im Überfluss erhält, wird nicht nach materiellem Luxus streben. Das sagt doch einfach der gesunde Menschenverstand, dass da etwas nicht zusammenpasst. Warum mit Geld prassen, wenn man in sich glücklich und dankbar das Wunder des Lebens genießt? Warum sich mehr mit Materiellem umgeben als nötig, wenn man weiß, dass Materielles immer viel Aufmerksamkeit fordert und die Bewegungsfreiheit enorm einschränkt?
Macht was Ihr wollt
Macht was Ihr wollt, Ihr Erfolgs-Gläubigen und Mammon-Anbetenden. Ich finde es sehr schade, dass Ihr Eure Intelligenz, Kreativität und Eurer Mitgefühl verschwendet an das, was uns seit Jahrzehnten eingetrichtert wird. Der Homo oeconomicus ist keine wissenschaftliche Tatsache sondern eine Ideologie, die viel Elend über unseren Planeten gebracht hat. Gutes tun und liebevoll als Tropfen im Ozean schwimmen kann man auch mit ganz wenig Geld. Wer in Deutschland ist denn schon wirklich existenziell bedroht?
Wer arm nichts Gutes tut, wird auch reich nichts Gutes tun. Wer arm gern hilft, wird diese Fähigkeit ganz sicher nicht dadurch optimieren, dass er zu Geld gelangt. Geld kann durchaus den Charakter verderben. Hängt Euch nicht an Erfolgs-Gurus, lacht sie besser aus und bleibt im Ozean der Liebe. Gehirnwäsche ist verabscheuungswürdig – und was noch schlimmer ist: sie funktioniert.
Der Motivationstrainer Jürgen Höller „Hol alles aus Dir raus“
„Der Motivationstrainer“ 75-minütige NDR-Reportage über den Motivationstrainer Jürgen Höller
– in der ARD-Mediathek verfügbar bis zum 4. September 2019