Wenn Jesus heute leben würde – ein Märchen

Es ist so traurig, so unfassbar traurig. Da ist ein Mensch, der ist so unschuldig, wie die Menschen es sich von ihren Mitmenschen ersehnen. Unschuldig wie ein Lamm, freundlich, mitfühlend, aufrichtig, berührend, heilend, durchdringen von Liebe und Barmherzigkeit. Doch gleichzeitig auch klug, belesen, wissend. Stellt Euch vor, dieser Mensch, männlich, 33 Jahre alt, würde in Eurem direkten Umfeld leben. Wie sähe das aus? Ich stelle es mir vor, Jesus kommt in meine Heimatstadt:

Das Märchen von Jesus in Witten an der Ruhr

Bild von André Santana AndreMS auf Pixabay 

Jesus lebt seit Wochen mit seinen Freunden am Ufer der Ruhr. Sie haben Zelte aufgeschlagen, leben von dem, was die Menschen mitbringen, die zu Besuch kommen, weil sie Jesus zuhören wollen. Auch ich gehe, wann immer ich die Zeit finde, nach der Arbeit dorthin. Im Rucksack habe ich Lebensmittel und Rotwein. Denn die jungen Leute sind durchaus lebensfroh und freuen sich über ein gemeinsames fröhliches abendliches Feiern am Feuer.

Jesus predigt viel. Ich tippe alles, so schnell ich kann, in mein Handy mit. Es ist, als würde er all das aussprechen, was ich eigentlich schon immer wusste, aber nur unbewusst. Ausgesprochen und aufgeschrieben ergibt sich für mich das Wunder der „erlebten Wahrheit“. Alles in mir ist ein einziges „Ja“.

Nicht nur Fans des jungen Mannes kommen an den Ort. Jesus macht auch viele Leute wütend mit seiner emotional berührenden Aufforderung, alles und jeden zu lieben wie sich selbst. Es wird wild diskutiert über den Ukraine-Krieg, den Klimawandel, die Schlechtigkeit von sexuellen Straftätern und profiteinheimsenden Politikern.

Jesus selbst hält sich aus diesen Streitereien heraus. Seine Freunde versuchen, Ordnung zu halten und aggressive Menschen vom Platz zu weisen.

Immer mehr Menschen informieren die Behörden über das, was da am Ufer der Ruhr wächst. An einem Freitag im Frühjahr, kurz nach Vollmond, rückt die Polizei an, um den anscheinend psychisch gefährlich Erkrankten mit richterlichem Beschluss in die Psychiatrie einweisen zu lassen.

Sie würden ihn in der Masse der Menschen nicht identifizieren können, doch einer seiner engsten Freunde, der seit Wochen mit Schaudern die Entwicklung verfolgt hat, zeigt ihnen den Richtigen. Jesus und er küssen sich, bevor die Polizei ihre Pflicht tut.

Dann geht alles sehr schnell. Jesus wird dem Richter vorgeführt, der ebenfalls sehr berührt ist von der Sanftheit, der Unschuld, der Ausstrahlung von Liebe und Barmherzigkeit.

Draußen vor dem Amtsgebäude haben sich wütende Bürger der Stadt versammelt, die endlich wieder Ruhe und Ordnung am Fluss haben wollen – und dass ihre Stadt nicht mehr von Gammlern und Bettlern überflutet wird, die anscheinend magisch von seiner Ausstrahlung angezogen werden.

Jesus bleibt passiv, versucht nicht, sich zu rechtfertigen oder zu erklären. In der geschlossenen Abteilung einer naheliegenden Forensik erhält er eine massive medikamentöse Behandlung, die er nicht verträgt. Er stirbt.

In der Stadt kehrt wieder Ruhe ein. Die Freunde des Mannes verschwinden, bevor sie von gewalttätigen Jugendbanden gelyncht werden können.

Die Sehnsucht nach dem selbstlosen Erlöser

Ach es ist so traurig. Doch vielleicht unabwendbar. Das Problem ist wohl, dass wir uns soooo sehr nach dem Messias sehnen, dem selbstlosen Erlöser, der uns von unseren Schmerzen und Gebrechen heilt, dass wir immer und überall über ihn herfallen würden – die einen um von ihm geheilt zu werden, die Anderen um ihre befriedete Welt vor ihm zu schützen. 

Bleibt nur die Frage: Gibt es Auferstehung? Gibt es Heilung durch Glauben? Ich weiß es nicht und es ist mir auch nicht so wichtig. Wichtig ist mir, dass auch ich im Angesicht eines vollkommen lieben und unschuldigen Menschen wohl in eine tiefe Krise käme – könnte ich den Anblick ertragen? Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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