Lügt der Mensch 200-mal am Tag? Nein, er hört 200-mal am Tag Unwahrheiten

In den 1970er Jahren sagte der US-Psychologe Jerald Jellison, der Mensch würde durchschnittlich etwa 200 Unwahrheiten am Tag hören. Doch schnell wurde daraus das Gerücht, der Mensch würde am Tag 200-mal lügen. (PM-Wissen). Bis heute hat sich dieses Gerücht wohl deshalb so hartnäckig gehalten, weil es uns in unserem Gefühl bestätigt, dass wir etwa 200-mal am Tag angelogen werden. Doch da steckt ja nicht ein einzelner Mensch hinter, sondern viele Quellen. Nimmt man noch Medien und Werbung hinzu, könnte man tatsächlich verzweifeln an der ständigen Frage „Werde ich gerade belogen“?

Unterschied Lüge und Unwahrheit

Vielleicht fragen wir uns zunächst selbst: Was ist für uns eine Lüge? Ist es zum Beispiel eine Lüge, wenn jemand eine Behauptung aufstellt, die nachweislich falsch ist? Mit dieser Definition wäre es wirklich leicht, unzählige Lügen aufzudecken. Selbst Wissenschaftler werden häufig irgendwann „überführt“, da sich ihre Forschungsergebnisse als falsch herausstellen. In der Medizin zum Beispiel werden ständig Wahrheiten widerrufen, da neue Forschungen ein anderes Bild ergeben. Aber sind das Lügen? Nein, Unwissenheiten, Fehlinterpretationen und falsche Gedächtnisabspeicherungen sind keine Lügen. Erinnerungen an unsere Kindheit zum Beispiel sind völlig subjektiv und häufig mehr Fantasie als Wahrheit. Wenn der sprachnutzende Mensch überzeugt ist von seiner Aussage, ist das sehr häufig eine Täuschung – aber keine Lüge.

Definition von Lügen

Lügen müssen drei Eigenschaften besitzen, um sich „Lüge“ nennen zu dürfen:

  1. Die Behauptung des Senders widerspricht den Tatsachen
  2. Der Sender vermutet oder weiß, dass seine Aussage falsch ist
  3. Der Sender will bei seinem Gegenüber einen falschen Eindruck hervorrufen bzw. aufrechterhalten

Lügen müssen nicht unbedingt damit zusammenhängen, dass man sich einen unredlichen Vorteil verschaffen bzw. sich selbst vor Strafe schützen will. Häufig wird gelogen, um soziale Harmonie herzustellen. „Das hat unser Kollege nicht so gesagt. Er wollte Dich nicht beleidigen“.

Wollen wir ehrlich sein? Wenn ja, warum?

Aufrichtigkeit wird in Zeiten von Internet, Informationsflut und Social Media hochgepriesen. Wir wachsen gerade in eine Zeit hinein, die dank Künstlicher Intelligenz bewusst in die Welt gesetzte Falschinformationen und andere bewusste Täuschungen zu Selbstverständlichkeiten werden lässt. Sollen wir kapitulieren und einfach die Tugend der Wahrhaftigkeit für veraltet erklären?

Die soziale Lüge aus Liebe und Harmoniebedürfnis

In engen sozialen Systemen wie bei Paaren oder Familien ist es kaum möglich, immer die Wahrheit zu sagen. Soziale Lügen sind eine Notwendigkeit im Zusammenleben, sonst würde man ständig die Menschen um sich herum verletzen. Wie häufig täuschen Eltern ihre Kinder aus Liebe, Rücksicht oder erzieherischen Idealen heraus?! Wie oft sagen wir bewusst die Unwahrheit, um unsere Eltern, Partner, Geschwister, Großeltern und andere Familienangehörige nicht zu verletzen?

Nächstenliebe statt Wahrheit?

Ich denke, wir sollten uns darin vervollkommnen, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst. Das kann man überall trainieren! Im Beruf, in Alltagsbegegnungen, in der Nachbarschaft, mit Freunden, im Restaurant und beim Bummel durch die Geschäfte.

Wenn wir jedem Menschen mit Respekt, Interesse und dem Wunsch, es möge ihm gutgehen, begegnen, ist eigentlich alles getan. Im Buddhismus gibt es ein kurzes, wunderschönes Gebet, das man auswendig lernen kann, wenn man mag…

„Mögen alle fühlenden Wesen Glück und die Ursache des Glücks besitzen,
Mögen alle fühlenden Wesen von Leiden und der Ursache des Leides getrennt sein,
Mögen alle fühlenden Wesen niemals von der Freude, die frei ist von Leiden, getrennt sein,
Mögen alle fühlenden Wesen in Gleichmut verweilen, der frei ist von Anhaftung und Ablehnung.“

OK, vielleicht fühlt es sich erst einmal wie eine unverschämte Lüge an, wenn man durch die Fußgängerzone geht und dieses kleine Gebet vor sich hinmurmelt oder vor sich hin denkt. Wahrscheinlich protestiert zunächst unser „erwachsener“ Verstand und meckert, wie wenig doch diese ganzen Honks die guten Wünsche verdient haben.

Doch ich kann versprechen, dass diese fast naive Form der Selbsterziehung sehr schnell Früchte trägt. Weiß ich aus eigener Erfahrung. „Einbildung ist auch ’ne Bildung? Ok!“ Hauptsache, ich kann anfangen, meinen Nächsten zu lieben. Denn das ist der Schlüssel zur Selbstliebe.

Vielleicht ist die „Ich-schwöre“-Wahrheit tatsächlich bald ein Relikt aus alter Zeit. Aber wenn wir unser unfassbar einzigartiges, kostbares und nicht von Maschinen nachbaubares Menschsein erlangen, macht uns das in gewisser Weise unverwundbar. Also Zettel raus, Gebet aufschreiben, mitnehmen und auswendig lernen. Viel Spaß!

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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