Warum engagieren sich so viele Menschen ehrenamtlich in Deutschland? Das Bundesministerium des Innern gibt an, dass sich rund 40 Prozent der Deutschen ehrenamtlich engagieren – hauptsächlich im Sport. Es folgen Kultur und Musik, der soziale Bereich und das freiwillige Engagement im Kindergarten und der Schule. Doch was sind die Motive dieser freiwilligen, unentgeltlichen und gemeinwohlorientierten Arbeit? Zunächst ein kleiner geschichtlicher Rückblick: Ehrenamt, wie wir es kennen, entstand im 19. Jahrhundert, als sich durch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel die hierarchischen Systeme neu ordneten…
Definition von Ehrenamt

Ehrenamt, auch Freiwilligenarbeit oder bürgerliches Engagement genannt, ist dadurch gekennzeichnet, dass es freiwillig, gemeinwohlorientiert und unentgeltlich erfolgt. Als das Ehrenamt im 19. Jahrhundert in Deutschland entstand, war dieses bürgerliche Engagement zunächst politisch ausgerichtet, später kam das soziale Ehrenamt hinzu. Es folgten – verstärkt aus der Arbeiterbewegung – Sportvereine, Kulturvereine und ehrenamtliche Jugendarbeit.
Ehrenamt in Bayern: Eine kurze Geschichte des Bürgerschaftlichen Engagements
Von großer Bedeutung war überall in Deutschland die Freiwillige Feuerwehr. Im ländlichen Raum engagierten sich die Bürger außerdem in Schützenvereinen und Karnevalsvereinen und förderten dadurch den Zusammenhalt der Gemeinden. Kirchliches Ehrenamt gewann ebenfalls schon im 19. Jahrhundert an Bedeutung.
Gleichschaltung und Verbot von bürgerlichem Engagement
Mit Beginn des Nationalsozialismus im Jahr 1933 wurden die vom Staat unabhängigen, gemeinwohlorientierten Vereine und Initiativen verboten oder in die NS-Parteiorganisationen eingegliedert.
Erst seit den fünfziger Jahren gewann das freiwillige Bürgerengagement wieder langsam an Einfluss. Die Friedensbewegung (hervorgegangen aus dem USA-Krieg gegen Vietnam) und die ökologisch/ soziale Bewegung (gegen Atomkraft, Aufrüstung und Umweltvergiftung) waren grundlegend gegen die herrschenden Machtapparate gerichtet. Heute werden viele gemeinwohlorientierte Zusammenschlüsse (auch NGO’s = Nichtregierungsorganisationen) über staatliche Fördermittel bezuschusst.
Nicht nur im Sport können heute Aufwandsentschädigungen (Übungsleiterpauschalen) gezahlt werden. Der Vorteil einer Aufwandsentschädigung ist, dass diese in einem gewissen Rahmen steuerbefreit sind – und bis zu einer Grenze von etwa 200 Euro monatlich nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden. Das kann gerade für rüstige Rentner/Innen mit niedrigem Rentenanspruch ein attraktiver Zuschuss sein, der die Lebensqualität erheblich erweitert.
Motive für ehrenamtliches Engagement
Neben einer eventuellen Aufwandsentschädigung gibt es eine Reihe von Motiven, sich ehrenamtlich zu engagieren, die im Bereich der Sinnfrage und des persönlichen Wertesystems zu finden sind
Gina Mösken: Der (Eigen)Sinn frei-gemeinnütziger Tätigkeit: aus psychologie-aktuell vom 21.06.2025
- Zugehörigkeit: Ehrenamtliches Engagement schützt nicht nur vor Vereinzelung, es bietet auch einen Rahmen für die vorurteilsfreie zwischenmenschliche Begegnung. Man setzt seine Kompetenzen zum Wohl anderer Menschen ein und erhält eine Rückkoppelung durch die soziale Gemeinschaft. Das gibt dem eigenen Leben Sinn.
- Grenzgänger: Sinn wird empfunden, wenn man durch Handlungsautonomie und Engagement im Rahmen der eigenen Wertvorstellungen mit einer freien gemeinnützigen Tätigkeit gesellschaftliche Problemlagen identifiziert und diese durch das eigene Engagement kompensiert. Grenzgänger überschreiten bewusst ihre eigenen Kompetenzgrenzen – allein und in der Gruppe.
- Soziales Engagement für Benachteiligte entsteht häufig aus dem Gefühl eines eigenen Glücks, von dem man an andere Menschen etwas abgeben möchte. Diese Gruppe von Menschen ist motiviert durch das Bedürfnis der eigenen persönlichen Entwicklung.
- Statuspassage: Ehrenamtliches Engagement ist in vielen Bereichen Voraussetzung für die Erlangung von Fachqualifikationen und einem höheren Status. Hier orientiert sich der statusorientierte Mensch an professionellen Vorgehensweisen, um sein Ziel zu erreichen.
- Tätigsein: Im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten bietet die gemeinnützige Tätigkeit außer einer erlebnisorientierten Geselligkeit eine zweite Ebene von Wirksamkeit und Bedeutsamkeit. In dieser Art der frei-gemeinnützigen Tätigkeit erfreut sich der „Gesellige“ an Autonomie, Erfolg, den Ergebnissen und der Kontinuität.
- Berufliche Weiterentwicklung: Die ehrenamtliche Tätigkeit dient in erster Linie dem beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg.
Ehrenamt – ja oder nein?
Ich persönlich habe Probleme mit vielen ehrenamtlichen Strukturen – vor allem dann, wenn sie hierarchisch aufgebaut sind und einen starken Gruppenfaktor in sich tragen. Außerdem bin ich Freund des Prinzips „Fairer Handel“ und brauche das Gefühl, dass zwischen den Agierenden ein respektvoller Austausch erfolgt. Ich mag es, wenn Geben und Nehmen im Ausgleich sind.
Ich engagiere mich beruflich mit Leidenschaft dafür, Menschen aus problembehafteten Krisen – in erster Linie aus beruflicher Perspektivlosigkeit – zu helfen, nachhaltige Lösungswege zu finden, um wieder ein gesellschaftlich anerkanntes, und inhaltlich erfülltes Leben mit Arbeit führen zu können.
Ehrenamtliches Engagement hat für mich stets politische Aspekte. Als Kind von Eltern, die in der Zeit des Nationalsozialismus Kinder und Jugendliche waren, gehöre ich zu der Generation, die stets weiß: „Trau keiner Macht, die Gewalt über Menschen hat.“ In diesem Sinne begreife ich mich als Enkelin der Arbeiterbewegung, die im 19. Jahrhundert für die Rechte, die Bildung und die steigende Lebenserwartung der Ärmsten in Würde intellektuell und gemeinwohlorientiert kämpfte.