Gastbeitrag von Dr. phil. Frank Ragutt: Kaizen!? Das ist doch so etwas Asiatisches!? Hierzulande ist die Skepsis in Unternehmen gegenüber dem Kaizen noch oft anzutreffen. Zu unrecht. Kaizen als das Prinzip des „Wandel zum Besseren“ ermöglicht die systematische Entfaltung der guten Unternehmenskultur mit optimaler Arbeitskommunikation. Und gerade für die bevorstehende Digitale Transformation bietet es Unternehmen viel Potential für die Entwicklung ihrer personellen Talente und wertschöpfenden Prozesse.
Kann Kaizen ein Unternehmen wirklich verbessern? Ja, das kann es. Aber nur wenn sich Führung und Mitarbeiter auf das Kaizen intensiv, d.h. mit Leib und Seele einlassen. Kaizen ist nicht schlicht nur ein Optimierungstool, das man eben einmal so mitnehmen, von oben nach unter verordnen und nach einem Schema F anwenden kann; Kaizen ist eine optimale, innere Haltung aller Mitarbeiter, die – richtig eingesetzt – …
… die Unternehmenskultur und Unternehmenswerte bis in nicht geahnte Höhen hebt,
… die Kosten senkt, nachhaltig wirkt, Ressourcen und Umwelt schont,
… die alle Mitarbeiter gesund erhält, bildet und emotional ans Unternehmen bindet,
… die Produktivität und Innovation kontinuierlich befördert,
… die Qualität der Produkte und der Arbeit optimiert sowie
… die Problemlöse-Kompetenz steigert und die Fehlerkultur senkt.
Allsamt Gesichtspunkte, die jedes Unternehmen deutlich verbessern. Und das wie? Indem Sie in den ewigen Kreislauf der Verbesserung gestellt sind: Planen – Durchführen – Überprüfen – Verbessern (Plan – Do – Check – Act), der Deming-Zyklus.
Was macht das Kaizen besonders? Es gibt verschiedene Methoden des Kaizen. Sie sind mehr oder weniger umfangreich. Im Kern zielen sie alle auf dasselbe hin: Es ist die Bewusstmachung der Arbeit eines jeden Einzelnen für die Verbesserung der gesamten unternehmerischen Wertschöpfung. Kaizen befördert eine produktive Gemeinschaft im Unternehmen sowie die Fähigkeit der Sorge jedes einzelnen Mitarbeiters für seine Tätigkeiten.
Kaizen führt mit guter Absicht und Zielsetzung zusammen: Störungen der Prozesse werden dort lösungsorientiert angegangen, wo sie entstehen – und zwar von allen Beteiligten. Führung, Controlling und Fertigung kommen am Ort des Geschehens zusammen. Alle machen sich als Team, das verbessern will, am gemeinsamen präsent.
Ob nun Probleme lösen oder die Entwicklung neuer Ideen das Ziel sind; man spricht, plant und reflektiert gemeinsam. Das verhindert kommunikative Reibungsverluste und schafft kurze Wege. Eine schwerfällige, umständliche und womöglich stark auf Hierarchie- und Machtbesitz abzielende Kommunikation zwischen Team- oder Geschäftsleitung, Zwischenmanagement und Produktionsstätte wird gegen eine präzise und effektive Vorort-Besprechung und Planung ausgetauscht.
Richtig macht Kaizen Kommunikation und Arbeitsablauf menschlich und schaltet Störfaktoren wie Missverständnisse und Aggressionen ab. Kaizen ermöglicht allen Beteiligten, dass sie sich vielseitig und vielschichtig auch persönlich kennenlernen und einbringen können. Im Kaizen wird man miteinander vertrauter, lernt die Ticks und Talente der Anderen kennen und, ja auch schätzen. Das Ziel des Kaizen ist ein sachorientierter, gemeinsamer, Ergebnisse liefernder „workflow“.
Was heißt beim Kaizen Problemlösen? Ziel des Problems beim Kaizen ist nicht die Schuldzuweisung, sondern die gute und nachhaltige, schonende und optimale Funktion jedes Gliedes in der Kette der Arbeit und Wertschöpfung. Fehler oder Störungen geschehen und kommen immer vor. Was oder was ist schon frei von Fehlern? Es können die Maschine, die Computer, die Logistik usw. sein, die den Fehler verursachen. Ein geschulter, analytischer Blick ist gefragt, der sich durch die gemeinsame Kommunikation noch potenziert. Es kann aber natürlich auch an einer mangelnden Kompetenz eines Mitarbeiters liegen. Auch darauf zeigt das Kaizen. Wie spricht man darüber und wie geht man damit um? Wie ist dann das Fehlermanagement aufzustellen, sodass es zur Selbstreflexion anleitet und Kompetenzerfahrung taugt? Will man gut sein, braucht man hierauf eine professionelle Antwort.
Modelle des Kaizen bieten dem einzelnen Mitarbeiter die Chance, die eigene Kompetenz und Arbeitsleistung selbst und im Team kritisch zu hinterfragen. Das, was jeder Einzelne kann bzw. nicht kann, wird bewusst. Das ist die Basis für die produktive und optimale Talent-Team-Balance und für jede effektive Fort- und Weiterbildungsplanung.
Selbstkritik ist aber nur dann am höchsten und effektivsten, wenn sie angstfrei, d.h. ohne Verlustangst ausgesprochen werden kann. Angst nehmen und Vertrauen schaffen sind die Aufgaben der Chefetage für das Klima im Unternehmen. Sie sind wichtig, um Mitarbeiter durch Kritik nicht zu verlieren oder unnötig psychisch unter Druck zu setzen. Kritik ist ein Mittel, das beim Kaizen nicht zur „Strafverfolgung“ gedacht ist, sondern um die Kompetenzen der Talente optimal miteinander zu verbinden. Und ganz nebenbei: Die Anleitung zur Selbstreflexion steigert zudem die kognitiven Kompetenzen der Mitarbeiter.
Heute fordert die Digitale Transformation alle heraus. Alle Unternehmen sind zum digitalen Über- und Umdenken ihrer Geschäftsmodelle veranlasst. Kaizen bietet die Möglichkeit, die hohe Komplexität und die gravierende Geschwindigkeit der Digitalen Transformation achtsam und mit allen Mitarbeitern zugleich zu meistern. Darin erstreckt sich der unternehmerische Mehrwert und wird die Digitale Transformation gar nicht mehr so schwer erscheinen lassen.
Über Dr. Frank Ragutt
Praxisnahes Ausbildungscoaching und systemisches Bildungsmanagement bilden den Fokus der Beratertätigkeit von Dr. Frank Ragutt. Als Experte für pädagogisch-psychologische Kommunikation und Führung berät und begleitet er Unternehmen beim strategischen Wissensaufbau, Wissenstransfer und ihrer Wissensproduktion.
Webseite: www.abakomm.de
Email: [email protected]
Telefon: 0231 – 98 60 512.