Bei YouTube gibt es auf dem @derspiegel-Kanal ein 50-minütiges Streitgespräch im „SPIEGEL-Talk“ vom 23.05.2025. Der Militärexperte Carlo Masala und Soziologe Hartmut Rosa diskutieren kontrovers und respektvoll über die Verhandlungen mit Putin und die Kriegsgefahr für Deutschland. Sehr sehenswert und in diesem Beitrag eingebettet. Im Mai 2025 hat das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Yougov eine Umfrage veröffentlicht, in dem Menschen aus 5 europäischen Ländern und aus den USA ihre Sorge vor einem 3. Weltkrieg ausdrücken. Die Ergebnisse sind beunruhigend. Hier eine Zusammenfassung im Stern
Steuern wir auf einen 3. Weltkrieg zu?
In dem hier eingebetteten Streitgespräch vom Spiegel-Kanal wird deutlich, wie begründet beide Postionen sind: Die des verhandlungs- und friedensausgerichteten Soziologen und die des Militärexperten, der vor Russlands Expansionsabsichten warnt.
Wie ist meine persönliche Haltung zur Möglichkeit eines 3. Weltkriegs?
Vorneweg: Ich bin Pazifist und liebe den Frieden. Ich verehre den Kinderarzt, Schriftsteller und großen Reformpädagogen Janusz Korczak, der sich mit seinen jüdischen Waisenkindern im August 1942 freiwillig aus dem Warschauer Ghetto zum Vernichtungslager Treblinka deportieren ließ, um mit den Kindern in den Tod zu gehen, sie zu trösten und seelisch aufzufangen. (Zusammenfassung hier in geo.de)
Ergebenheit oder Kampf?
Auf der anderen Seite lebt in mir die Sehnsucht nach dem revolutionären Aufstand gegen die Mächtigen. Als Jugendliche habe ich davon geträumt, im Warschauer Ghetto Nazis aus einem Kellerfenster heraus abzuknallen – je mehr, je besser. Nun scheint es also auf einen neuen Krieg zuzusteuern. Im Spiegel-Streitgespräch wird als Beispiel genannt, dass vor Kurzem ein Spiegel-Redakteur vermutete, dass wir Deutschen den „letzten friedlichen Sommer vor dem Krieg“ erleben in diesem Jahr.
Auf der einen Seite will ich mit allen Mitteln verhindern, dass wir bei uns in so schrecklichen Umständen leben müssen wie Menschen in den Kriegen des Nahen Ostens, auf der anderen Seite überlege ich, ob in diesen Zeiten der weltweiten Spaltung in rechts und links, der menschlichen Eroberung durch Maschinen und Technokratien und der Zuspitzung des Narratives, der Mensch müsse vom Planeten Erde ausgerottet werden, Krieg tatsächlich unausweichlich ist, um wieder zur Besinnung zu kommen.
Sind wir weniger wert als Tiere?
Vor wenigen Tagen war ich Teilnehmer eines Gesprächskreises, in dem ein Buchautor damit konfrontiert wurde, dass er in einem seiner Bücher schreibt, dass der Mensch dabei ist, den Planeten noch in diesem Jahrhundert zu zerstören durch seine räuberisch ausbeutende, mitleidslose, selbstsüchtige Einstellung. Er würde mit diesem Verhalten ganz nach unten sinken in der Hierarchie Mensch, Tier, Pflanze, Mineralien. Einzig die letzten Naturvölker mit ihrer einfachen Lebensform seien ausgenommen von diesem Urteil.
Untermenschen…
Ich lauschte der Diskussion um diese Einschätzungen und kam innerlich zu der Auffassung, dass wir wieder einmal vor der Haltung stehen, „Untermenschen“ abzuurteilen und der Vernichtung preisgeben zu wollen. Waren es im „Tausendjährigen Reich“ die Juden, die Osteuropäer, die gesellschaftlich Ausgestoßenen und die Arbeitsuntauglichen, sind es jetzt alle (!) Menschen, denen man – zumindest hier in Deutschland – mit Hass und Zerstörungsfantasien begegnet.
Todessehnsucht
Ich weiß nicht, ob die Verurteilenden sich selbst mit einschließen in diese Bewertung, oder sich als kleine, ökologisch reine Elite betrachten – aber das ist auch unwichtig. Entscheidend ist diese allgegenwärtige Todessehnsucht, die vorherrscht, wenn man die Mainstream-Medien verfolgt. Ob Russland, ob Klimaerhitzung, die Bedrohungsszenarien leuchten in feurigen Visionen, die Schiller so treffend im Lied von der Glocke beschrieben hat:
Friedrich Schiller – Lied von der Glocke – komplett
Das Lied von der Glocke – Auszug – ganz unten im Gedicht, als der Meister die Form zerbricht…
Freiheit und Gleichheit! hört man schallen,
Der ruhge Bürger greift zur Wehr,
Die Straßen füllen sich, die Hallen,
Und Würgerbanden ziehn umher,
Das werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz,
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreißen sie des Feindes Herz.
Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu,
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frei.
Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Der Mensch in seinem Wahn
Ob in der Französischen Revolution, im Dreißigjährigen Krieg oder im Zweitem Weltkrieg, es gibt Zeiten, da geht es in Kriegen nicht um kühle, wirtschaftliche Interessen – da geht es um den Ausdruck eines menschlichen Wahns, da geht es um teuflischen Hass und die sadistische Freude am Quälen und Töten. Man könnte auch sagen: Religions- und Ideologiekriege sind die entsetzlichsten Kriege.
OK, es ist, wie es ist. Wenn wir Menschen (zumindest wir Deutschen) schon so weit sind, dass wir die komplette menschliche Rasse oder auch nur „die Russen“ oder „die Nazis“ abgrundtief hassen, dann muss es wohl sein. Dann brauchen wir einen Krieg, um wieder zur Vernunft zu kommen.
Ich werde versuchen, im Krieg Suppe auszuschenken und verzweifelte Menschen zu trösten. Nazis, Russen oder Klimaleugner aus Kellerfenstern töten will ich absolut nicht. Sie sind Menschen wie ich, meine Brüder und Schwestern. Und ich weiß, dass ich nichts Besseres bin als auch nur eine/r von ihnen. Und ich hoffe, dass wir zur Vernunft kommen, bevor tatsächlich die Erde in Flammen aufgeht durch Cyberwaffen oder Atomenergie oder beides.