Arbeitslos – sich selbstständig machen, Ideen?

Viele Menschen, die arbeitslos werden, erleben frustriert, dass all ihre Bewerbungsbemühungen vergeblich bleiben. Irgendwann kommt der Moment, wo aus der Frustration Panik wird, weil das ALG I ausläuft und der Absturz in SGB-II-Leistungen (Hartz IV) droht. Leider sind die Fördermöglichkeiten für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit so zurückgeschraubt worden, dass dieser Weg für viele nicht mehr funktioniert – schließlich braucht man für einen eventuellen Gründungszuschuss 150 Tage Restanspruch auf ALG I. (Hier dazu Infos vom VGSD) Also was tun, wenn die Versicherungsleistung ausläuft? Hier einige Ideen, mit denen sich in Deutschland Menschen aus der Arbeitslosigkeit selbstständig machen.

Solo-Selbstständige und nebenberuflich Selbstständige

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

Zusammengerechnet sind knapp zehn Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland selbstständig. Allerdings sind da auch viele bei, die nebenberuflich Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit beziehen. Rentner, Mütter (und Väter) mit Kindern, Beamte… vielen reicht es, einige hundert Euro monatlich zu erwirtschaften. Lässt man sich auf eine Solo-Selbstständigkeit ein, merkt man schnell, dass der bürokratische Aufwand (Buchhaltung und Verwaltung) erträglicher ist als zunächst befürchtet. Solo-Selbstständige, die ihren Lebensunterhalt komplett über ihre Einnahmen finanzieren müssen, sind häufig so genannte Freelancer. Sie erhalten Aufträge von Agenturen, Bildungsträgern, Freelancer-Vermittlern, Verlagen, Unternehmen etc. und müssen nicht ständig Kunden-Akquise betreiben..

Ideen für eine Selbstständigkeit

Die meisten Solo-Selbstständigen gründen mit sehr wenig oder gar keinem Eigenkapital. Erforderlich sind allerdings Internet und eine Computerausstattung und eventuell ein PKW.

Folgende Bereiche eignen sich z.B. für Freelancer:

  • Design und Webdesign (fangen Spitzen für Agenturen ab)
  • Texter (ebenfalls für Agenturen)
  • Dozenten und Trainer (für Bildungsträger und private Akademien)
  • IT-Dienstleister (werden meist über Freelancer-Plattformen vermittelt)
  • in allen Branchen, in denen die Auftragslage stark schwankt und über Freelancer aufgefangen wird
  • Dienstleister der Plattform-Ökonomie (Fahrer, Putzkraft, Crowd-Worker, Texter…)

Folgende Bereiche eignen sich z.B. für Solo-Selbstständige

Als unabhängiger Solo-Selbstständiger ist der Aufwand für die Kundengewinnung sehr viel höher, was dann die Betriebskosten erhöht. Das kann sowohl von Vorteil als auch von Nachteil sein. Als Solo-Selbstständiger bzw. Freiberufler arbeitet man ständig an der eigenen Reputation und ist viel unterwegs, um die entscheidenden Netzwerke zu pflegen. Eine erfolgreiche Selbstständigkeit lebt von Beziehungen – und diese zu pflegen gibt Selbstsicherheit und eine gute Basis für „magere Zeiten“. Allerdings kann man als Solo-Unternehmer in der Regel nur ein Drittel der investierten Arbeit und Zeit abrechnen – das muss mit den Honorarsätzen aufgefangen werden.

  • IT-Dienstleister
  • Nachhilfe und Leistungsförderung für Kinder und Jugendliche
  • Coaching und Beratung für Privatkunden (sehr schwer bei Selbstzahlern)
  • Unternehmensberatung (Interims-Management, Beratung über Förderprogramme und Beratung zur Effizienzsteigerung häufig erfolgreich)
  • Dienstleister für Marketing (speziell Online-Marketing und Social Media)
  • Influencer/ Affiliate-Marketing/ Content-Produzent/ Fotografie
  • Handwerksdienstleistungen
  • Musiklehrer für private Kunden und Institutionen
  • freiberuflicher Künstler und Designer
  • Erziehung, Psychologie, Therapie und Sozialarbeit
  • E-Commerce
  • PR und Unternehmenskommunikation
  • E-Learning

Beispiele für Selbstständigkeit in einem System

Viele Menschen suchen ihr Glück und ihren Erfolg im Strukturvertrieb. Doch die Erfahrung zeigt, dass nur sehr wenige von ihnen es schaffen, daraus eine tragfähige Selbstständigkeit zu entwickeln. Versprochen wird traditionell viel im MLM-Bereich, da ja das System darauf beruht, neue Vertriebler anzuwerben – doch die Realität sieht oft anders aus. Meine Empfehlung: Gern probieren, wenn man die Community des Systems mag und sich dort wohl fühlt – doch nicht alle Hoffnungen hineinlegen. Das könnte ein böses Erwachen geben…

  • MLM/ Strukturvertrieb (meist kleine monatliche Gewinne, hoher Aufwand, sehr selten als Vollerwerbsselbstständigkeit)
  • Franchise (meist erfordert diese Selbstständigkeit Eigenkapital. Es gibt gute und schlechte Systeme. Genau die Verträge prüfen!)

Beispiele für Selbstständigkeit mit Angestellten Und Finanzierungsbedarf

  • Gastronomie
  • E-Commerce
  • Die klassischen Freiberufler-Bereiche wie Arzt, Anwalt, Architekt…
  • Einzelhandel

Der Weg zum Selbstständigen ist mit Hindernissen gepflastert – keine Frage. Doch trotz all der Probleme und Schwierigkeiten werden erstaunlich wenig Selbstständige wieder arbeitslos. Als ich damals die eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet habe, ist von den über 500 Gründern, die wir begleitet haben, so gut wie niemand wieder in den Bezug von ALG I oder ALG II gefallen. Zwar haben auch nur die Wenigsten ein Unternehmen mit abhängig Beschäftigten aufgebaut. Doch zurück in eine abhängige Beschäftigung wollte auch kaum jemand – trotz Alledem und Alledem…

Meine Tipps für alle Gründungswilligen

Googlet Euch die Finger wund, bevor Ihr Experten aufsucht. Nur wer gut vorbereitet ist, erntet den Respekt der öffentlichen Berater bei der Arbeitsagentur, der IHK, der Wirtschaftsförderung, bei Steuerberatern, Mentoren und Kreditinstituten.

Für die Erstellung des Businessplans und der Marketing-Strategie gibt es (falls Ihr arbeitssuchend seid) den AVGS (Arbeits- und Vermittlungsgutschein) als Ermessensleistung. Darüber könnt Ihr Euch kostenlos beraten lassen. Unbedingt nutzen! (Hier Infos bei fuer-gruender.de)

Netzwerke sind viel entscheidender als Kaltakquise. Erliegt nicht der Illusion, Ihr würdet mit Eurer Website oder Eurem Businessprofil im Netz gefunden. Der Erstkontakt erfolgt meist über Empfehlungen – erst dann beginnen potentielle Kunden, Euch zu googlen…

Und nie vergessen: „Hunger ist des Arbeiters bester Freund“. Alle Gründer haben zu Anfang Träume davon, wie sich ihr Business entwickeln wird. Erst wenn die finanziellen Ressourcen schwinden, wird man als Selbstständiger so richtig wach und beginnt, über sich hinauszuwachsen. Das ist völlig normal. Und kann auch ganz schön glücklich machen – immerhin ist und bleibt man sein eigener Herr…

Lesenswert! Bundesministerium für Arbeit und Soziales: 56 Seiten zur selbstständigen Erwerbstätigkeit in Deutschland 2020

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Arbeitslos – sich selbstständig machen, Ideen?

  • Reply Claudia Kirsch, Unternehmensberaterin 1. Juni 2021 at 09:27

    Ja, das ist ein schöner Ansatz: In der Krise mutig die Initiative ergreifen!

    Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass es Ende 2021 etwa 300.000 weniger Selbstständige in Deutschland geben wird als vor der Krise. Das wäre ein Rückgang auf den niedrigsten Wert seit 25 Jahren. Und wenn auch im nächsten Jahr nochmal 300.000 ihr Business abmelden, hätten wir nur noch eine Selbstständigen-Quote von 8,5% der Erwerbstätigen.

    Wie toll wäre das denn, wenn die Quote der Selbstständigen in den kommenden Jahren nicht wie prognostiziert sinkt, sondern exponentiell steigt. Damit es eine neue Gründungswelle nach der Corona-Krise gibt, sollte die Politik dafür sorgen, den Zugang zum Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit wieder zu erleichtern. Die Bundesregierung änderte Ende 2011 den § 93 SGB III und die Pflichtleistung wurde in eine Ermessensleistung umgewandelt. Was für eine unsinnige Kostensparmaßnahme, denn der Gründungszuschuss für ALG I-Empfänger war zuvor ein äußerst erfolgreiches Instrument.

    Zum Glück gibt es den Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland VGSD e.V., der sich als Lobby für die hier angesprochene Zielgruppe der Freelancer und Solo-Selbstständigen versteht. Eine Mitgliedschaft ist sehr zu empfehlen, denn diese bietet auch eine Vielzahl von Vernetzungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 1. Juni 2021 at 13:02

      Danke für den wichtigen Kommentar! Der VGSD ist sooo wichtig – bin ja auch Mitglied und schätze Eure Arbeit sehr. Dann lass uns mal optimistisch in die Zukunft gucken und hoffen, dass die Katastrophe seit 2011 bald zuende ist und endlich auch wieder „normale“ Selbstständige erwünscht sind. Auch sie (bzw. wir) gehören zum digitalen Zeitalter. Und es ist gut, sich selbstständig zu machen.

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