Lohnt sich Selbstständigkeit noch in Deutschland?

Bürokratie ist sowohl in der EU als auch in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter ausgeweitet worden. Das trifft nicht nur Betriebe mit Angestellten und mittelständische Unternehmen, sondern auch Soloselbstständige. Menschen, die sich für eine selbstständige Arbeitsweise entscheiden, legen viel Wert auf Ungebundenheit und Entscheidungsfreiheit. Sie sind bereit, neben der Auftragsgenerierung und der eigentlichen Arbeit sich um Buchhaltung, Steuern und rechtliche Vorgaben zu kümmern. Doch was ist, wenn Bürokratie und behördliche Vorgaben zu umfangreich werden? Und wenn die Rechtssicherheit schwindet?

Freelancer werden überall da von Organisationen und Unternehmen in Gebieten eingesetzt

  • wo es erfahrungsmäßig starke Auftragsschwankungen gibt (Werbeagenturen zum Beispiel)
  • wo Projekte mit einem klaren Projektabschluss vorliegen (IT-Projekte, Mitarbeiterschulungen, Umstrukturierungen…)
  • wo man Selbstständige benötigt, die mit unternehmerischem Denken, hoher Flexibilität, guter Erreichbarkeit und einem schmalen Verwaltungsapparat verlässlich zuarbeiten (IT-Wartung im Mittelstand, Website-Administration…)
  • wo Dienstleistungen übernommen werden, die keine Festanstellung füllen, jedoch einen langfristig verlässlichen Partner benötigen (redaktionelle Tätigkeiten, Social Media Content Redaktion…)
  • wo klassischerweise Freelancer eingesetzt werden, die meist noch andere berufliche Tätigkeiten ausüben (Dozenten, Therapeuten, Coachs und Berater)

Seit dem Jahr 2024 hat sich die Rentenversicherung auf den Weg gemacht, besser zu entschlüsseln, ob Selbstständige als Ersatz für Festangestellte beauftragt werden, um als Arbeitgeber Sozialabgaben einzusparen und die Konsequenzen durch Arbeitsverträge zu vermeiden. Zum einen wird hierfür die Beauftragung von Arbeitnehmerüberlassungen eingesetzt – zum anderen wird auf Freelancer zurückgegriffen, die weitaus günstiger sind als Zeitarbeitsfirmen.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wann ist ein Selbstständiger wirklich selbstständig?

Selbstständige, die widerrechtlich Festangestellte ersetzen, nennt man „Scheinselbstständige“. Sie arbeiten nach festen Vorgaben, zeitlich gebunden und mit der vorliegenden Infrastruktur des beauftragenden Unternehmens. Liegt so ein Arbeitsverhältnis vor, das nach Stundensätzen honoriert wird und keine Arbeitnehmerrechte beinhaltet, bewertet das der Gesetzgeber als unrechtmäßigen Missbrauch von Selbständigen.

Wir kennen das zum Beispiel bei Lieferdiensten und Paketzustellern, die auf eigene Verantwortung und ohne Absicherung im Krankheitsfall oder im Alter als „prekäre Tagelöhner“ eingesetzt werden. Sie haben keine Altersabsicherung, keine Urlaubsansprüche und keine Arbeitslosenversicherung.

Für die Krankenversicherung müssen sie den doppelten Betrag zahlen: Arbeitgeberanteil und Arbeitnehmeranteil. Viele zahlen um die tausend Euro in der GKV monatlich. Ist man hingegen privat versichert, kann das mit zunehmendem Alter zu großen Problemen führen – spätestens, wenn man nicht mehr arbeiten kann.

Steuerpflichtige prekäre Tagelöhner?

In vielen Ländern der Welt arbeiten die prekären Tagelöhner an der offiziellen Wirtschaft vorbei. Sie zahlen keine Steuern und haben häufig keine Krankenversicherung. Wir würden sie Schwarzarbeiter nennen. Bei uns gibt es Schwarzarbeit als selbstverständliche Dienstleistung vor allem für Haushaltshilfsdienstleistungen in Privathaushalten. Minijobs sind bürokratisch aufwändig und werden von privaten Haushalten gemieden.

In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind mehr Menschen bereit, sich selbstständig zu machen als in Zeiten des Fachkräftemangels. In den letzten Jahren der Vollbeschäftigung waren es in erster Linie StartUps (fremdfinanziert und angetreten mit der Option, wirtschaftlich bedeutend zu werden) und Migranten, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt höchstens im Niedriglohnbereich arbeiten können.

Eine Gesellschaft ohne Selbstständige?

In der Deutschen Demokratischen Republik gab es so gut wie keine Selbstständigen. Niemand war arbeitslos. Ist das die Gesellschaft, die wir wollen? Welche Konsequenzen sind damit verbunden, wenn alle Schulabgänger arbeitsmäßig in die Systeme integriert werden? Auf jeden Fall ist damit verbunden, dass Sicherheit entsteht. Egal, wie Biografie und Leistungseinstellung sind, man ist in gewisser Weise sozial abgesichert. Was hingegen fehlt, sind die „Querköpfe“ und Kreativen, die lieber doppelt so viel arbeiten wie andere, dafür jedoch unabhängig und frei.

Ich denke, eine Gesellschaft, die nach vorn schaut und innovative Wege gehen will, braucht Selbstständige. In skandinavischen Ländern sind Selbstständige in Sozialsysteme eingebunden – sie zahlen Sozialbeiträge je nach Einkommen wie festangestellte Arbeitnehmer auch und haben entsprechend dieselben Rechte – auch bei Arbeitslosigkeit (Auftragsmangel).

Es ist, wie es ist. Prekäre Tagelöhner auszubeuten, ist definitiv menschenverachtend. Von daher ist das Thema „Scheinselbstständigkeit“ verständlich. Doch die vielen Abenteurer und Eigensinnigen sind sehr wertvoll für jede Gesellschaft. Ich würde mich freuen, wenn wir in Deutschland den skandinavischen Weg gehen könnten. Beamte und Selbstständige integrieren in die Sozialsysteme mit fairen Beiträgen je nach Einkommen.

vgsd: 11 Fragen an die Deutsche Rentenversicherung: Wann liegt Scheinselbstständigkeit vor?

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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