Reich und glücklich? Was soll das eigentlich mit dem angeblichen „Armutsbewusstsein“?

Hat man Ihnen schon einmal gesagt, Sie hätten Geldprobleme, weil Sie in Ihrem Armutsbewusstsein gefangen wären? So nach dem Motto: Du musst nur die richtigen Gedanken haben, dann fliegt Dir das Geld schon zu? In unserer heutigen Zeit gibt es ganz viele „Wunderheiler“ im Netz, die den Menschen Reichtum und persönliches Glück versprechen, falls diese deren überteuerten Produkte (Webinare, Seminare, Schneeballsystem-Nahrungsergänzungsmittel…) kaufen und nach der dort verbreiteten Philosophie leben. Doch was soll das sein, dieses „Armutsbewusstsein“?

Sich reich und glücklich denken?

Die Biografien erfolgreicher Menschen zu lesen, ist sehr aufschlussreich, wenn man dem Geheimnis von Reichtum und Macht auf die Spur kommen will. So gut wie immer findet man in der Kindheit Traumata, die zu ungeheurem Ehrgeiz und fast verzweifeltem Unabhängigkeitsstreben führen. Steve Jobs etwa wusste nicht, wer er war, weil er schon direkt nach der Geburt zur Adoption freigegeben wurde. Andere Gründer wie Ingvar Kamprad (Ikea) lebten als Kind in bitterster Armut und wollten sich und ihre Liebsten unbedingt retten.

Sind diese erfolgreichen Menschen glücklicher als die, die eine langweilig glückliche Kindheit hatten? Wohl kaum, Reichtum, Macht und die Fähigkeit zu Lieben wachsen auf verschiedenen Ästen des Lebensbaums. Gerade glückliche Menschen neigen seltener zu Ehrgeiz und Selbstkasteiung. Sie freuen sich an ihrem schönen Leben und haben keinen Grund, sich mit materiellem Besitz und dem Genuss von Machtausübung zu belasten. Führt nicht jede Form von Besitz zu einer Verengung der Handlungsautonomie? Zeigt nicht jede Form von Macht ihre bedrohliche Seite, weil die Sturzhöhe mit jeder erklommenen Stufe steigt?

Reichtum und Macht

In der Kabbala heißt es, der Mensch strebe zunächst nach Geld, dann nach Macht – und ganz am Ende nach Transzendenz – also der Befreiung von allen Anhaftungen. Leider muss man erst durch die ersten Stufen durch, um loslassen zu können. Selbst Siddharta brauchte die Erfahrungen als Asket, glücklich Verliebter und erfolgreicher Kaufmann, um die Stufe des Loslassens erreichen zu können und Erleuchtung zu erfahren.

Merkwürdigerweise streben die ganzen „Reich und glücklich“ Opfer so gut wie nie nach Macht – habe ich zumindest noch nie in den plakativen Versprechungen der Wunderheiler gelesen. Ich glaube, die armen Menschen, die sich reich und glücklich denken wollen und bereit sind, tausende von Euro dafür auszugeben, wollen gar nicht anderen Menschen ihren Willen aufzwingen – sie wollen ganz einfach nur ihrem Unglück entfliehen und sehen ihre Rettung m Geld. Doch ich muss enttäuschen: Wer nicht bereit ist, Anderen den eigenen Willen aufzuzwingen (was natürlich mit Skrupellosigkeit verbunden ist) wird wohl auch nicht reich – es sei denn, durch Erbe oder Heirat.

Was ist denn nun „Armutsbewusstsein“?

Ganz sicher ist es für die Führung eines Unternehmens nicht förderlich, wenn man zu niedrige Preise veranschlagt. Ich begleite seit vielen Jahren Gründer und weiß, wie das Selbstbewusstsein erst mit zunehmendem Erfolg steigt. Anfangs ist man unsicher und ist im Extrem sogar bereit, kostenlos sein Können bei Referenzkunden einzubringen. Mit zunehmender Kundendichte wird man immer teurer – aber mal ehrlich, das ist doch auch richtig so! Lehrjahre sind keine Herrenjahre und einem Grünschnabel würde ich auch nicht das Gleiche zahlen wie einem erfahren Profi.

„Armutsbewusstsein“ ist ein hochemotionaler Begriff, den wir automatisch mit schlechten Gerüchen, Schulden und verachtenswerter Existenz verbinden. Einem Menschen zu unterstellen, er lebe in einem Armutsbewusstsein, ist demnach eine Herabsetzung der kompletten Person. Wie praktisch, wenn ich ihn als Kunden für überteuerte Produkte bzw. Dienstleistungen ködern will!

Menschen, die nur mit Kopfschütteln auf die Unterstellung eines „Armutsbewusstseins“ reagieren, sind wahrscheinlich vom Schicksal geküsst. Sie sind nicht berührbar für diese Art von Fluch, da sie sich reich fühlen und nichts damit anfangen können (so wie ich, ich habe noch nie Hunger gelitten und habe überhaupt keine Angst vor Armut).

Kann man sich reich denken?

Kann ich mich zum Schachweltmeister hochdenken? Zur Schönheitskönigin? Zur Bundeskanzlerin? Wohl kaum. Wer nicht bereit ist, Opfer zu bringen für seine Visionen, hat die Erreichung des Ziels nicht verdient. Schon in Grimms Märchen wird immer wieder betont, dass nur die Würdigen die Krone erlangen werden – oder wie ich sagen würde „Ohne Schweiß kein Preis“.

Voodoo-Zauber „Armutsbewusstsein“

Ich wünsche allen Lesern von Herzen, dass sie sich nicht vom Voodoo-Fluch des „Armutsbewusstsens“ verhexen lassen. Klar ist es schlimm, überschuldet zu sein. Doch da braucht man dann einen Menschen wie Peter Zwegert, um planvoll und diszipliniert aus der Misere zu kommen – und keinen Wunderheiler! Und unglücklich abhängig Beschäftigte brauchen Mut, Selbstvertrauen und einen starken Willen, um ihr Berufsleben zu ändern – und vor Allem ihren klaren Verstand, um sich eine Alternative aufzubauen.

Wir können alle nur auf einem Stuhl sitzen. Ob aus Holz oder aus Gold, wen interessiert es? Ist der aus Gold, müssen wir die Tür besser versperren und aufpassen, wen wir überhaupt in unser Heim lassen – könnte ja ein Dieb sein! Wir können alle nur essen, bis wir platzen. Ob Bratkartoffeln mit Spiegelei oder Hummer – der Geschmack ist selten abhängig vom Geldbeutel.

Reichtumsbewusstsein bedeutet, sich reich zu fühlen – auch nackt in einer Tonne. Wenn wir es schaffen, uns immer und überall reich zu fühlen, weil wir so dankbar sind für dieses wunderschöne Geschenk „Leben“, sind wir reich und und können nicht bestohlen oder betrogen werden. Reichtum bedeutet, alles tun zu können, was man will.

Lieben ist reich! Lachen ist reich! Selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen ist reich! In diesem Sinne: Passt auf, wenn Euch jemand einreden will, Ihr hättet die falsche Einstellung zum Geld und müsstet Euch aus Eurem Armutsbewusstsein befreien. Das sind Menschen, die an Eure Geldbörse wollen – und das hat Gründe. Sie scheinen anscheinend nicht reich genug zu sein 😉

 

 

 

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Reich und glücklich? Was soll das eigentlich mit dem angeblichen „Armutsbewusstsein“?

  • Reply Madeleine Blaschke 13. Februar 2019 at 11:34

    Das hast du so schön – und vor allem so treffend gesagt! Genau das ist meine Philosophie. Mit der ecke ich gerade im Moment häufig an, da ich zu einer guten Kapitalistin erzogen werden soll. Das wird scheitern! Aber ich werde nicht scheitern, sondern aus dieser Sache das Richtige mitnehmen und – hoffentlich – etwas Gutes daraus machen. „Ich habe noch nie Hunger gelitten und habe absolut keine Angst vor Armut“… Das muss man sich heutzutage erst mal trauen zu sagen! Ich finde es super, dass Du das tust! Schwester 🙂

    • Reply Eva Ihnenfeldt 13. Februar 2019 at 18:14

      Hi liebe Schwester, ja da sind wir uns sehr ähnlich – wir verkaufen unsere Seele nicht dem Mammon 🙂 Das hat noch niemandem genutzt – siehe König Midas als warnendes Beispiel. Lass Dich nie darin beirren liebe Madeleine. Du kannst so viel und bist so klug, lebe einfach weiter Deine Berufung – Geld kommt schon 🙂

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